Wer die Digitalisierung im Silicon Valley nach vorne treibt, erntet Ruhm, Respekt und Reichtum. Vor über 20 Jahren hat Margit Wennmachers ihren Platz dort gefunden, mittlerweile gilt sie als eine der einflussreichsten Frauen in der Tech-Branche.
Die Anfänge des Silicon Valley
Als Margit Wennmachers Anfang der Neunzigerjahre nach Kalifornien kam, hatte das Silicon Valley seine Unschuld noch nicht verloren. Von Hassvideos, Datenskandalen oder russischen Fakeaccounts, die sich in den US-Wahlkampf einmischen, redete damals noch niemand. Eine Portrait, geschrieben von Philipp Alvares de Souza Soares von unserem Partner Manager Magazin Online.
Die Deutsche, die in einem Dorf bei Aachen aufwuchs und deren Vater Schweine züchtete, fing 1994 bei einer PR-Agentur in San Francisco an, 1997 machte sie sich selbstständig. Ihre Agentur Outcast Communications entwickelte sich in den Folgejahren zu einer der einflussreichsten Stimmen in der Tech-Branche. Der erste große Kunde war der Cloudsoftwareanbieter Salesforce, den Outcast von Anfang an bei seinem Aufstieg begleitete.
Kaum jemand inszenierte Start-up-Gründer auf Weltverbesserungsmission so geschickt wie Wennmachers und ihre Partnerin Caryn Marooney, die heute die Kommunikationsabteilung von Facebook leitet. Der Name Outcast (übersetzt: Ausgestoßene) war kein Zufall – er sollte das Selbstverständnis der Kunden widerspiegeln.
Nerds, die lange keiner ernst nahm
Das von Outcast mitgeprägte Image vom etwas schrägen, aber idealistischen Start-up-Genie wird bis heute weltweit mit dem Valley assoziiert. Es hat den Gründern lange genutzt, wirkt mittlerweile aber schal und abgedroschen. Die Erwartungen stiegen mit den vermeintlich hohen moralischen Ansprüchen von Unternehmen wie Facebook oder Google („Don’t be evil!“). Manche glaubten gar, darin eine neue, bessere Art des Kapitalismus entdeckt zu haben. Umso tiefer ist nun der Fall. Wennmachers und Marooney verkauften Outcast 2005 für zehn Millionen US-Dollar an einen britischen Kommunikationskonzern.
Es ist ein sonniger Freitag im März, Wennmachers, inzwischen 53 und Mutter einer Tochter, sitzt in der Zentrale von Andreessen Horowitz an der Sand Hill Road, ihrem aktuellen Arbeitgeber, und trinkt Kaffee aus einem Pappbecher. Die Straße im Westen von Palo Alto ist die Top-Adresse für Wagniskapitalgeber (Venture Capitalists – VC) und Andreessen Horowitz galt hier einst als Newcomer. Dass die Firma heute zu den Großen gehört, hat viel mit Wennmachers zu tun, die dort seit 2010 zu den Partnern zählt. „Ich bin eigentlich introvertiert, aber als Mauerblümchen kommst du in diesem Land nicht weiter“, sagt Wennmachers. Sie spricht heute lieber Englisch, streut ab und zu deutsche Wörter ein. Die graue Maus nimmt man ihr, die im Mini Cooper durch das Valley braust, nicht recht ab. Sie ist elegant gekleidet, ganz in schwarz mit langen, dunkelbraunen Haaren. Die Rheinländerin gilt als begnadete Netzwerkerin, die Menschen Jobs vermittelt, um sie später als Kontakt nutzen zu können.
Kann man als introvertierte Person gut Netzwerken?
Marc Andreessen und Ben Horowitz traf Wennmachers 2008 im Café Creamery in Palo Alto. Die beiden suchten nach einer PR-Agentur, die ihren neuen Wagniskapitalfonds promoten könnte. 300 Millionen US-Dollar wollten sie einsammeln – mitten in der Finanzkrise. Andreessen hatte zwar den Browser Netscape entwickelt, der in den neunziger Jahren der beliebteste Weg ins Web war. Mit Mitte zwanzig galt er als Tech-Wunderkind, aber – ebenso wenig wie Horowitz – nicht als genialer Investor. Um an gute Deals zu kommen, wollten sie diesen Makel mit geschicktem Marketing ausgleichen. Interessante Investments blieben üblicherweise den Top-5-VC-Firmen wie Kleiner Perkins oder Sequoia vorbehalten, die sich über Jahrzehnte einen Ruf aufgebaut hatten.
Wennmachers sagte zu. Ihre Strategie war es, Andreessen Horowitz als besonders gründerfreundlich zu inszenieren. Die Message an die Programmierer und Ingenieure lautete: Keine Sorge, wir schmeißen euch nicht zugunsten eines BWLers raus, sobald euer Start-up erfolgreich ist. Sie beschwörte den Mythos von Steve Jobs, ohne den Apple ein stets seelenloses Unternehmen war. „Das Ziel war, möglichst schnell für einen Dealflow zu sorgen“, sagt Wennmachers.
Der Plan ging auf. Eines der ersten Investment, der Videotelefoniedienst Skype, stellte sich rasch als Erfolg heraus. Später kamen Beteiligungen an Facebook, Groupon und Twitter hinzu. Andreessen Horowitz stieg in die VC-Elite auf. Wennmachers positionierte die Firma als offenen, diskursiven VC, der sich so stark von seiner äußerst verschwiegenen Konkurrenz absetzte. Die Investoren schrieben Zeitungsessays und äußerten sich regelmäßig als Tech-Experten in den Medien. Selbst ein Partner bei den Konkurrenten von Kleiner Perkins lobt, dass die Funktionsweise von Wagniskapitalgesellschaften so „demokratisiert“ wurde. Gründer würden seitdem besser verstehen, was VCs sich wünschen.
Entwicklung des Valleys zu einem globalen Machtzentrum
Heute gilt Andreessen Horowitz manchen schon als Medienunternehmen mit angeschlossenem VC-Fonds. Die Firma gibt mehrere Blogs und Podcasts heraus, wirkt nahezu omnipräsent. So erreichen die Investoren genau ihre Zielgruppen, die selbst für Tech-Magazine wie Wired zu spitz wären. Andreessen Horowitz vermittelt jungen Gründern: Hey, wir geben euch nicht bloß Geld – wir sind Nerds wie ihr!
„Über das neueste Software-as-a-Service-Geschäftsmodell würde Fortune nicht schreiben“, sagt Wennmachers, „wir aber schon“. Als nächsten Schritt will sie einen Youtube-Kanal starten. Die Firma habe „genau verstanden, was wir machen und worum es in unserer Nische geht“, sagt Andrew Radin, Co-Gründer des Start-ups TwoXAR, das mithilfe von künstlicher Intelligenz Medikamentenstudien simuliert. Ende März hat TwoXAR eine erste große Finanzierungsrunde in Höhe von 10 Millionen US-Dollar abgeschlossen, investiert haben Softbank – und Andreessen Horowitz.
Die aktuelle Imagekrise des Silicon Valley ficht Wennmachers kaum an. Jedenfalls ist sie bemüht, diesen Eindruck zu vermitteln. Die zunehmende Kritik ist für sie eine natürliche Folge der Entwicklung des Valleys zu einem globalen Machtzentrum. „Solche Verschiebungen irritieren die Leute.“ Wie kommen die Tech-Konzerne daraus? „Die Firmen müssen sich besser erklären, um wieder Vertrauen zu gewinnen“, sagt Wennmachers. Die Frage ist, ob Facebook, Amazon oder Google, die im Vergleich zu klassischen Konzernen nach wie vor wie eine Blackbox erscheinen, das schon verstanden haben. Auf PR-Experten wartet im Silicon Valley jedenfalls eine Menge Arbeit.
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Artikelbild: Patrick Nouhailler | Flickr | CC by SA 2.0
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