Über das Verwöhnen und die schönen Rituale mit Kindern
“Na, der Sohn hat die Mutti aber ganz schön im Griff!”, kommentiert der ältere Herr am Samstagmorgen am Nebentisch im Café. Er meint unser neues Frühtstücksritual : Sam isst zur Zeit morgens ein gekochtes Ei und ich bin die Salzstreuerin. Da unser Salzstreuer verschollen ist, haben wir das Salz zuhause in einem kleinen Marmeladenglas. Also, nehme ich mit den Finger das Salz und streue auf jeden Bissen ein bisschen Salz. Das machen wie jetzt überall so.
“Niemand kann so salzen wie du, Mama”, sagt Sam immer und isst besonders langsam.
Hat mein Sohn mich im Griff? Auf jeden Fall. Ist er verwöhnt? Yep. Ist er. Weiß er bestens, wie man mich um den Finger wickelt? Absolut.
Aber manche Dinge haben weder mit Verwöhnen noch mit Fingergewickle zu tun. Es sind einfach schöne Rituale, die man genießen sollte, so lange sie noch da sind und die man nicht in die preußische Schublade von “nur die Harten kommen in den Garten”
stecken muss.
Denn dieses Ei-Ritual ist unser Ritual. Es sind unsere morgendlichen 5 Minuten, bevor der Alltag schon über uns zu rollen droht. Es ist ein gegenseitiger Liebesbeweis. Es ist ein kleines bisschen Luft holen. Für Sam “Ich bin schon ein großer Schuljunge” und für mich ein bisschen “Er ist doch noch mein Baby”. Denn er wird jeden Tag ein bisschen mehr flügge. Ich darf ihn jetzt schon nicht mehr jeden Morgen vor der Schule küssen, wenn der coole Samuel aus der Dritten schon da ist. Und bald bin ich bestimmt auch ein viel zu lahmer Salzstreuer. Und wenn mich manchmal morgens die Hektik überkommt, dann erinnere ich mich gerne selbst daran, wie kostbar diese Momente sind. Und wie schnell sie vorbei sind und ich sie vermissen werde.