Depressionen sind immer noch ein Tabuthema in unserer Gesellschaft. Die Schauspielerin Kristen Bell will das ändern – und hat ein bewegendes Essay dazu geschrieben.
Stigma: Depression
Lebensweisheiten aus dem Yogastudio à la: „Lächle, dann lächelt das Leben zurück!“ oder „Zufriedenheit ist eine Lebenseinstellung!“, oder auch der klassische Spruch von Mama: „Stell dich nicht so an! Anderen Menschen geht es viel schlechter.“, sind Sätze, die gesunden Menschen an schlechten Tagen vielleicht helfen können, sich zusammenzureißen und wieder einen positiven Blick auf die Welt zu gewinnen. Menschen mit Depressionen helfen diese Sätze allerdings überhaupt nicht. Vielmehr sind sie oft ein Hohn für ihre Krankheit – auch, wenn sie nicht so gemeint sind. Denn eine Depression ist eben keine Phase im Leben, in der man sich einfach ein wenig zu sehr selbst bemitleidet und aus der man mit einer positiven Lebenseinstellung wieder herauskommt.
Eine Depression ist eine Krankheit, in der es phasenweise keine Hoffnung mehr zu geben scheint – ganz unabhängig, wie gut oder schlecht das eigene Leben gerade läuft. Eines der großen Vorurteile in unserer Gesellschaft in Bezug auf Depressionen ist die Vorstellung, dass Menschen mit Depressionen einfach nur zu schwach seien, um sich aus ihrem mentalen Loch zu befreien. Aber so einfach ist es eben nicht. Bei Depressionen hilft kein „Positive Thinking”-Bla Bla. Doch leider ist diese Meinung immer noch weit verbreitet.
Mehr als Traurigkeit
Um gegen dieses Stigma der Schwäche, das Depressionen viel zu oft anhaftet, anzugehen und die Krankheit gleichzeitig zu enttabuisieren, hat die Hollywood-Schauspielerin Kristen Bell nun ein Essay für das Time Magazin geschrieben.
Darin beschreibt Bell das betäubende Gefühl einer Depression, das eben so ganz und gar nicht mit einfacher Traurigkeit vergleichbar ist.
„Here’s the thing: For me, depression is not sadness. It’s not having a bad day and needing a hug. It gave me a complete and utter sense of isolation and loneliness. Its debilitation was all-consuming, and it shut down my mental circuit board. I felt worthless, like I had nothing to
offer, like I was a failure.”
Privat war ihre Depression zum Glück nie ein Tabuthema. Ihre
Mutter, die selber an Depressionen leidet, hat sie schon als 18-Jährige in
einem Gespräch darauf vorbereitet, dass auch Bell selbst die Krankheit haben
könnte. Und genau da, erhielt sie den wertvollsten Rat, den ihre Mutter
ihr geben konnte: Eine Depression ist keine Sackgasse. Es gibt viele Optionen – wenn man darüber spricht. Mit nahestehenden Menschen, einem Arzt oder einem Therapeuten.
Gesellschaftliches Umdenken
Ihr ist wichtig, deutlich zu machen, dass Depressionen jeden treffen können, egal, wie fröhlich, aufgeschlossen und extrovertiert ein Mensch eigentlich ist – dafür ist Kristen Bell selbst das beste Beispiel. Depressionen sind keine Krankheit der gesellschaftlichen Verlierer, sie treten unabhängig vom sozialen Status und der persönlichen Situation auf. Nur sprechen die wenigsten Menschen darüber. Und das möchte die Schauspielerin ändern.
In der Öffentlichkeit hat Bell dennoch lange Zeit zu ihrer Krankheit geschwiegen. Erst nach 15 Jahren im Showbusiness hatte sie genug Mut, an die Öffentlichkeit zu gehen. Dafür tritt sie mittlerweile umso stärker für eine Öffnung der Gesellschaft gegenüber Depressionen auf.
„Anyone can be affected, despite their level of success or their place on the food chain. In fact, there is a good chance you know someone who is struggling with it since nearly 20% of American adults face some form of mental illness in their lifetime. So why aren’t we talking about it??
“
Die Schauspielerin prangert an, dass das Gesundheitssystem für Depressive viel weniger greife. Wenn sie Freunden erzählen würde, dass sie körperlich krank sei, würden alle ihr raten, zum Arzt zu gehen. Würde sie aber von ihren Depressionen erzählen, würden das die wenigsten sagen. Obwohl, so Bell, psychische Krankheiten natürlich genauso behandelt werden sollten, wie körperliche. Dagegen wehrt Bell sich. Sie tritt für eine Gesellschaft ein, die endlich anders mit Depressiven umgeht. In der Depressionen eben nicht als Zeichen von Schwäche gelten, Menschen mit Depressionen offen über ihr Leiden sprechen können und wir alle mehr Verständnis füreinander aufbringen.
„We’re all on team human here, and let’s be honest—it’s not an easy team to be on. It’s stressful and taxing and worrisome, but it’s also fulfilling and beautiful and bright. In order for all of us to experience the full breadth of team human, we have to communicate.
”
Mit ihrem Essay ist Kirsten Bell zu einem wichtigen Sprachrohr für Menschen mit Depressionen geworden, die von unserer Gesellschaft viel zu oft in ihrem Leiden ignoriert werden.
Vor ein paar Wochen hatte die Schauspielerin dem amerikanischen Fotografen und Regisseur Sam Jones zudem ein sehr persönliches Interview zum Thema Depressionen für sein Format „Off Camera” gegeben. Auch in diesem Interview nutzt sie ihre persönlichen Erfahrungen, um auf die generellen Missstände im Umgang mit Depressiven aufmerksam zu machen.
Ihr Text im Time Magazin und ihr Interview zeigen deutlich, wie wichtig es ist, dass ein Umdenken in unseren Köpfen stattfindet. Das sollten wir alle uns zu Herzen nehmen.
Titelbild: Flickr – vagueonthehow – CC BY 2.0
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