Jennifer Browarczyks Startup „Foreverly“ will die Hochzeitsbranche digitalisieren – denn die tickt bislang noch sehr analog. Über den Weg dorthin und die Hürden hat sie mit uns gesprochen.
Wer heiraten möchte, ist mit den Gelben Seiten oft besser bedient als mit einer Online-Recherche. Foreverly, das Startup von Jennifer Browarczyk, will das ändern. Jennifer selbst ist nicht verheiratet – warum also die Idee? Wir haben mit ihr über Tradition, Trends und Erwartungsmanagement gesprochen.
Du möchtest die Online-Wedding-Plannerin in Deutschland werden – ohne selbst schon einmal geheiratet zu haben. Woher kommt deine Leidenschaft für das Thema?
„Meine zwei Schwestern sind schon verheiratet und hatten mich beide gebeten, sie zu unterstützen, denn ich bin die Projektmanagerin in der Familie. Ich habe das zehn Jahre lang beruflich in anderen Bereichen gemacht. Als ich festgestellt habe, wie schwierig die Organisation einer Hochzeit ist, habe ich mir gedacht: Da muss jemand ran, der dem Thema neutral gegenübersteht, der auch ein wenig Abstand hat. Ich habe einen großen Respekt gegenüber dem Thema, weil es eben ein sehr persönlicher Tag ist. Und gerade die Frauen haben sehr hohe Erwartungen. Ich gebe mittlerweile aber gern den Rat: Schraubt eure Erwartungen ein wenig runter und entspannt euch.“
Ist Heiraten tatsächlich ein Trend? Immerhin geht jede dritte Ehe in die Brüche.
„Die Anzahl der Hochzeiten ist immer noch sehr hoch. Im letzten Jahr waren es in Deutschland etwa 400.000 Paare. Ich glaube, dadurch, dass wir so beschäftigt sind mit Technologie und der Onlinewelt, suchen viele wieder nach anderen Werten. So wie Tradition. Auch wenn das heißt, alte Traditionen dann neu zu beleben. Hochzeiten ändern sich ja auch. Zudem kommen viele neue junge Dienstleister in die Hochzeitsbranche und gestalten diese Veränderungen mit, sie bringen neue Ideen mit und Hochzeiten werden wieder cooler.“
Du hast bereits angesprochen, dass Frauen sehr hohe Erwartungen an den Tag ihrer Hochzeit haben. Wie kann man den Druck reduzieren?
„Manchmal ist mein Eindruck: Die Frauen brauchen diesen Stress. Er gehört wohl dazu. Sie brauchen vor allem andere, die sie mental unterstützen. Wir haben momentan etwa 30.000 Bräute in privaten Facebook-Gruppen. Das funktioniert super. Denn die Freundinnen und Freunde sind irgendwann genervt von den Vorbereitungen. Ich bin erstaunt davon, wie viel die Frauen dort von sich preisgeben … an eigentlich Fremde. Aber sie fühlen sich dort verbunden.“
Ist es immer noch so, dass Frauen die Hauptorganisatorinnen sind?
„Ja, daran hat sich wenig geändert. Es ist wohl ein Fest für Frauen.”
Wie lange planen Paare im Voraus?
„Kurzfristig zu heiraten ist schwierig. Man bekommt dann keine Location. Was ganz interessant ist, wenn man Traffic analysiert: Im November/Dezember sucht niemand nach Hochzeiten. Dann ab dem 24. Dezember gehen die Suchanfragen hoch (lacht). Denn unter dem Baum fallen ganz viele Männer auf die Knie. Und Silvester auch. Im Januar und Februar geht es also ab. Für eine gute Planung sollte man neun Monate, besser aber ein Jahr, einplanen. Vor allem, wenn besondere Daten anstehen.“
Die Hochzeitsbranche boomt. Wie viel Geld gibt ein Paar denn dafür aus?
„Die Leute geben mehr und mehr Geld aus. Sie sagen immer, sie geben zwischen 10.000 und 15.000 Euro aus, tatsächlich liegt der Durchschnitt aber bei 20.000 Euro. Man vergisst oft, zum Beispiel die Flitterwochen mit einzurechnen.“
Angenommen, ich habe nur ein kleines Budget zur Verfügung. Wo fängt das an, und was kann ich machen?
„Also, wenn man zufällig ein schönes Elternhaus hat und den Garten nutzen kann, und der Vater zufällig Koch ist und das Essen liefern kann …dann kann man vielleicht auch für 6.000 oder 7.000 Euro mit einem großen Fest und vielen Gästen heiraten. Dann muss der Onkel aber auch die Bilder machen.“
Wie viel bezahlt eine Frau durchschnittlich für ihr Kleid?
„1000 Euro aufwärts. Es gibt zwar auch Leute, die ihr Kleid online in China bestellen und dann kostet es 200 Euro. Aber die Erfahrungen damit sind nicht die besten.“
Kaufen tatsächlich viele ihr Kleid online?
„Ja, immer mehr. Sie geben ihre Maße an den Designer durch, dann wird es angefertigt und geschickt, und dann oft noch von einem Schneider vor Ort angepasst. Aber die Beratung im Laden stirbt natürlich nicht aus. Tatsächlich wandelt sich die Vorstellung davon, wie das Kleid sein soll, bei den Vorbereitungen immer. Viele probieren ein Prinzessinnenkleid an und merken dann: Eigentlich bin ich das gar nicht. Ich sage immer wieder: Viele Kleider anziehen, um das richtige zu finden, nicht ins Kleid quetschen, sondern wohlfühlen.“
Bleibt denn das weiße Kleid?
„Ja, auf jeden Fall. Vielleicht ein offwhite oder etwas zart Pastellfarbenes, aber diese Tradition ändert sich nicht.“
Wie digital ist die Branche abseits der Kleiderfrage?
„Da muss sich noch so viel tun. Viele Hochzeitsdienstleister haben keine eigene Website, wissen nicht, was Online-Marketing bedeutet. Wir bringen unseren Partnern daher auch bei: Die Generation, die jetzt heiraten will, ist eine Online-Generation. Die gehen ins Internet, um nach Sachen zu suchen. Die wenigsten kaufen ein Hochzeitsmagazin oder gehen auf eine Messe. Die holen sich ihre Inspiration über Pinterest, machen Moodboards, lesen Blogs.“
Das heißt, dass man viele Dienstleister noch gar nicht online findet?
„Also, es gibt ungefähr 25 Kategorien, die man berücksichtigen kann, wenn man heiratet. Wir haben jetzt mit 15 angefangen. Viele findet man tatsächlich gar nicht. Sehr wenig zu finden sind zum Beispiel Floristen und Bäckereien. Oder auch Goldschmiede vor Ort. Da muss man zu den Gelben Seiten greifen. Wir haben ein Formular auf unserer Seite, wo Brautpaare uns sagen können, wenn sie etwas nicht finden. Wir trauen uns kaum, jeden Tag das Postfach dazu aufzumachen! Aber so verstehen wir auch, wo es wirklich hakt. In den USA haben Hochzeitsstartups viel mit regionalen Bloggern zusammengearbeitet. Ich dachte am Anfang auch, das sei eine super Idee. Leider gibt es diese Anzahl an Bloggern in Deutschland einfach nicht. Dafür ist Deutschland in Sachen Fotografen sehr gut aufgestellt. Die denken auch schon digital. So empfehlen uns eher die Fotografen weitere Dienstleister vor Ort.“
Jennifer Browarczyk (links) und ihr Team bauen den Marktplatz von Berlin aus auf. (Foto: willstdumitmirgehen)
Das klingt, als könntet ihr eine zweite Firma gründen, um Websites für die Dienstleister zu bauen.
„Für uns ist es momentan eine echte Herausforderung, die Dienstleister ins Netz zu holen. Momentan machen wir die komplette Profilerstellung, fragen nach Fotos, schreiben die Texte. Dann geben wir ihnen die Log-in-Daten. Was viele dann machen: Sie drucken es aus, schreiben die Änderungen auf das Papier und fragen, wohin sie es faxen können. Ein Fax haben wir aber nicht. Ich frage dann zurück, ob sie ein Telefon haben, das Bilder macht. Das ist also das erste, was sie dann lernen. Viele sagen uns aber auch am Telefon: ,Online? Da glaub ich nicht dran.’ Wir melden uns dann bei ihnen in einem Jahr noch mal.“
Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Dienstleistern aus? Macht ihr eine Qualitätskontrolle vorab?
„Kundenzufriedenheit ist das allerwichtigste. Wir wollen aber auch die Dienstleister verstehen: Womit haben sie Schwierigkeiten? Wo hakt es? Mir wurde auch am Anfang gesagt: Du kannst nur die und die Fotografen und Locations aufnehmen, damit es gut wird. Ich habe aber gesehen: In Deutschland gibt es Leute mit sehr vielen unterschiedlichen Geschmäckern. Nur weil ich der Meinung bin, dass ein Fotograf nicht gut ist, heißt es nicht, dass sein Stil jemand anderem nicht gefällt. Diese ,Qualitätskontrolle’ versuche ich also tatsächlich zu vermeiden, weil ich das Gefühl haben will, dass ich genug Anbieter habe, die alle Geschmäcker treffen. Wir wollen keine bestimmte Ästhetik promoten, auch wenn das am Anfang eine Idee war. Von der sind wir abgerückt. Das machen die Blogs.“
Euer Ziel ist es, eine große Auswahl von Dienstleistern aus ganz Deutschland auf der Seite zu haben. Wie sollen sich Interessierte da zurecht finden?
„Langfristig wollen wir einen Algorithmus auf der Seite haben, der dann Nutzerinnen zeigt, welche Sachen zu einer bestimmten Location dazugebucht wurden, dann gibt es mehr Orientierung und wir lernen auch, die Muster zu verstehen und können besser beraten. Ein Problem an Hochzeiten ist ja auch: Keine möchte die gleiche Hochzeit wie ihre Freundin. Deswegen sind die persönlichen Empfehlungen im Freundeskreis schwieriger. Niemand will die gleichen Ringe haben oder das gleiche Schloss. Online gibt es dann von Unbekannten, aber Gleichgesinnten, Empfehlungen.“
Wie sind die Erfahrungen von queeren Paaren? Gibt es Dienstleister, die ihre Locations nicht an lesbische und schwule Paare vermieten wollen?
„Die Erfahrung haben wir noch nicht gemacht, ich denke aber, das kommt noch auf uns zu, sobald wir noch mehr Dienstleister auf der Plattform haben. Deswegen ist uns aber auch Transparenz so wichtig: Paare können Bewertungen schreiben. In der Hochzeitsbranche ist das besonders wichtig, da es ja eine einmalige Geschäftsbeziehung ist. Die Dienstleister wissen das. Viele heiraten ja nur einmal und buchen das gleiche Schloss in Brandenburg nicht noch einmal. Unsere Nutzer können dann ihre Erfahrungen aneinander weitergeben. Das verbessert den Service und kann vor unschönen Erfahrungen schützen.”
Was ist denn gerade der große Hochzeitstrend?
„Food-Trucks, wilde Blumen und Boho natürlich.“
Plant aus dem Team jemand eine Hochzeit?
„Gerade nicht. Aber sie wollen alle heiraten.“ (lacht)
Was rätst du guten Freunden? Sollen sie heiraten?
„Wer schon lange in glücklichen Beziehungen ist, kann auch heiraten. Die Freunde, die schon geschieden sind, wollen nicht noch mal heiraten – auch wenn sie jetzt wieder in einer glücklichen Beziehung sind. Aber allein für die Party lohnt es sich. Nehmt den ganzen Schnickschnack und den Druck raus! Ich meine, wann im Leben kriegst du deinen kompletten Freundeskreis und deine Familie zusammen?“
Der zweite Teil des Interviews mit Jennifer Browarczyk darüber, wie sie ihr Team für Foreverly zusammenstellte und was sie bei der Grüdung gelernt hat, erscheint am Donnerstag bei uns.
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