Désirée Vach ist ihre eigene Chefin: Sie hat 2009 das Plattenlabel Snowhite Records gegründet – da war die Musikbranche schon mitten in der Digitalisierung und musste sich neu erfinden. Wie überlebt man in diesem Business?
Der Weg zum eigenen Plattenlabel
In der Musikbranche gibt es viele Berufswege, doch der Sprung zum eigenen Label ist ein besonders großer. Désirée Vach hat ihn vor sechs Jahren gewagt und ist seither ihre eigene Chefin. Ihr gehört das Label Snowhite Records, sie ist außerdem seit 2014 Vorstandsmitglied des VUT – Verband unabhängiger Musikunternehmen e.V.
Die Musikwirtschaft war als
eine der ersten Branchen von der Digitalisierung betroffen und musste insbesondere bei Geschäftsmodellen umdenken. Für kleine und mittlere Unternehmen war genau das auch eine Chance, sich zu beweisen, glaubt Désirée Vach, da sie aufgrund ihrer Größe flexibler handeln konnten. Doch was bedeutet es heute, ein Label zu
betreiben? Wo liegen die Chancen und Herausforderungen? Das hat sie uns im Interview erzählt.
Désirée, Du hast 2009 Dein eigenes Unternehmen Snowhite gegründet, vorher hast Du für die
Independent-Labels Kitty-Yo und Weekender Records gearbeitet. Was waren damals
die Gründe für Dich, Dein eigenes Label zu starten?
„Ein eigenes Label zu gründen
war der nächste Schritt, der für mich in dieser Zeit einfach notwendig war. Nicht
weil ich mit bestehenden Strukturen unzufrieden war und dachte, ich könnte das
Rad neu erfinden oder vieles besser machen. Auch nicht weil ich den Drang
hatte, das Gelernte anzuwenden, um etwas Eigenes zu erschaffen. Es ergab sich
einfach so, ganz natürlich. Ich glaube, jeder kennt es zu handeln und dann
plötzlich retrospektiv zu erkennen und zu begreifen, was man eigentlich gewuppt
hat. Als Kind war ich viele Sommer bei meiner Tante in Florida und bin dort
auch für einige Monate zur Schule gegangen. Ich denke manchmal, dass der
amerikanische Schaffensmut mich doch sehr geprägt haben könnte. Lieber sollte
man an Sachen scheitern oder verzweifeln, als später zu bereuen, sie nie
probiert zu haben. Dazu gehört Mut und man lernt in jedem Fall daraus.“
Wenn Du zurückblickst: Inwiefern unterscheidet sich
Deine Arbeit in der Anfangszeit zu der heutzutage?
„In der Anfangszeit durfte
ich Teil eines Teams sein, was ich sehr liebe, denn nur durch unterschiedliche
Ansätze, Ansichten und Meinungen kann etwas Neues entstehen. Manchmal gibt es
Reibereien, klar, aber die Aufgabe, sie zu lösen, macht auch Spaß. Bei Snowhite
war ich plötzlich und unerwartet die Chefin und von mir wurde ein Verhalten
verlangt, das mir vorher fremd war, das ich nur als Klischees kannte und mit
dem ich nicht gerechnet hatte. Wenn nichts mehr geht, muss die Chefin ein
Machtwort sprechen. Den richtigen Ton zu finden, fiel mir am Anfang schwer,
doch jetzt weiß ich, dass man die Klischees abschütteln muss und Konflikte
einfach aus seinem Bauchgefühl heraus lösen kann. Also genau so, wie es zu
einem selbst passt. Nicht nur auf der Bühne ist Authentizität wichtig, sondern auch
dahinter.“
Du hast insgesamt vier Mitarbeiterinnen. Was muss
man heutzutage mitbringen, um Deiner Meinung nach in der Musikbranche
erfolgreich zu sein? Und auf was achtest Du bei der Auswahl Deiner
Mitarbeiter?
„Natürlich ist die Liebe zur
Musik das Wichtigste. Nichts kann so sehr Berge versetzen wie Musik, weder Worte noch
Bilder. Das Wichtigste ist das Genießen der Momente, die durch Musik
beflügelt werden. Ich selber habe erst sehr spät Pop, Rock und Elektromusik für
mich entdeckt, da ich eine klassische Erziehung genießen durfte und Flöte, Bratsche
und Klavier spiele. Leidenschaft für Musik kann Berge versetzen und Energien
freisetzen, von denen man selber manchmal erstaunt ist. Deswegen ist die
Begeisterungsfähigkeit bei neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für mich sehr
wichtig, alles andere kann man erlernen. Um in der Musikbranche erfolgreich zu
sein, muss man fleißig, hartnäckig und ausdauernd sein und sensibel mit
Menschen umgehen können. Das Wichtigste ist aber, sich auf seinen Geschmack und
sein Bauchgefühl zu verlassen und nicht einfach dem nächsten Hype
hinterherzurennen.“
Würdest Du heute noch mal ein Label gründen? Oder
gibt es etwas, was Du anders machen würdest?
„Auf jeden Fall. Es gibt
nichts Tolleres, als mit jungen Künstlerinnen und Künstlern zusammenzuarbeiten,
eine Leidenschaft und Ideen zu teilen und Spaß bei der Arbeit zu haben. Was ich
anders machen würde? Ich würde vielleicht BWL studieren, aber dann hätte ich
Angst, dass die Vernunft manchmal meinem Herz im Weg stehen könnte. Und hey,
wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“
Wo siehst Du insgesamt die Chancen und Herausforderungen
für die Musikwirtschaft?
„Die Musikindustrie musste
immer schnell auf Strömungen und Entwicklungen – ob gesellschaftlich oder
technisch – reagieren, was bedeutet, dass man immer Neuland betritt und Probleme
vorfindet, für die man keine Lösungen aus anderen Industrien herleiten kann. Das
war zum Teil auch ein holpriger Weg, zum Beispiel im Digitalbereich. Ein Spielplatz und
ein Minenfeld zugleich, aber genau das macht es so spannend. Und gerade weil
wir es gewöhnt sind, neue Wege zu gehen, ist es so wichtig, dass die
Musikwirtschaft auch Vorreiter beim Thema Diversität ist.“
Und noch eine letzte Frage: Welchen Rat würdest Du
potenziellen Gründerinnen in der Musikbranche mit auf den Weg geben?
„Habt keine Angst, probiert
aus, lasst euch nicht einschüchtern von anderen. Zieht euer Ding durch, denkt
über Ratschläge anderer zweimal nach und genießt jeden Schritt eurer Arbeit und
habt Spaß! Nehmt euch selber nicht so ernst, aber verliert nicht den Fokus
eurer Arbeit aus den Augen. Lasst euch nicht von dem vorhandenen Blendwerk in
der Branche beeindrucken.“
Mehr bei EDITION F
Lust aufs Musikbusiness? So kann euer Weg dahin aussehen. Weiterlesen
Miriam Jacks: „Meine Karriere ist das Ergebnis verdammt harter Arbeit“. Weiterlesen
Mieze Katz: „Albumarbeit ist die Suche nach Verbündeten“. Weiterlesen