Karla Paul ist eine unserer „25 Frauen für die digitale Zukunft“ und zeigt, dass sich Literatur und digitale Zukunft nicht ausschließen.
Ein Leben für die Bücher
Karla Paul will die digitale Welt durch Literatur schlauer machen. Sie war Redaktionleiterin bei LovelyBooks.de und beweist mit ihrem beliebten Podcast und Blog Buchkolumne.de schon seit 2006, dass sich Literatur und Digitalisierung nicht ausschließen. Im Juli 2014 wechselte sie als Leiterin Digitales Publizieren zum Hamburger Verlag Hoffmann und Campe, um dort E-Book-only-Formate, neue Erlösmodelle und innovative elektronische Produkte entwickeln, im Mai dieses Jahres übernahm sie die Verlagsleitung von Edel eBooks bei der Edel AG. Wir haben mit ihr über ihr bisher größtes Projekt und ihre Lieblingsautoren gesprochen – und darüber, wer seine schlauen Sprüche lieber auf Toilettenwände schreiben sollte.
Ich habe gelesen, 2015 möchtest du einen neuen Digitalverlag auf den Weg bringen – kannst du uns darüber näheres erzählen?
„Die Literaturbranche ist im Umbruch und bietet uns damit sehr viele Chancen. Auf der einen Seite schaffen es immer mehr Startups mit neuen und kreativen Ideen, Selfpublisher erobern die Leserherzen ganz ohne Verlag und auf der anderen Seite verändern Amazon und andere Unternehmen das Kaufverhalten mit Bücherflatrates. Es passiert sehr viel und ich bin gern ein Teil davon. Deswegen werde ich (mehr dazu kann ich aber erst auf der Frankfurter Buchmesse verraten) gemeinsam mit meinem Team einen neuen Digitalverlag ins Leben rufen, der weit mehr bietet als digitalen Text und die Möglichkeiten der Literatur online unterhaltsam und lesenswert ausschöpft sowie regelmäßig neu erobert. Die Edel AG vereint sehr viele Teile der Unterhaltungsbranche in einem Haus – es gibt eine Plattenfirma, Hörbücher, Verlage und ein sehr erfolgreiches Onlinenetzwerk. Der Digitalverlag wird ein Teil davon sein und viele Ideen aus allen Abteilungen miteinander vereinen.”
Du hast im Mai die Verlagsleitung der Edel eBooks übernommen – was sind die größten Herausforderungen in dem Job, und was sollst oder willst du in der Position erreichen – also auch, an welchen Projekten arbeitest du?
„Das wichtigste Projekt ist natürlich der neue Digitalverlag. Hier kommt sehr viel Arbeit auf uns zu. Qualität steht für mich an oberster Stelle und diese bedarf sehr viel Zeit, Fachwissen und Unterstützung des kompletten Teams. Unsere Autoren liefern hervorragende Ideen und wir geben das Beste dazu, um die Themen zu platzieren. Auch wenn es natürlich im digitalen Wandel auf Schnelligkeit ankommt, ist ein guter Text beziehungsweise ein gutes Buch oder Ebook eben nicht in wenigen Stunden geschrieben – da bedarf es neben Recherche, Schreibarbeit, Lektorat und Korrektorat, Übersetzung und Herstellung auch noch einer umfassenden und intensiven Betreuung aller Mitwirkenden. Für mich ist es sehr wichtig, dass wir gemeinsam mit den Autoren ein gutes Team bilden und zusammen Ideen entwickeln, hinter denen jedes Mitglied steht. Wenn wir diese Qualität und Liebe zum Produkt dann auch digital vermitteln können, sind das die besten Voraussetzungen für Presse und Marketing und das ideale Paket für einen hoffentlich am Ende glücklichen Leser.
Nebenbei stelle ich weiterhin Bücher im ARD-Buffet vor und erreiche dort regelmäßig fast eine Million Zuschauer. Es freut mich sehr, dass wir so Leser vor dem Fernseher als auch auf dem Secondscreen via Facebook und Twitter für Literatur begeistern und miteinander vernetzen können. Ich arbeite auch an einem größeren Sendungskonzept und vielleicht kann das schon dieses beziehungsweise spätestens im nächsten Jahr realisiert werden.
Mir ist es sehr wichtig, dass Literatur das Leben der Menschen bereichert und sie miteinander verbindet – das versuche ich sowohl privat als auch beruflich umzusetzen. Dank zahlreicher Literaturblogs, Booktuber und vieler weiterer Formate gelingt das immer besser und ich freue mich sehr darüber. Jan Plewka von der Band ,Selig’ hat neulich in einem Interview gesagt: ,Es ist ein großes Glück, das machen zu dürfen, was auch von meiner Seele verlangt wird.’ Dem schließe ich mich an.”
Welche Bücher willst du unbedingt in den nächsten Monaten lesen?
„Aktuell trudeln gerade die neuen Vorschauen der Verlage bei mir ein und bereiten mir an den Wochenenden viel Freude. Am allermeisten freue ich mich dabei auf Katharina Hartwells zweiten Roman ,Der Dieb in der Nacht’ sowie ,Morgen ist es vorbei’, eine Geschichtensammlung von Kathrin Weßling. Definitiv buchpreisverdächtig ist Matthias Nawrat, der im August „Die vielen Tode unseres Opa Jurek“ veröffentlicht! Meine männlichen Lieblingsautoren Frank Berzbach (,Die Kunst ein kreatives Leben zu führen’) und Thomas Glavinic (,Das größere Wunder’) schreiben gerade noch an ihren neuen Büchern – diese erscheinen erst 2016 und bis dahin lege ich auch einfach mal ihre vorherigen Werke ans Herz!”
Wenn du Urlaub hast – nimmst du da auch Bücher mit?
„Ich wüsste nicht, was man sonst im Urlaub machen sollte – geht das überhaupt, freie Zeit nicht mit Literatur füllen? Ich habe immer und stets Bücher bei mir und zwar sowohl gedruckte Bücher als auch auf dem iPhone einen Packen voller Hörbücher und auf dem Tablet jede Menge Textfahnen und eBooks. Man könnte es schon als ausgewachsene Angststörung bezeichnen, dass ich nervöse Zuckungen bekomme, wenn das mitgenommene Buch durchgelesen ist – hier wirken jederzeit verfügbare eBooks aus sämtlichen Genres für mich wie frei verkäufliche Beruhigungspillen.”
Liest du lieber ein gedrucktes Buch oder mit dem E-Book-Reader?
„Ich bevorzuge überhaupt kein Medium, sondern stehe einfach nur auf gute Inhalte. Diese können sich inzwischen meinem Alltag anpassen und dann lese ich gedruckte Bücher im Bett, E-Books unterwegs und Hörbücher beim Sport.”
In einem Interview hast du zur Frage, was sich 2015 ändern soll, gesagt: Die Pessimisten sollen sich bitte endlich ein Hobby suchen und die Autoren, Verlage und Buchhändler in Ruhe arbeiten lassen – was genau wird deiner Meinung nach in deiner Branche zu pessimistisch gesehen?
„Diese Menschen gibt es in jeder Branche und ich versuche sie inzwischen so weit wie möglich aus meinem beruflichen und privaten Leben zu verbannen. Irgendwann bin ich an einen Punkt gekommen, an dem ich recht gut zwischen sinnvoller und sinnloser Diskussion unterscheiden konnte und nun steige ich dann zum Selbstschutz einfach aus. Es gibt natürlich auch Verlierer im digitalen Wandel und niemand will dazugehören. Die lokalen Buchhändler haben zum Großteil schwer zu kämpfen und auch die Verlage müssen neue Begründungen dafür finden, warum ein Autor bei ihnen und nicht als Selfpublisher bei Amazon veröffentlichen soll. Aber diesen Kampf führen wir alle wirklich so gut und schnell es geht und vor allen Dingen ist es ein Kampf der kompletten Branche, wir gehen da am sinnvollsten mit positivem Denken und Handeln gemeinsam durch. Es hilft nichts, aber auch gar nichts, wenn Unbeteiligte ständig darüber schimpfen, wie man angeblich am besten gegen Amazon ankommt und dass die Buchpreisbindung an den illegalen Downloads schuld sei. Wir freuen uns über konstruktive Kritik, kreative Ideen und Unterstützung von allen Seiten. Wer aber nur schlaue Sprüche hat, der möge diese bitte an Toilettenwände schreiben – da gehören sie hin.”
Sehr viele Menschen träumen davon, ein Buch zu veröffentlichen, durch Self Publishing ist das ja mittlerweile für jeden möglich – wie geht man als großer Verlag damit um, beziehungsweise wie arbeitet ihr mit Selfpublishern zusammen? Wie wird sich deiner Meinung nach das Verhältnis von „klassischen” Autoren” und Selfpublishern entwickeln?
„Erst einmal freue mich darüber! Für manche Autoren ist das Schreiben und Veröffentlichen nur ein Hobby und da bietet das Selfpublishing die ideale und leichteste Möglichkeit. Inzwischen gibt es auch schon einige Autoren, die damit hauptberuflich tätig und mehr als erfolgreich sind, etwa Poppy J. Anderson, die neulich eine Millionen Titel-Downloads erreicht hat – die Zahl ist weiter steigend. Hier würde ich mir vor allen Dingen mehr Wertschätzung in der Branche wünschen – die Titel werden oft nicht in die Bestsellerlisten mit einbezogen und die Bücher nicht ernst genommen, weil sie ja angeblich kein Qualitätsmerkmal, das heißt keinen Verlag als Ursprung haben. Das ist natürlich mittlerweile Unsinn, da sich jeder Autor ebenso ein gutes Lektoratet et cetera leisten und einfach frei einkaufen kann. Wir arbeiten im Verlag schon mit Selfpublishern zusammen und ich sehe das auch in Zukunft sehr fließend. Es sollte in der Branche um gute Inhalte gehen und dann sucht man die passende Veröffentlichungsform sowie den dazugehörigen Weg. Das kann bei einem Verlag sein, der sich vielleicht in einem bestimmten Bereich schon sehr gut auskennt, vielleicht hat hier aber auch der Autor die bessere Qualifikation. Natürlich ist es deswegen aber auch umso wichtiger, dass wir dem zukünftigen Autor die bestmögliche Betreuung und die optimale Umsetzung sowie Verbreitung seiner Inhalte garantieren. Ich sehe die Konkurrenz als Motivation und Anreiz, es noch besser zu machen.”
Worauf freust du dich in den kommenden Monaten am meisten, und was bereitet dir vielleicht Sorgen?
„Ich freue mich wirklich unfassbar, wenn der Digitalverlag online geht. An diesem Konzept arbeite ich schon sehr lange und es ist mein bisher größtes Projekt. Ich glaube fest an alle Autoren und Ideen, die mit dabei sein werden und stehe hinter jedem Detail. Umso mehr wünsche ich mir natürlich den Erfolg und dass beim Start sowie danach alles so funktioniert, wie wir es uns vorstellen. Falls nicht – und da sind wir bei den glücklicherweise nicht vorhandenen Sorgen – dann lerne ich aus den Fehlern und überlege mir etwas Neues. Ich bin unheimlich gern kreativ und kann mir ein Leben ohne Literatur nicht vorstellen, deswegen werde ich in diesem Bereich auch immer einen Platz finden beziehungsweise ihn mir im Zweifel einfach selbst schaffen. So viel Leidenschaft kostet auch Kraft und ich bin sehr dankbar für die Unterstützung, die ich privat und beruflich erhalte. Aber sollte einer der hier Mitlesenden eine Zeitmaschinenapp erfinden, damit ich noch mehr Projekte in diesem viel zu kurzen Leben umsetzen und zeitgleich mehr Zeit fürs Schreiben und Reisen habe – ich wäre eine sehr glückliche Abnehmerin mit Superspecialpremiumaccount!”
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