Natürlich möchtest du von deinen Arbeitskollegen wahrgenommen und respektiert werden, gar keine Frage. Aber in deinem Arbeitsalltag ununterbrochen die Klingen wetzen und einen ständigen Kampf um Aufmerksamkeit und Respekt führen? Damit tust du dir keinen Gefallen.
Hast du dir denn schon mal Gedanken darüber gemacht, wieso dich deine Kollegen nicht wahr- und ernst nehmen? Oder suchst du von Anfang an die Schuld bei ihnen und machst sie zu deinen Gegnern?
Denn das ist die bequeme Schiene, die viele Menschen so oft zu fahren pflegen. Ich schließe mich hier nicht aus. Wir geben zu gerne die Verantwortung an unsere Mitmenschen, aber auch an verzwickte und schwierige Situationen ab und suchen uns damit in der Außenwelt unsere Gegner. So schaffen wir uns das perfekte Feindbild in ihnen, gegen das wir kämpfen können – das ist ja so viel einfacher. Dabei sollten wir uns doch eher fragen: Sind wirklich die anderen die Gegner oder ist der Gegner vielmehr in mir selbst?
Scharf gestellt
Ich glaube, unser Bedürfnis immerzu zu kämpfen, ist eine Urambivalenz in uns Menschen. Auf der einen Seite haben wir Angst vor Veränderungen und kämpfen gegen diese an. Auf der anderen Seite streben wir aber auch nach Veränderungen und kämpfen FÜR sie. Dadurch schaffen wir uns etliche Kampfplätze, die es zu bestreiten gilt. Sei es der nächste Karriereschritt, eine wichtige Entscheidungen im Job oder die Meinung gegenüber dem Chef zu vertreten.
Nicht nur im beruflichen Umfeld bist du deshalb immer in kampfbereiter Haltung. Nein, auch in der und für die Familie kämpfst du. Um die Zukunft der Kinder, um die Erhaltung der Beziehung oder der Ehe, aber auch um die kleinen Alltagsfragen: Wer räumt die Wohnung auf? Wer erledigt die täglichen Einkäufe?
Und der dritte Kampfplatz, auf dem du dich tagtäglich tummelst, ist der Kampfplatz in dir selbst: Du kämpfst wie jeder Mensch darum, mit dir zufrieden zu sein, dich voranzubringen, erfolgreich zu werden. Oder wie im aktuellen Fall akzeptiert und wahrgenommen zu werden.
Opfer oder Täter?
Lieber werden wir zum Täter, als uns zum Opfer machen zu lassen. Genau diese Einstellung ist es, die uns oft dazu bringt anzugreifen und in die Schlacht zu ziehen. Wir kämpfen, wenn uns jemand herausfordert oder zetteln den Kampf selbst an, auch wenn er völlig sinnlos ist und uns von unserem eigentlichen Ziel abbringt. Diese Reaktion ist fast schon animalisch. Ich musste daran denken, als mein Mann kürzlich zwei Milane beim Kampf vor unserem Balkon fotografierte. So unnötig möchte ich mich als Mensch nicht in den Kampf stürzen!
Stehe ich auf dem Schlachtfeld meiner Gefühle, frage ich mich deshalb immer: Was ist, wenn der Kampf nicht im Außen, sondern in mir selbst seinen Ursprung findet? Natürlich ist diese Einsicht am Anfang schwer zu schlucken, denn habe ich meinen Anteil erkannt, kann ich die Verantwortung nicht mehr von mir weisen, sondern muss an mir selbst arbeiten. Davor haben viele Menschen Angst. Und da sehe ich auch den Ursprung der Haltung, lieber ein Feindbild in den Mitmenschen zu kreieren.
Damit kannst du die Frage nach dem, wogegen du kämpfst, auch immer recht schnell beantworten. Gegen die Rahmenbedingungen der Gesellschaft, gegen die Macht deiner Vorgesetzten, gegen die Ungerechtigkeit, der du scheinbar ausgesetzt bist. Du findest ganz leicht tausend Gründe, die dich dazu „animieren“ gegen andere zu kämpfen.
Ein bisschen klarer
Aber kannst du das Wofür nicht benennen, ist dein Kampf unbegründet. Was ist also dein Ziel, das du mit einem Kampf erreichen willst? Was willst du in der Außenwelt und damit auch in dir verändern? Genau dieses Ziel, der Ausgang eines Kampfes, ist vielen oft nicht klar. Daher machen sie den Kampf zur Regel und verlieren das eigentliche Ende aus den Augen. Wie bei den Milanen: Der eine hält den Blick auf sein Ziel und lässt sich nicht ablenken durch den Kampf, der ihm angeboten wird – sein Blick geht nach vorne.
Schaffst du das auch und entziehst dich dem Kampf mit der Außenwelt, ist der erste Schritt: Tief durchatmen und einfach mal loslassen. Du musst den Blick nach innen richten. Anteile in dir selbst als Gegner wahrnehmen und dich mit diesem „inneren Gegner“ auseinandersetzen. Denn die nicht ausgetragenen inneren Kämpfe sind es, die dich Kraft kosten, die dich erschöpfen und ermüden lassen. Erst wenn wir du im Klaren darüber bist, dass deine Kämpfe nicht immer im Außen liegen, kannst du dir bewusst werden, was du wirklich willst, was dir wirklich wichtig ist. Und deinen Blick überarbeiten: Als was siehst du das Leben – als ein Schlachtfeld, eine Blumenwiese, ein Land der Hoffnung? Frage dich, wie du dein Leben definieren, wie du dein Leben gestalten willst.
Hast du das für dich herausgefunden, kannst du dir Gedanken darüber machen, was dein Ziel ist. Und daraus die entsprechenden Konsequenzen ziehen, anstatt immer nur mit Kraft draufzuhauen und jeden Kampf anzunehmen. Denn dann verändert sich das Schlachtfeld deines Lebens und macht Raum, dich zu entwickeln.
Hindernis ausgeräumt
Wenn du das Wofür deines Kampfes kennst und dein Ziel verfolgst, ist dein Kampf ein sinnvoller. Du kämpfst für deine Intention, deine Einzigartigkeit, deinen Beitrag für die Welt. Deshalb sieh deinen Arbeitsplatz nicht als Schlachtfeld. Sondern überlege dir zunächst, wer dein eigentlicher Gegner ist, anstatt die Kollegen von vornherein zu beschuldigen. Frage dich vielmehr: Was strahle ich aus, dass sie so reagieren? Hindere ich mich selbst daran, meine Anliegen ernsthaft vorzutragen?
Für deine innere Auseinandersetzung mit dir selbst wünsche ich dir viel Kraft und Durchhaltevermögen.