Putzpartys haben etwas mit Tupperpartys und Kaffeefahrten gemeinsam: Sie wirken auf Nicht-Eingeweihte erst einmal ein wenig seltsam und es geht letztendlich doch darum, etwas zu (ver-)kaufen.
Ein kleines Outing vorweg: Ja, ich war vor ein paar Tagen auf einer Veranstaltung, auf die ich allein nie gekommen wäre. Eine meiner besten Freundinnen hatte zu einer sogenannten Putzparty eingeladen. Nach kurzem Grübeln, ob sie damit meint, dass wir alle bei Bierchen, Sekt und Süßkram ihre Bude gemeinsam auf den Kopf stellen und putzen, weil sie eventuell Zimmer umräumt (soll ja vorkommen), habe ich den Begriff Putzparty mal gegoogelt. Ein Zusammentreffen mit Produktpräsentation also, für die die Gastgeberin oder der Gastgeber Prämienpunkte und Vergütung vom Putz-, Kosmetik- und Haushaltsmittelhersteller bekommt. Meiner Freundin zuliebe und mit der Aussicht, vor Ort ein paar alte Freunde und neue Gesichter zu sehen, sagte ich zu. Schließlich kann so eine Putzparty ja auch etwas bringen, und wenn es nur eine weitere Episode für einen Artikel und zum Schmunzeln ist.
Ein Dreckspatz unter Putzteufeln
Ein zweites Outing zwischendurch: Ich bin nicht unbedingt das, was man als Putzteufel bezeichnet. Natürlich putzen mein Mann und ich, saugen durch, wischen unsere Böden, reinigen regelmäßig Küche und Bad und wischen hin und wieder Staub oder putzen die Fenster – zumindest, wenn neben doppelter Berufstätigkeit und Kleinkind dafür noch Zeit bleibt. Besucher müssen bei uns also keinesfalls Angst haben, sich irgendetwas „einzufangen“, auch wenn kurzzeitig Breiflecken und Katzenfutterkrümel den weißen Küchenboden (nie wieder schaffe ich mir so etwas an!) zieren. Dennoch – bei der genannten Putzparty fühlte ich mich sofort wie ein waschechter Dreckspatz in der Putzkolonne von Meister Propper. Meine Freundin hatte alles schön dekoriert, Snacks, Sekt und Getränke auf den Tisch gestellt und die Markenbotschafterin („Vertreterin“ klingt immer so abfällig, finde ich) war auch schon da. Beide, Gastgeberin und Programmgestalterin, waren schön „herausgeputzt“ und auch die anderen Gäste trudelten nach und nach ein. Auch zwei Männer hatten sich in die Weiberrunde gewagt – immerhin. Die Vorstellung konnte beginnen. „Unser heutiges Thema ist Kalk“, kündigte die Markenbotschafterin nach Präsentation der Gastgeschenke feierlich an (von Katzenfutter über Putztücher bis hin zu Shampoo war alles dabei …). Wir sollten uns also davon überzeugen, dass man mit den Produkten der Marke Kalkflecken überall entfernen kann. Vorführung inklusive, im Bad meiner Freundin, die „sich beherrscht hatte, vorher ein paar Tage lang nicht zu putzen“ und deren Wohnung für die meisten Durchschnittsmenschen wahrscheinlich dennoch sehr sauber aussah. Ich muss dazu sagen: Sie arbeitet für einen Hersteller von Haushaltswaren. Da nimmt man es mit der porentiefen Reinheit der Dinge wahrscheinlich etwas genauer als Ottilie Normalverbraucherin. Die „Party“ bestand dann in den folgenden zwei Stunden (danach musste ich weg) darin, uns ein Referat darüber anzuhören, wo sich überall Keime, Bakterien und andere Fieslinge einnisten können, wenn man altmodisch Lappen, Essigreiniger und eine runde Klobürste benutzt. Außerdem, wie wichtig das an die Situation angepasste Tuch mit Special-Effects wie dem „Lotuseffekt“ (Abperlen weiterer Kalk- und Schmutzpartikel) sei, um alles wieder blitzblank zum Glänzen zu bringen und alles potenziell „Schmutzige“ restlos zu eliminieren. Harter Tobak. Um ehrlich zu sein, hatte ich mir auch eine Putzparty anders vorgestellt, als eine halbe Stunde lang dichtgedrängt mit weiteren Personen in einem sowieso schon sauber aussehenden Bad herumzustehen und einem Multifunktionsreiniger in Verbindung mit einer herzförmigen Silikonklobürste (also aus dem Material, das sonst im medizinischen Bereich und bei vielen Sextoys verwendet wird) beim Wirken zuzuschauen. „Diese Marke ist mein Leben, ich nutze selbst fast alles davon“, hatte die eingeladene „Sauberfrau aus Leidenschaft“ zu Beginn ihrer Ausführungen euphorisch angekündigt, und diese Begeisterung war durchweg zu spüren. So sehr, dass gefühlt jede(r) außer mir plötzlich hartnäckige, weltbewegende Probleme in seinem Haushalt fand. „Ganz oben auf der Dunstabzugshaube setzt sich immer so viel Fett und Kalk ab. Das sieht total speckig und eklig aus“, beklagte sich zum Beispiel einer der Männer in der Runde, der sonst eher für seine flotten Sprüche über alles und jeden, Gott, die Welt und seinen Boss bekannt ist. „In meinem Backofen sind schwarze Stellen, die einfach nicht weggehen. Was kann mir da helfen?“, wollte eine weitere Teilnehmerin wissen. Und so weiter, und so fort … Mit jeder Minute erhärtete sich für mich der Verdacht, dass die anderen mich sofort als Ferkel der Nation stigmatisieren würden, wenn ich erzähle, wie und wie oft wir zu Hause putzen. Und zwar eben nicht jeden Tag und auch nicht alles gleich regelmäßig.
Die bösen Bakterien
Im Körper eines Durchschnittsmenschen mit mittlerer Größe und einem Gewicht von 70 Kilogramm hausen etwa 100 Billionen Bakterien. Das ist eine Eins mit elf Nullen, um dies noch einmal zu verdeutlichen. Oder kürzer in Zahlen: 100.000.000.000 Bakterien. Bei größeren und schwereren Menschen vermutlich etwas mehr, bei sehr zierlichen Personen womöglich einige weniger. Dennoch – eine imposante Zahl. Hortete man die gleiche Menge an Pfund, Euro oder Dollar auf dem Bankkonto, hätte man vermutlich für 10 bis 100 Lebensspannen ausgesorgt, abhängig vom Lebensstil und Einkaufsverhalten. Ungeachtet der Tatsache, dass der Betrieb im Körper ohne diese vielen Kleinstlebewesen zum Stillstand kommen würde, sind Bakterien zumindest im Kontext einer Putzparty ganz fiese kleine Biester. Zugegeben, manche Bakterien sind es auch – zumindest diejenigen, die Krankheiten auslösen oder verschlimmern. Aber diese machen nur einen kleinen Teil des Bakterienvorkommens aus. Dieser kleine Exkurs in die Biologie aber nur am Rande, denn es geht schließlich um etwas viel Wichtigeres beim Saubermachen – wie erschafft man eine Umgebung, die so steril ist, dass sie zu einem Bakteriengenozid führt? Von Putztüchern mit eingearbeiteten Silberfäden bis hin zu Reinigern, die fast jeden Schmutz besiegen sollen, über einen antibakteriellen Raumlufterfrischer mit Duft und Lichteffekten gibt es schließlich für jedes Hygieneproblem eine „endgültige“ Lösung und kann diese auf einer Putzparty sogar kaufen. Und während die engagierte Putzfee mit den perfekt manikürten Nägeln uns wie Grundschülern die Produktnamen diktierte und darüber sprach, wie man durch Elimination von Katzenhaaren, Hundefell, Staub, Bakterien, Viren und anderen „Störfaktoren“ in der Raumluft Allergien vorbeugen könne, fragte ich mich, ob all mein Vorwissen über das menschliche Immunsystem, das auf den Kontakt mit Reiz- und Störstoffen angewiesen ist, nun komplett out war. Natürlich hilft eine Umwelt, die frei von bekannten Allergenen ist, Allergikern, das steht außer Frage. Aber ist es nicht gerade auch das Sterile in unserer Welt, das uns Menschen immer anfälliger für Allergien macht, weil unser Immunsystem viele Stoffe und Reize einfach nicht mehr gewöhnt ist? Einen derart „ketzerischen“ Gedanken mochte ich aber in dieser Runde einfach nicht aussprechen – schließlich will man weder als Vollidiot noch als Spielverderber dastehen.
Putzparty – und lustig war’s trotzdem …
Um es kurz zu machen: Ich habe auf der Feier bis auf das Gastgeschenk (ein Waschmittelkonzentrat, das ich einfach mal ausprobieren wollte) nichts bestellt und stand damit wohl ziemlich allein da. Auch als Gastgeberin für eine eigene Putzparty komme ich definitiv nicht infrage. Denn vermutlich würde jede Beraterin bei uns einen Herzinfarkt bekommen, wenn sie sieht, dass wir zwar auf Sauberkeit achten, aber eben nicht alle Flächen und Armaturen wie neu glänzen. Dass die Katzen oftmals Katzenfutter auf dem viel zu hellen Küchenboden verteilen, das Fensterputzen oftmals zu kurz kommt und wir die Katzenhaare eben nicht zweimal am Tag restlos im Staubsauger verschwinden lassen, damit unsere Kleine ja keine Katzenallergie bekommt. Dass unser Katzenklo eben öfter mal nach selbigem riecht, wenn eine Katze gerade ihr Geschäft darin gemacht hat, und wir nicht andauernd all unsere Abflüsse mit Zahnbürsten oder einer speziell geformten Klobürste reinigen. Und dann dieser Kalk … oder, wie meine Freundin an dem Abend sagte: „Ich würde das an deiner Stelle kaufen, ihr habt ja auch so viel Kalk im Wasser bei euch in der Stadt.“ Ja, stimmt – und beim täglichen Fleckenaufkommen sind die Milchflecken auf der Spüle noch nicht einmal mit eingerechnet. Nachdem der Effekt der Putzparty-“Gehirnwäsche“ nachgelassen hatte und damit das schlechte Gewissen, wie im Schweinestall zu hausen, kann ich wieder ein wenig aufatmen und sagen: Putzparty ist nicht mein Ding – aber lustig war’s trotzdem. Meine Wohnung und mein Leben trifft eher das Sprichwort: „Wo gehobelt wird, da fallen Späne“. Und wo wir schon einmal dabei sind – ich muss Schluss machen. Ich habe da noch drei Körbe Wäsche aufzuhängen.