Luciana Schmidt trägt Plus-Size und bloggt über Mode. Auf luziehtan.de zeigt sie, dass ein guter Stil keine Konfektionsgröße kennt.
„Uns werden Schönheitsideale vermittelt, die nicht mehr tragbar sind“
Wenn es um Mode und Stil geht, steht in der Regel nicht nur das Textil, sondern auch der Körper, an dem es zu sehen ist im Fokus. Dabei zeigt sich nach wie vor in aller Deutlichkeit: Schlankheit ist das Credo der Branche. Eine Haltung, die sich auch in der Auseinandersetzung im Netz mit dem Thema zu weiten Teilen als Selbstverständlichkeit widerspiegelt.
Doch es tut sich etwas, wenn auch sehr langsam. Während sich das Bloggen über Plus-Size-Mode in den USA oder in Großbrittanien längst etabliert hat, sind große Größen in der deutschen Blogosphäre noch immer ein Nischenthema. Luciana Schmidt ist eine der Frauen in Deutschland, die nicht nur Plus-Size tragen, sondern auch darüber bloggen. Was sie motiviert, wie sie vermeintliche Schönheitsideale beeinflussen und welche Rückmeldungen sie für ihr Blog bekommt, hat sie uns erzählt.
Luciana, wann bist du mit dem Fashion- und Beauty-Blog online gegangen?
„Ich habe schon ein paar Jahre gebloggt und im Januar 2009 dann luziehtan.de begonnen. Das ist also schon eine ganze Weile her.“
Was war deine Motivation, das Blog zu gründen?
„Ehrlich gesagt kann ich gar keine wirklichen Motive nennen. Ich saß an dem Tag krank Zuhause und habe entdeckt, dass ein Blog nicht nur ein Online-Tagebuch sein muss, sondern auch bestimmte Themenblogs existieren, so eben auch Modeblogs. Und da ich mich schon immer gern damit beschäftigt habe, habe ich dann beschlossen, meine Outfits mit der Welt zu teilen. Mittlerweile liegt mir das alles auf ganz andere Art und Weise am Herzen. Da ich ja selbst dick bin, möchte ich anderen – und damit meine ich nicht nur Dicke – auf den Weg geben, dass man sich zum einen wegen seiner Figur nicht verstecken und auf stylische Kleidung verzichten muss, und zum anderen sich erst recht nicht durch seinen Körper definieren lassen sollte.“
Du bist Make-up Artistin, beschreibst das Blog aber als Zweitjob und bindest etwa ein Affiliate-System in deine Posts mit ein. Rentiert sich das Bloggen für dich monetär?
„Mittlerweile ist es eigentlich andersrum. Gerade hat sich einiges verändert und ich bin aktuell Vollzeit-Blogger. Ob sich das für mich rentiert? Nein, nicht wirklich. Ich weiß, dass viele das denken, wenn sie das Blog sehen, aber leider verdiene ich wirklich nicht viel damit. Das kleine bisschen Affiliate, das ich nutze, in Kombination mit maximal einem bezahlten Blogpost pro Monat, ist nicht sonderlich lukrativ – leider. Trotzdem mache ich das alles wahnsinnig gern, weil ich ja auch nicht des Geldes wegen mit dem Bloggen angefangen habe, sondern weil ich Spaß daran hatte. Und so ist das heute noch.“
Foto: Luziehtan
Hat es dich modisch je beeinflusst Plus-Size zu tragen?
„Überhaupt nicht. Es war für mich nie ein Problem, dick zu sein – lediglich für andere, die meinen, dass sei ein Freifahrtschein, um mich zu beleidigen. Aber da ich selbst kein Problem mit mir habe, geht das links rein und wieder raus.“
Schafft das Bloggen Selbstbewusstsein oder gehörte das bereits davor zu dir?
„Beides. Man sollte auf jeden Fall selbst eine gute Portion mitbringen, aber die hat man normalerweise ja auch schon, wenn man sich dazu entschließt, über sich zu bloggen. Die Welt da draußen im Internet ist hart und wenn man nicht ganz so im Reinen mit sich ist, kann das Selbstbewusstsein schon mal schnell einen Knacks abbekommen. Aber man wächst daran, sowohl am Blog als auch an den Kritikern.“
Wie wichtig ist es dir, anderen Frauen mit großen Größen ein Vorbild zu sein und wer sind deine modischen Vorbilder?
„Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es mir unwichtig ist. Ich mache das alles schon lang nicht mehr nur für mich allein und bin davon überzeugt, dass ich, obwohl ich die kleine Lu aus einem winzigen Dorf bin, eine gewisse Vorbildfunktion habe. Es ist wichtig, anderen Leuten ein gutes Körpergefühl zu vermitteln, denn die Gesellschaft bemüht sich, einem auch viele falsche Denkweisen zu überbringen. Es geht nicht darum, dick als gut zu bezeichnen und für Fettleibigkeit zu plädieren, genauso wenig wie andersherum, sondern um Akzeptanz – sich selbst und anderen gegenüber. Und dann geht es natürlich darum, seinen Körper modisch zu verpacken. Richtige Vorbilder habe ich nicht, ich nenne es gern Inspiration und die sammle ich so ziemlich überall. Bei Bloggern, Schauspielerinnen, Models, Freundinnen, Familie. Man findet überall Menschen, die einen inspirieren und Vorbilder sind.“
Fühlst du dich als kurvige Frau in der Modebranche repräsentiert oder anders gesagt, ist Plus-Size schon Mainstream?
„Die Modebranche lernt dazu, muss aber noch viel machen. Plus-Size ist sicher noch kein Mainstream, eher noch die Ausnahme. Trotzdem wird Plus-Size immer öfter integriert. Ich denke da etwa an die „violeta“-Linie von Mango. Auch wenn die definitiv noch ein bisschen überdacht werden sollte, was die Größen angeht. Oder an die „Curvy is sexy“-Messe parallel zur Fashion Week in Berlin. Plus-Size ist immer wieder präsent, gehört aber noch nicht wirklich dazu.“ Es gibt immer mehr Plus-Size Modeblogs, insbesondere international.
Wie sehr hat sich für dich die Blogosphäre in dem Bereich in den letzten Jahren in Deutschland verändert und wo hapert es noch?
„Es ist wirklich schön, wie viel sich da mittlerweile getan hat. Es fällt auf jeden Fall auf und das ist genau richtig. Gerade die Vielfalt, die mittlerweile herrscht, ist für den Leser perfekt. Es soll nicht nur zweierlei geben, nicht nur schwarz und weiß, dick und dünn. Alle Körper sind unterschiedlich und es gibt heute so viele unterschiedliche Blogs, mit unterschiedlichen Figuren, unterschiedlichen Stilen und unterschiedlichen Meinungen. Dass es jetzt so viele Plus-Size-Blogs gibt, ist auf jeden Fall ein gewaltiger Schritt, der schon lange nötig war. Woran es hapert? Zumindest in Deutschland immer noch an Akzeptanz. Die Blogs sind nicht das Problem, schließlich kann jeder bloggen, was er will und genauso kann jeder genau das Blog lesen, das er möchte. Aber ich habe oft das Gefühl, dass dicke Blogger noch nicht so recht akzeptiert werden, nicht ganz so ernst genommen wie der „typische“ Fashionblogger. Die fiesen Kommentare sind oft unter der Gürtellinie. Man wird als ekelhaft bezeichnet, mit Pottwalen verglichen und richtig in den Boden getreten. Das zeigt, dass Deutschland immer noch nicht so bereit für Plus-Size ist, wie es sein sollte und wie es in anderen Ländern schon der Fall ist. Schaut man etwa in Richtung USA, findet man Plus-Size-Blogger, die Bikinikollektionen kreieren. Das würde in Deutschland gar nicht funktionieren, weil einem vermittelt wird, dass dicke Menschen nichts in Badekleidung zu suchen haben. Dort kann man eigene Kleiderkollektionen launchen und damit ins Fernsehen kommen, hier in Deutschland können wir dagegen froh sein, wenn wir ein paar Events besuchen dürfen. Das klingt jetzt undankbar, ist aber gar nicht so gemeint. Es soll sich nur einfach noch mehr bewegen! Wir brauchen mehr Offenheit in Deutschland.“
Kurvige Frauen werden in den Medien oft lasziv oder lustig dargestellt. Wie nimmst du die Darstellung kurviger Frauen in der Öffentlichkeit wahr?
„Meistens ist es doch „die lustige Dicke“. Ich denke dabei zum Beispiel sofort an Melissa McCarthy. Warum darf sie nie eine „normale“ Rolle spielen? Immer sind die Dicken durchgeknallt, die beste Freundin, die dann – oh Wunder! – zwar auch einen Freund abbekommt, aber der ist natürlich mindestens genauso dick. Wieso darf die Dicke nie die Hauptrolle spielen, auch mal seriös sein und am Ende den durchtrainierten Hottie heiraten? Das Schubladendenken wird dabei genau in die falsche Richtung gelenkt. Nicht umsonst herrscht der Gedanke „gut = schlank“ und „schlecht = dick“. Uns werden Schönheitsideale vermittelt, die nicht mehr tragbar sind. Und dann bleibt uns Dicken am Ende ja doch nur noch die Rolle als die Lustige. Das ist schade, denn wie ich oben schon mal erwähnt hatte, definieren wir uns nicht durch unseren Körper – die Medien tun aber leider genau das.“
Beeinflusst dich das in deinem Selbstbild?
„Nein. Ich weiß, dass ich mehr zu bieten habe als Humor. Der ist zwar auch wichtig, aber ich bin nicht einfach nur lustig, weil ich dick bin.“
Wie ist die Rückmeldung auf dein Blog? Hast du selbst auch negative Erfahrungen gemacht, die mit deiner Konfektionsgröße zusammenhängen?
„Die Rückmeldungen sind ganz unterschiedlich. Es gibt diejenigen, die sich wirklich darüber freuen, wenn ich ein neues Outfit poste, die sich davon inspirieren lassen, sich deshalb trauen, im Sommer doch mal ein Kleid zu tragen und mir dann sogar eine Mail schicken. Dann gibt es auch diejenigen, die das wahnsinnig scheiße finden, mir mitteilen, dass ich fett und krank bin und abnehmen muss, mich in einen Sack hüllen sollte und unbedingt damit aufhören sollte zu bloggen. Natürlich freue ich mich über positives Feedback, weiß aber, dass negatives Feedback genauso dazugehört und dass dabei sowohl konstruktive Kommentare als auch ziemlich destruktive dabei sein können. Was ich mir immer vor Augen halte: Man kann es nicht jedem recht machen und das ist auch nicht mein Ziel. Es ist okay, wenn jemand mal mein Outfit doof findet, weil es nicht seinem ästhetischen Empfinden entspricht und es ist auch genauso okay, wenn mich jemand als Person absolut daneben findet.“
Du beantwortest deinen Leserinnen regelmäßig Fragen rund um Mode und Beauty. Was sind denn deine Mode-Tipps für eine kurvige Figur? Welche Schnitte und Farben sind bei Plus-Size ideal?
„Einen richtigen Geheimtipp für alle gibt es nicht, außer, dass man einfach das tragen sollte, worin man sich wohlfühlt. Wenn man sich gut fühlt, strahlt man das auch aus. Natürlich sind dunkle Farben kaschierender als helle Glitzerfummel, aber verstecken sollte man sich keinesfalls . Ich finde zum Beispiel, dass ein schönes Wickelkleid so ziemlich jeder Frau steht. Man muss vielleicht ein bisschen suchen, um das passende Modell zu finden, aber der Schnitt ist wahnsinnig schmeichelnd. Ich selbst kann zum Beispiel keine Etuikleider tragen, bei vielen dicken Frauen sehen sie aber richtig gut aus. Dafür weiß ich, dass mir ausgestellte Kleider eine tolle Figur zaubern. Gerade bei einer Sanduhrfigur gibt es keinen besseren Schnitt. Mein Tipp ist, einfach mal Neues auszuprobieren. Sich in einen Laden begeben und einfach anzuziehen, was man noch nicht anhatte.“
Gibt es für dich etwas was du nie tragen würdest und genauso, ein Kleidungsstück, dass für deine Garderobe unerlässlich ist?
„Wie eben kurz angesprochen: Etuikleider. Nicht, weil ich sie furchtbar finde, sondern, weil ich weiß, dass das bei meiner Figur einfach nicht funktioniert. Sich in etwas zu zwängen, obwohl man weiß, dass es nicht klappt, ist das Dümmste, was man sich selbst antun kann. Für meine Garderobe unerlässlich ist das perfekte schwarze Kleid. Mittlerweile habe ich ein paar schwarze Kleider und habe erst kürzlich wieder ein grandioses gefunden – damit geht einfach so viel!“
Ist es schwieriger in Plus-Size zu shoppen?
„Online nicht, offline schon. Gerade die deutschen Shops müssen vor allem auch an ihrem Image arbeiten, große Läden, die auch Plus-Size-Sektionen haben, sollten diese nicht irgendwo in der hintersten Ecke verstecken und grundsätzlich muss an den Schnitten und Farben sowie Mustern gearbeitet werden. Vieles ist immer noch sehr altbacken, einiges würde wohl nicht mal meine Oma tragen wollen, aber in Deutschland wird Plus-Size immer noch hauptsächlich für ältere Damen gemacht. Mehr Trends, mehr Style, einfach mehr Spaß an besonderen Teilen, das bräuchten wir hier.“
Wo findest du im Netz Inspiration für deine Outfit-Posts?
„Ich lese sehr gerne „Girl with Curves“, Tanesha hat einen ähnlichen Stil wie ich. Außerdem die Blogs von Nadia Aboulhosn, einer Wahnsinnsfrau und „Gabi Fresh“, die mittlerweile ihre zweite Bademodenkollektion rausgebracht hat. Dann noch Nicolette Mason, die kürzlich eine eigene Kollektion für ModCloth gelauncht hat, und zwei deutsche Plus-Size-Blogs: „In Fat Style“ von der wunderbaren Mia und Theodora Flipper, die ich auch persönlich sehr mag. Inspiration finde ich aber nicht nur auf Plus-Size-Blogs!”
Viele Frauen leiden darunter, das propagierte Schönheitsideal einer Größe 36 nicht erfüllen zu können. Hast du einen Tipp für sie?
„Ich glaube nicht, dass einen eine Kleidergröße so sehr erfüllen kann. Auch Frauen mit Größe 36 oder darunter sind oft nicht rundum zufrieden. Man sollte sein Leben nicht nach einer Nummer richten, die in einem Stück Stoff steht. Sich runterhungern und beim Sport bis ans Limit gehen, nur um eine 36 zu tragen? Selbst da kann der Schnitt so ausfallen, dass auf einmal eine oder zwei Nummern größer nötig sind. Was ist dann? Sein Glück von einer Zahl abhängig zu machen, die teilweise absichtlich anders angegeben wird, damit man sich blöd fühlt, wenn man shoppen geht, ist traurig. Darüber sollte man sich mal Gedanken machen.“