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Muttertag ist ein Scheißtag, sagt Oma

Kaum geht es um den Muttertag, verdrehen die meisten schon die Augen. Aber ist das wirklich nur ein Feiertag für Blumenhändler? Das fragt sich die Zwillingsmutter Claudia Weingärtner und dröselt die Geschichte mal auf.

Muttertag? Ist doch jeden Tag!

Claudia Weingärtner schreibt ihren Zwillingen jeden Donnerstag auf ihrem Blog „Zwillimuddi“ einen Brief. Wir freuen uns, dass sie diesen auch bei uns veröffentlicht:

Liebe Elli, lieber Theo,

vor ein paar Tagen warf ich in der Redaktion mit einem Nebensatz in
die Runde, dass ja nächsten Sonntag wieder Muttertag sei. Noch bevor es
um konkrete Ideen zu diesem Thema ging, wurden bereits vereinzelt Augen
verdreht. Ich konnte kaum bis drei zählen, da machte irgendwer den
klassischen „Muttertag-ist-doch-jeden-Tag“-Spruch, kurz darauf hatte
sich das Thema erledigt.

Parallel lief bei Twitter der Hashtag „Muttertagswunsch“ heiß. Die
Idee: Mütter sagen, was sie zum Muttertag nicht brauchen
(Gedichte/Blumen/Gebasteltes) und was sie stattdessen lieber hätten
(Haushaltshilfe, wenn die Kinder krank sind/bezahlbaren Wohnraum für
Familien/ein vereinfachtes Steuersystem, um mehr Zeit fürs Kind zu
haben).

Tja, und wenn ich so zurückdenke, dann habe auch ich von meiner Mama oft
erklärt bekommen, dass dieser Muttertag bloß ein Tag sei, an dem die
Blumenhändler Dollarzeichen in den Augen hätten, sonst nichts. Als ich
sie diese Woche am Telefon auf das Thema ansprach, ging sie noch weiter.
„Muttertag ist ein Scheißtag“, sagte sie, lachte. Dieses Wort habe ich
in meinem gesamten Leben vielleicht fünf Mal aus dem Mund Eurer Oma
gehört, normalerweise redet sie ganz und gar nicht so (also vergesst das
Wort schleunigst wieder!). „Im Ernst“, holte sie nochmal aus, „bestell
jetzt bloß keinen Fleurop-Strauß. Ihr könnt mir an jedem anderen Tag des
Jahres zeigen, dass Ihr mich lieb habt, dafür brauchen wir kein von
Anderen bestimmtes Datum.“

Da hat
sie Recht. Und natürlich ist die Aktion „Muttertagswunsch“ eine hübsche Idee
(zumal die Initiatorinnen die Ideen bis zum 15. Mai sammeln und dann der
Bundesregierung übergeben wollen), selbst die Reaktionen in der Redaktion kann
ich komplett nachvollziehen, denn genauso reagierte auch ich in der Zeit vor
Eurer Existenz vermutlich mehrfach auf das Thema.

Aber was ist dagegen einzuwenden, sich einen Tag mal feiern zu lassen?

Trotzdem wundere ich mich in diesen Tagen über die vehemente und offenbar
sehr weit verbreitete Ablehnung der klassischen traditionellen Bräuche zum
Muttertag. Wieso sagen gefühlte 99 Prozent aller Mütter, dass sie keine Blumen
wollen? Was ist dagegen einzuwenden, sich einen Tag lang bedienen zu lassen,
sich hochleben zu lassen für das, was man im Alltag so rockt? Ist Muttertag
wirklich so ein „Scheißtag“?

Offen gestanden: Seitdem ich selbst Mama bin, kann ich es kaum
erwarten, dass Ihr alt genug seid, um mir Gänseblümchen von der nächsten
Hundewiese zu pflücken, mir große krakelige Herzen auf aussortiertes
Druckerschmierpapier zu malen oder mir ein krümelndes Croissant ans
frisch bezogene Bett zu bringen. Cool, diese Mütter, die sich solch hoch
politischen Dinge zum Muttertag wünschen. Ich hingegen gehöre
offensichtlich eher zur Sparte verkitschte Romantikmuddi und bin das
größte Werbeopfer von Firmen wie Opel und Nivea, deren aktuelle Spots
zwar nicht mal im Ansatz was mit Autos und Cremes zu tun haben, Menschen wie mich aber dafür lauthals aufheulen lassen.

Gehöre ich damit wirklich zu einer einsamen Spezie? Ist der
übliche Anti-Blumen-Wunsch reine Koketterie? Freut sich am Ende nicht
JEDE, wenn die Kinder DOCH eine kleine Überraschung parat haben?

Komplett leer auszugehen ist auch doof

Blitz-Umfrage in der Whatsapp-Muddigruppe. „Könnt Ihr was mit
Muttertag anfangen, und wenn ja: was?“, will ich wissen, und innerhalb
kürzester Zeit kommen Antworten, die gut tun. Quintessenz: Offen
erwarten will tatsächlich kaum eine so richtig was, natürlich erst recht
nicht von Kindern in Eurem Alter und auch nicht so wirklich über die
Gatten-Bande gespielt. Unterm Strich scheint es aber wie am Valentinstag
zu sein: So komplett leer auszugehen ist irgendwie auch doof. Kurzum:
Solltet Ihr Euch eines Tages zufällig mit einem Eurer Kumpels aus dieser
Runde besprechen, gebt gern weiter: Die anderen Mamas haben ebenso
wenig wie ich was gegen ein kleines Aufmerksamkeitchen.

Das ist im Übrigen keine Aufforderung, eines Tages Euer Taschengeld zu verschleudern für Geschenke, die die Welt nicht braucht.
Als ich Eure Oma nach ihren schlimmsten und schönsten
Muttertagsmomenten fragte, überlegte sie kurz. Der schlimmste sei
gewesen, als Eure Tante und ich unser Erspartes geopfert hätten, um ihr
ein vergoldetes, mit Rosen gesäumtes Plastikherz im örtlichen
Blumenladen zu erstehen. Die schönsten hingegen: wenn wir ihr Kaffee ans
Bett brachten. Selbstgebrüht. Die größte Plörre, sagte sie. Sie trank
ihn trotzdem, glückselig.

Ratet mal, was Eure Oma am Sonntag von mir bekommt?

Richtig: Kaffee. Aus einem meiner Lieblingskaffeeladen, mit
„Ans-Bett-Bring-Gutschein“ für unser nächstes Wiedersehen. Und ich?
Dieses Jahr wird das vermutlich nichts (Ihr: noch zu klein, ich: schiebe
Sonntagsdienst in der Redaktion – also macht Euch keinen Kopf). Aber
nächstes Jahr, da könntet Ihr über die Sache mit der Plörre auch mal
nachdenken.

Kaffee im Bett: hatte ich seit JAHREN nicht. Ich freu mich schon! In Liebe,

Eure Zwillimuddi

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