Familienrollen werden moderner, findet die Hauptstadtmutti-Gründerin Isa Grütering. Dennoch ist noch viel zu tun, um Gleichberechtigung zu erreichen.
Das größte deutsche Mama-Blog
Schon seit 2011 trifft Isa Grütering immer wieder neue Mütter, um sie auf ihrem Blog „Hauptstadtmutti“ vorzustellen. Zum Team gehören mittlerweile mehrere Autorinnen, die Tipps für das Leben mit Kindern geben – oder auch für die Erholung davon. Die Vielfalt der vorgestellten Frauen soll andere Mütter darin bestärken, ihren eigenen Träumen zu folgen, sagt Isa. Aufgrund all der Interviews, die Isa führt, weiß sie aber auch, wo der Schuh bei Eltern drückt. Was wichtig für Gleichberechtigung ist, hat sie uns im Interview erzählt und für das Gespräch auch gleich ein Shirt unserer „Female Future Force“ angezogen, denn – wie passend – bekommen ihre beiden Söhne in ein paar Wochen Unterstützung von einer kleinen Schwester.
Wann hast du zuletzt einen anderen Menschen dazu bewegt, mutig zu sein?
„Im Grunde ermutige ich meine Söhne jeden Tag, mutig zu sein. Das ist manchmal ganz einfach und manchmal gar nicht. Und mit unserem Mama-Lifestyle-Blog ermutigen wir täglich Mütter, ihr Leben so zu führen, wie sie es wollen, auf ihren Bauch zu hören und auch mit Kindern selbstbestimmt zu bleiben. Wir sehen uns da als Motivator, indem wir viele Mütter porträtieren, die unserer Meinung nach mutig sind und ihren Weg gehen.“
Welche Erkenntnis hat dich im Leben entscheidend weitergebracht?
„Dass man manchmal einfach Dinge ruhen lassen muss, damit es weitergeht.“
Hast du dich schon einmal komplett neu erfunden?
„Nein, also nicht wirklich. Irgendwie hat sich alles so nach und nach aufgebaut und ergeben. Ja, ich habe ab und zu meinen Weg korrigiert. Zum Beispiel habe ich mich nach der Geburt meines ersten Kindes, nach fast zehn Jahren im Angestelltenverhältnis selbständig gemacht und Hauptstadtmutti gegründet. Oder kurz nach der Geburt meines zweiten Kindes ein Buch geschrieben und veröffentlicht. Aber im Grunde habe ich mein Wissen und meine Erfahrung einfach immer erweitert.“
Was ist deine Super-Power?
„Willenskraft.“
Warum gehen die Themen Weiblichkeit und Zukunft für dich Hand in Hand?
„Für mich gehen Weiblichkeit und Männlichkeit und Zukunft Hand in Hand. Eine einseitige Entwicklung fände ich weniger förderlich. Männer müssen den Frauen im Berufsleben mehr Platz geben und Frauen müssen sich den Platz stärker einfordern, dann gibt es auch eine gemeinsame und für beide Seiten fruchtbare Zukunft.“
Warum tut sich beim Thema Rollenverteilung in Familien eigentlich so wenig? Oder ist es mittlerweile aus deiner Sicht für Mütter schon einfacher, wirklich selbstbestimmt zu leben?
„Ich denke nicht, dass sich wenig tut. Ich habe eher das Gefühl, dass sich gerade sehr viel tut. Es ist natürlich auch schwer, sich aus seiner eigenen Sozialisierung zu lösen. Wenn man mit dem klassischen Rollenmodell aufgewachsen ist, tut man sich schwerer, eine gleichberechtigte Partnerschaft und Familie zu leben. Dazu kommt, dass auch die Unternehmen stark umdenken müssen. Fast 50 Prozent aller Väter wollen heutzutage Gleichberechtigung in Job und Familienaufteilung und 80 Prozent würden ihren Job auch wechseln, um Familie und Arbeit besser unter einen Hut zu bekommen. Das heißt, es geht mittlerweile nicht nur um die Mütter, sondern auch um die Väter. Wenn die Männer mit im Boot sind, wenn es um bessere Arbeitszeitmodelle für Familien geht, ist der Weg vielleicht auch nicht mehr so weit. Solange aber das Problem des Pay-Gap zwischen Männern und Frauen in Deutschland besteht, ist es für Frauen schwieriger, da natürlich der geringer verdienende Partner mit Baby zu Hause bleibt und dann auf Teilzeit geht und das sind heute im Normalfall dann leider die Frauen.“
Ein wunderschöner Hauptstadtbauch – fotografiert von Theresia Koch.
Was ist entscheidend dafür, dass Netzwerke gut funktionieren und etwas bewegen können?
„Es steht und fällt mit den Personen, die die Netzwerke gegründet haben und sie führen. Ich persönlich finde Netzwerke manchmal auch überbewertet, aber ich bin auch nicht so ein Gruppenmensch. Ich verbinde gerne Menschen, bräuchte dafür aber nicht unbedingt ein vorgegebenes Netzwerk, sondern nutze dafür eher mein privates Netzwerk.“
Was müssen wir jetzt bewegen, damit die Zukunft sich für alle in eine positive Richtung wendet?
„Gleichberechtigung muss Teil unserer Kultur werden. Wir müssen unsere Kinder zu Gleichberechtigung erziehen und darauf achten, dass dies auch in Kitas und Schulen passiert. Die Lohnlücke, die zwischen Männern und Frauen besteht, muss überall, in allen Branchen geschlossen werden. Es darf nicht sein, dass Männer 2017 immer noch 20 Prozent mehr verdienen als Frauen. Frauen muss es leichter gemacht werden, in Vollzeit in den Job zurückzukehren. Dafür muss die Betreuung gewährleistet und bezahlbar sein.“
Welcher Mann und welche Frau haben dich in deinem Leben besonders inspiriert und wieso?
„Es gibt da nicht eine einzige Frau oder einen einzigen Mann. In den verschiedenen Lebensabschnitten haben mich viele verschiedene Menschen inspiriert und auch geprägt. Angefangen bei meinen Eltern, die mir vorgelebt haben, wie Gleichberechtigung funktioniert, über die vielen unterschiedlichen Menschen, mit denen ich gearbeitet habe oder denen ich auf Konferenzen und in Workshops begegnet bin. Auch mein Mann, der Künstler ist, inspiriert mich oft, da er ganz anders arbeitet, als ich es gelernt habe und dabei zum Teil viel effektiver und entspannter ist. Und manchmal sind es auch einfach nur kurze Gespräche, die einen großen Einfluss haben können. Heute Morgen hab ich eine Bekannte, die ich schon sehr lange nicht gesehen habe, zufällig auf der Straße getroffen, mit dem Auto mitgenommen und wir haben sofort angefangen, Ideen auszutauschen. Solche spontanen Begegnungen sind es bei mir oft, die Projekte ins Rollen bringen.“
Welchen Rat würdest du heute deinem jüngeren Ich geben?
„Bescheidenheit ist nicht immer eine Zier.“
Isa Grütering hat neben ihrem Blog Hauptstadtmutti auch schon ein Buch geschrieben, das im Aufbau-Verlag erschienen ist: Mama muss die Welt retten: Wie Mütter vom Wickeltisch aus Karriere machen.
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