Frauenförderung funktioniert nicht mit eigenen Autoscootern, auf denen homöopathisch gerempelt wird. Manche Dinge kann man nicht sanfter machen.
Schmerz tut gut
Bei allem, was man im Leben erreichen will, geht es nicht um Träume, sondern darum, welchen Schmerz dafür zu ertragen man bereit ist. Das war letztens zu lesen bei einem Autoren und Coach namens Mark Mason.
Jeder spräche ständig von seinen Träumen und Wünschen. Reich sein. Umschwärmt werden. Glücklich verheiratet sein. Waschbrettbauch. Die Leidenschaft zum Beruf machen. Berühmt sein. Das verliebte Pärchen barfuß auf einer Wiese von Schmetterlingen über Löwenzahn. Als könne man alles erreichen, wenn man es nur dringend genug wünschte. Aber so, sagt Mason, ist es nicht. Denn wer sein Leben auf eine Beziehung oder Ehe und Familie bauen will, muß bereit sein, den Schmerz der vielen unangenehmen Momente zu ertragen, die Zurückweisungen, die bleiernen Gesprächspausen, die Entfremdungsattacken, die Ängste und die Eifersucht. Nur wer das viele Jahre ertragen kann, wird lange verheiratet bleiben.
Das Business-Leben ist ein Autoscooter
Reich sein – wenn man das Geld nicht ererbt hat, bedeutet das, sein Leben um den Gelderwerb zu wickeln. Oberflächliche Bekannte und keinem Vertrauen schenken können tut weh. Morgens um fünf zum Flughafen, die Formalisierung und Hierarchisierung des Lebens, Kultur ausblenden, Intellektualität ausblenden, tiefe Beziehungen und Familie opfern. Nur wer das viele Jahre ertragen kann, wird eines Tages reich sein. Und das der Athleten- oder Modelkörper nur über massive Schmerzen zu bekommen ist, weiß jeder.
In der Tat geht es auf dem Rummelplatz der Existenz oft nicht zu wie in der Achterbahn, sondern wie im Autoscooter: Wieder und wieder prallt man zurück, weil es zu unangenehm wird, weil dieser Schmerz jetzt doch ein zu hoher Preis für das Erreichen eines Ziels ist. Und das ist weiß Gott auch so im Arbeitsleben, erst recht, wenn man etwas Eigenes auf die Beine stellt. Mein Beruf als Gründer eines Startup Accelerators bringt es mit sich, dass viele meiner Freunde und Bekannten Unternehmer sind. Und auch, wenn man unter Männern bekanntlich nicht viel über Gefühle redet, außer im Fußball, gibt es immer wieder Momente, wo wir uns von den Tiefpunkten erzählen. Ganz gleich, wie souverän man nach außen wirkt: Ich kenne keinen Unternehmer, der nicht sofort ernst und verbindlich wird, wenn das Gespräch auf die Unsicherheit, den Druck, das vor quälenden Gedanken nicht zur Ruhe Finden kommt. Warum man sich das gibt, ob es auch anders geht, ob man es einfach schlucken muss?
Wieso gründen so wenig Frauen?
Es wird viel gerätselt darüber, warum trotz aller Mühe so wenige Frauen Unternehmen gründen und warum so wenige ganz oben in den Hierarchien ankommen. Solange ich berufstätig bin, hat da eine Verschwörungstheorie die nächste abgelöst – vom Konservatismus einer Wirtschaft, die in den Grundzügen noch aus dem chauvinistischen 19. Jahrhundert stammt, über die Männer-Seilschaften, die „Barbie“-Erziehung, die Unattraktivität von „Technik“.
Aber, wenn man Mark Masons Ansatz beherzigt: Möglicherweise liegt es daran, dass Frauen aus dem Repertoire der Unannehmlichkeiten eher andere akzeptieren können als diese. Autoscooter fahren sowohl Männer als auch Frauen, aber jeder Mensch hat eine begrenzte Anzahl an Trefferpunkten, die er ohne größere Schäden einstecken kann. Und um Unternehmer zu werden, egal ob männlich oder weiblich, muss man richtig viele Trefferpunkte einsetzen. Niemand hat bislang einen anderen Weg entdeckt.
Yoga statt harte Fakten?
Vor diesem Hintergrund frage ich mich manchmal, ob die Aktivitäten, die Frauen ermutigen sollen, namentlich in der Startup-Branche aktiver zu werden, überhaupt passen können. Denn es scheint da meist um Watteverpackung zu gehen. Hackathons mit Yoga und Massage. Women-Only-Netzwerktreffen mit gutem, gesundem Essen bei Kerzenschein. Vor ein paar Jahren stießen zwei Spiegel-Autorinnen eine umfangreiche Debatte an, die auf die Frage hinauslief, was man ihnen denn bieten müsse, damit sie bereit wären, Karriere zu machen. Die Antwort lief auf eine „Berufswelt light“ heraus: Keine Meetings nach 17 Uhr, keine Erreichbarkeit nach Arbeitsschluss. Und immer wieder der Appell, dass sich „die Wirtschaft“ grundsätzlich ändern müsse.
Ich befürchte, das ist Selbstbetrug. Niemand kann den Schmerzen ausweichen, die sich einstellen, wenn man sich komplett an eine Sache hängt und Verantwortung für andere Menschen übernimmt. Wie im Privaten – große Liebe, Waschbrettbauch, Familie – sind sie auch im Berufsleben nicht männergemacht oder einer feindlichen Umwelt anzulasten. Die Schmerzen sind Bestandteil der Conditio Humana, der Grundverfassung des Menschen. Alle Unternehmerinnen in den bisherigen Berlin Startup Academy-Programmen – oder sogar generell alle Gründerinnen und Selbständige, mit denen ich je sprach – wußten das und gingen damit genauso um wie die Männer. Noch nie habe ich eine Frau getroffen, die als Gründerin (oder überhaupt im Berufsleben) eine andere Behandlung gefordert hat. Manchmal habe ich den Eindruck, daß das ohnehin nur Journalisten und Soziologen fordern, aber da kann ich mich natürlich auch täuschen.
Es geht nicht um Träume, es geht um Schmerz
So oder so: Ich glaube nicht, daß der Frauenförderung damit gedient ist, eigene Autoscooter einzurichten, auf denen nur homöopathisch gerempelt wird. Die wichtigen Dinge kann man sich nicht einfacher machen, als sie sind. Bei allem, was man im Leben erreichen will, geht es nicht um Träume, sondern darum, welchen Schmerz dafür zu ertragen man bereit ist.
Kennt ihr euren?