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Bionade-Gründer: „Nur wer nichts macht, macht keine Fehler“

Peter Kowalsky ist Mitbegründer von Bionade und berät junge Unternehmen – er sagt: Man muss auch mal etwas gegen die Wand fahren dürfen.

 

Das Lifestyle-Getränk für trendbewusste Öko-Hippies

Als Kowalskys Stiefvater Mitte der Neunziger an der Erfindung einer Bio-Limonade zu tüfteln begann, fassten sich die Leute noch an den Kopf: Wer will so was denn trinken? Doch die Familie blieb dran. Nach erheblichen Anlaufschwierigkeiten und einer langwierigen, von vielen Zweifeln begleiteten Entwicklungsphase erlebte Bionade eine rasante Erfolgsgeschichte. 1997 nahm ein Hamburger Getränkegroßhändler die Biolimonade in sein Sortiment auf, von Hamburgs Szeneläden aus verbreitete sich das Getränk in der ganzen Republik und wurde zum Inbegriff des Lifestyle-Getränks für LOHAS. 2007 wurde Kowalsky zum „Ökomanager des Jahres“ gewählt. Nach dem Boom geriet Bionade in Schwierigkeiten, 2012 verkaufte die Familie Kowalsky ihre restlichen Anteile an den Oetker-Konzern. Schon während seiner Zeit bei Bionade begann Peter Kowalsky, als „Sustainable Business Angel“ sein Wissen an junge Unternehmer weiterzugeben. Mit EDITION F sprach Peter Kowalsky, 46, über neue Herausforderungen, warum Fehler so wichtig sind und über den positiven Einfluss von Frauen in Führungspositionen.

2012 haben Sie die letzten Familienanteile an Bionade verkauft – sind Sie in das berühmte Loch gefallen?

„Man muss wissen: Wir hatten nie vorgehabt, Bionade zu verkaufen, für uns war das nie eine Option, dann haben wir uns doch getrennt. Und natürlich kam dann die Frage auf: Was passiert jetzt mit mir? Ich habe damals alles einfach auf mich zukommen lassen. Kurz vor dem Aus konnte ich mir eigentlich nicht vorstellen, plötzlich nicht mehr das zu machen, was ich mein gesamtes bisherige Berufsleben lang gemacht hatte. Und dann habe ich ziemlich schnell gemerkt, dass ein Leben danach kommt, das genau so schön sein kann. Ich habe jetzt Möglichkeiten, kann Dinge machen, die ich mit Bionade nicht hätte machen können. In meiner Zeit bei Bionade habe ich natürlich viele Leute kennen gelernt, mich sehr gut vernetzt, es fiel mir nicht schwer, mich neu zu orientieren.“

Sie haben gerade gemeinsam mit einem ehemaligen Fußballprofi ein neues Getränk auf den Markt gebracht, beworben als „hochwertige Trinkflüssigkeit“. Kritische Pessimisten würden jetzt sagen: Wer soll das kaufen, wer soll das brauchen, und sehr teuer ist es auch?

„Schauen Sie sich die Apotheken an, die Regale sind voll mit Produkten zur Nahrungsergänzung. Der Markt ist also da. Für mich ist das eine Fortführung von Bionade, die Arbeit mit natürlichen Wirkstoffen hat mich begeistert. Und ich sehe das so: Wenn viele Leute fragen: ´Was soll das?´, und die Hände über dem Kopf zusammenschlagen – dann ist das Produkt für die Leute einfach noch zu weit weg, deswegen wird es als Blödsinn abgetan, bei Bionade war das damals ganz genauso: In Zeiten des Booms von Red Bull, als Getränke möglichst süß sein mussten, mit einer Bio-Limonade anzukommen? Alle haben müde abgewunken. Ich bin überzeugt, „Inju“ wird seine Fans finden – mit neuen Dingen ist das nun mal immer so: Falls es keiner haben will, dann war es eben kein gutes Geschäftsmodell.“

Sie weisen in Ihrer Rolle als „Sustainable Business Angel“ oft auf die Wichtigkeit einer Fehlerkultur hin. Was meinen Sie damit?

„Als wir damals mit Bionade anfingen, eröffneten wir ein völlig neues Marktsegment. Mit Bier ist das ja beispielsweise so: Es gibt 0,33-Liter- Flaschen und Halbliterflaschen, es gibt Pils, Export, Weizen, und die passenden Gläser auch, der Verbraucher ist also schon in einem Koordinatensystem drin. Wir hatten aber keinerlei Erfahrungswerte: Was für eine Flasche sollen wir nehmen? Wie soll das schmecken? Wie sollen wir das zertifizieren lassen? Das hat uns niemand gesagt, wir mussten es ausprobieren – und habend dabei alle nur erdenklichen Fehler gemacht. Die waren aber wichtig. Zu einer ordentlichen, zukunftsweisenden Unternehmenskultur gehört für mich immer eine gute Fehlerkultur.“

Und wie sollte die konkret aussehen?

„Wir brauchen einen toleranteren Umgang mit Fehlern. Nur wer gar nichts macht, macht auch keine Fehler. Mitarbeiter sollten ermutigt werden, mitzudenken und mit zu überlegen, und Dinge anzugehen – dabei werden zwangsläufig Fehler passieren, das ist so, wenn man Neuland beschreitet. Als Chef muss man lernen, beziehungsweise sich mal trauen, Verantwortung aus den Händen zu geben und mit dem Risiko zu leben, dass andere dann Fehler machen. Das muss aber in Ordnung sein und darf dem Mitarbeiter nicht schaden. In einem Umfeld, in dem Mitarbeiter wissen, dass Fehler akzeptiert werden, entwickeln sie viel mehr Eigeninitiative und tragen so stärker zum Erfolg eines Unternehmens bei.“

Werden Fehler in deutschen Unternehmen aus Ihrer Sicht nicht genügend „gewürdigt“?

„Nein, in Deutschland gibt es diese Fehlerkultur nicht. Wenn man hier Fehler macht, ist man der „Nicht-Experte“. In Amerika wird das anders gehandhabt, wenn da jemand zum Beispiel mal selbst verschuldete finanzielle Schwierigkeiten hatte, gilt der als Experte, weil er eine Krise überwunden hat. In Deutschland ist das ein Versager, ganz hart gesprochen.“

Wobei der Wunsch, Fehler zu vermeiden, ja grundsätzlich nachvollziehbar ist.

„Was ich hier in Deutschland schlimm finde, ist das Marktforschungsverhalten vieler Unternehmen; wie sich Unternehmen dadurch anbiedern an die Verbraucher – die ganze Zeit wird gefragt: Was willst du? Was brauchst du? Statt etwas Neues zu wagen, wird das Langweilige, das Erwartbare gebracht, dabei lieben die Verbraucher es, auch mal überrascht zu werden. Das kann natürlich schiefgehen, aber ich bin bereit, dieses Risiko einzugehen. Viele Manager glauben sehr an die Marktforschung, aber wenn das so viel bringen würde, müssten ja diejenigen Unternehmen die erfolgreichsten sein, die am meisten Marktforschung betreiben, das ist Gott sei Dank nicht so.“

Was dann, wenn nicht Marktforschung?

„Ich habe mal den Vortrag eines amerikanischen Professors gehört, der hat gesagt: Wenn du ein Problem hast, das es schon mal gab, dann hilft dir Wissen. Also zum Beispiel: Bei Glatteis weißt du, dass du Salz oder Splitt auf die Straße streuen musst. Ein neues Problem aber kannst du nicht durch Wissen lösen, sondern nur durch Talent, weil der Zugang zu Wissen fehlt. Jeder hat ein besonderes Talent, und hier ermutige ich als Business-Angel die Leute: Nutze dieses Talent, und vertraue ihm. Denn dieses Talent macht einen zum Experten. Wenn mich die jungen Unternehmer fragen: ´Ist das richtig, was wir tun?´, dann will ich das gar nicht beantworten, ich will dem Produkt ja keinen Peter-Kowalsky-Stempel aufdrücken. Sondern sie selbst sind die Experten, weil sie etwas entwickelt haben, wofür sie ihr besonderes Talent benutzt haben. Da fehlt oft die nötige Ermutigung, selbstbewusst zu der eigenen Idee zu stehen, da ist schließlich jede Menge Gehirnschmalz investiert worden. Das müsste auch öfter mal gelobt werden, das ist in unserer Unternehmenskultur unüblich.“

Sie sagen, Sie finden genau die Ideen interessant, bei denen alle sagen, ´Das kann doch nie was werden´ – das klingt etwas trotzig?

„Vielleicht ist es das, ja. Aber es ist doch auch so: Wenn man sich genug Gedanken gemacht hat, dann kann man mit Selbstbewusstsein der Dinge harren, die da kommen. Aus einem Produkt, einer Beziehung, was auch immer, kann ich nur das rausbekommen, was ich investiert habe: Die Energie, Aufmerksamkeit, Gedanken, Kreativität . Ohne Aufwand kommt nichts Tolles zustande. Wenn ich also meine Geschäftsidee immer wieder in Frage gestellt und so viel reingesteckt habe und überzeugt bin und dann schlagen die Leute immer noch die Hände über dem Kopf zusammen, dann sollte man es wagen – die Leute können es sich einfach noch nicht vorstellen. Wenn die Idee lange genug gegärt hat, man Dinge in Frage gestellt hat, und man ist immer noch überzeugt, dann ist die Idee auch gut.“

Sie ermutigen Ihre Schützlinge, Führungspositionen mit Frauen zu besetzen – dafür gibt es natürlich nur gute Gründe, finden wir, welches sind Ihre?

„Die Besitzerin unserer Brauerei war eine Frau, nämlich meine Mutter. Wir haben damals die Erfahrung gemacht, dass es einen großen Unterschied machte, wenn Führungspositionen mit Frauen besetzt waren. Wir hatten bei Bionade viele Frauen in leitenden Positionen, etwa eine Vertriebsleiterin und eine Marketingleiterin, was in der Getränkebranche ziemlich unüblich ist. Frauen gehen ganz anders an Problemlösungen heran, das fand ich oft unheimlich dienlich für eine harmonische Geschäftsabwicklung. Lösungen zu finden verlief angenehmer für alle Seiten. Zum Beispiel bei der Frage, wie mit Wettbewerbern und Konkurrenten umgegangen wird, fand ich den weiblichen Ansatz irgendwie charmanter und eleganter, nicht so konfrontativ, stärker konsens – und kompromissorientiert. Üblicherweise geht es in der Getränkebranche anders zu, da werden die Dinge gern eher mit dem Holzhammer beschlossen, Deals werden an der Theke in Bonanza-Manier gemacht. Da fand ich den weiblichen Einfluss bei uns sehr angenehm.“

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