Foto: Julian Wan

Politische Teilhabe: Wie du dich online und offline engagieren kannst

Zitatkarten auf Instagram teilen ist gut für ein Bewusstsein für soziale Schief- und Notlagen. Aber reicht das? Unsere Autorin gibt Tipps für mehr politisches Engagement – online und offline.

Ob rassistische Polizeigewalt oder der Brand in Moria: Meine Emotionen nach diesen Ereignissen sind häufig ähnlich: Schock, Ohnmacht – und Hilflosigkeit gegenüber dieser maßlosen Ungerechtigkeit, bei der ich vermeintlich nur zusehen kann. Dabei sind wir gar nicht so machtlos, wie wir uns fühlen.

Aktuell befinden wir uns in Deutschland in der glücklichen Lage, in einer Demokratie zu leben. Wir können frei sprechen, wählen gehen oder uns selbst zur Wahl aufstellen lassen, wenn wir das möchten. Wählen gehen, das klingt vielleicht wie das bare Minimum, aber es ist auch ein Privileg. Eines, das wir oft gar nicht mehr als solches wahrnehmen, weil es für uns zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Dabei lebt eine Demokratie vor allem von unserer Teilhabe, auch abseits der Wahlurne.

„Selbst wenn 2000 Kilometer zwischen uns und den obdachlosen Menschen in Moria liegen, sind wir es im Zweifelsfall, die die dafür verantwortliche Politik stillschweigend hinnehmen.“

Humanitäre Katastrophen, wie beispielsweise die an den Außengrenzen Europas, erfordern, dass wir von Möglichkeiten der politischen Partizipation und des Engagements Gebrauch machen. Denn selbst wenn 2000 Kilometer zwischen uns und den obdachlosen Menschen in Moria liegen, sind wir es im Zweifelsfall, die die dafür verantwortliche Politik stillschweigend hinnehmen.

Fleißig sharen reicht nicht

Vielleicht werdet ihr mir beim Lesen des letzten Absatzes widersprechen, schließlich habt ihr Postings von der Seebrücke kommentiert und Infoslides rund um die Thematik auf Instagram geteilt. Auch ich share immer ganz fleißig bunte und schön gestaltete Infoslides. Weil ich es für wichtig halte, dass meine Freund*innen von bestimmten Dingen erfahren, die in den großen Medien häufig zu kurz kommen. Weil ich glaube, dass ich so ein Bewusstsein schaffen kann.

Aber Inhalte in der eigenen Social-Media-Bubble zu teilen ist einfach, meistens ist diese nämlich gefüllt mit Menschen, die ähnliche oder gleiche Ansichten haben. Dabei sind es nicht die Leute, die deiner Meinung sind, welche überzeugt werden müssen. Deshalb: Raus aus der Komfortzone.

https://www.instagram.com/p/CE8m5jhn8Ir/

Präsenz zeigen & Druck machen

Der wahrscheinlich einfachste Weg, offline Präsenz zu zeigen, sind Demonstrationen. Sie mögen vielleicht auf den ersten Blick wie ein reiner Symbolakt wirken, aber mal davon abgesehen, dass sie ein klares Signal der Solidarität sind, werden Demonstrationen ab einer gewissen Größe nicht bloß von Medien, sondern auch von Politiker*innen wahrgenommen. Und diese sind letztendlich diejenigen mit erheblicher individueller Handlungsmacht, denn sie treffen die politischen Entscheidungen.

Diese Entscheidungen kannst du übrigens auf Portalen wie abgeordnetenwatch.de einsehen, wo transparent aufgelistet wird, wer wofür und wogegen abgestimmt hat. Das zu wissen ist wichtig, um entsprechend der eigenen Vorstellungen wählen zu können und um zu widersprechen, wenn etwas passiert, das man richtig scheiße findet.

Oft nehmen wir Politik als etwas wahr, das abgespalten von uns ist. Wir meinen, Politiker*innen machen ihre Jobs ohne uns. Aber das stimmt nicht. Interaktion ist nicht nur in der Wahlkabine möglich, sondern auch durch lokale Veranstaltungen oder Online-Auftritte von Politiker*innen. Deine*n Abgeordnete*n kannst du ganz einfach eine Mail schreiben. Wer für dich in welchem Parlament sitzt, findest du auf abgeordnetenwatch.org heraus.

Auch Sea-Watch hat dafür aus aktuellem Anlass ein kleines Tool entwickelt. Auf leavenoonebehind2020.org/act/ kannst du deine Postleitzahl angeben und dir wird angezeigt, wer für dich im Bundes- und im Landtag sitzt. Übrigens: Mit ein paar Klicks mehr wird außerdem eine Email generiert, in der die Evakuierung Morias gefordert wird.

Eine Kontaktaufnahme ist nicht nur in der aktuellen Situation eine Möglichkeit der Teilhabe, sondern immer. Den politischen Akteur*innen Feedback zu geben ist wichtig, weil sie ihre Entscheidungen bestenfalls stellvertretend für ihre Wähler*innenschaft treffen. Gleichzeitig ist dieser Weg der Auseinandersetzung Ausdruck unserer persönlichen Handlungsmacht. Auf den offiziellen Seiten der Bundesregierung findest du die Kontaktdaten der Abgeordneten durch eine kurze Suche – wenn du also unzufrieden bist, beispielsweise damit, dass sie im März gegen die Aufnahme von 5000 besonders schutzbedürftigen Geflüchteten aus den griechischen Lagern gestimmt haben – dann sag es ihnen! Politiker*innen orientieren sich vielleicht nicht allein an der Meinung der Wähler*innenschaft, aber trotzdem sind sie von deiner Stimme abhängig.

Spenden & Engagieren

Humanitäre Organisationen – wie die eben bereits erwähnte Mission Lifeline oder Sea-Watch – finanzieren sich oft ausschließlich über Spenden. Wenn du also ein bisschen Geld übrig hast, dann ist vielleicht jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, dir die Frage zu stellen, ob das fünfte Paar Sneakers wirklich nötig ist, oder ob andere mit diesem Geld nicht nützlichere Dinge anstellen können. In Zeiten von Online Banking und Paypal gibt es auch hier nur noch sehr schlechte Ausreden, nicht aktiv zu werden – bei Mission Lifeline kannst du beispielsweise durch das Senden einer SMS Geld spenden. Auch Sachspenden sind immer eine Option und natürlich kannst du dich jeder Zeit direkt selbst bei lokalen Ortsverbänden der Organisationen engagieren.

No more excuses

Es gibt ein paar gute Gründe, die die Umsetzung der Vorschläge erschweren können: Nicht alle in Deutschland lebenden Personen dürfen wählen, manche haben psychische Probleme, die eine Teilnahme an Demonstrationen aufgrund der großen Menschenmengen unmöglich machen. Andere haben vielleicht nicht die finanziellen Kapazitäten, um Geld zu spenden. Es geht aber gar nicht darum, jeden dieser oben genannten Punkte perfekt zu erfüllen, sondern darum, zu realisieren: Ich kann etwas tun – und sollte das auch.

Ich kann etwas tun – und sollte das auch.

Awareness auf Social Media zu generieren ist wichtig, gerade wenn wir einen Blick auf die Berichterstattung über den Mord an George Floyd werfen, wird eine Wechselwirkung zwischen Internet und Berichterstattung sichtbar. So hat doch die digitale Welle der Wut und Empörung eine Debatte außerhalb von Social Media anstoßen können. Das ist super! Aber das ist eben nicht genug. Unsere Handlungsmacht ist ein Privileg, das wir nutzen müssen.

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