Dass Frauen genauso schnell sein können, sagt Rahel Frey nicht nur, sondern zeigt es auch: Als erste Frau konnte sie ein Formel 3-Rennen auf dem Nürburgring für sich entscheiden. Wir haben mit ihr über Macho-Gehabe, Druck und ihren Alltag gesprochen.
Ein Gefühl für die Geschwindigkeit
Ballett, Geräteturnen, Fußball – sportlich war die Schweizerin Rahel Frey schon immer. Das erste Mal hinter einem richtigen Steuer, in einem Kart, saß sie mit zwölf – ein Geschenk ihres Vaters, der durch sein Autohaus die Affinität zu Autos vermutlich in die Familie brachte.
Schon früh habe sie gemerkt, dass der Motorrennsport mehr ist als nur ein Hobby:
„Im Kart siehst du schnell, wie du mit einem Gefährt klar kommst, ob es dir Spaß macht, ob du ein Gefühl für die Technik sowie für die Geschwindigkeit hast.“
Doch die Leidenschaft reicht nicht aus, der Weg zum professionellen Rennsport sei sehr lang, so Frey. Man müsse sich die Sponsoren suchen, ein Budget auf die Beine stellen und ein Team finden. Rahel Frey hat es geschafft: Seit 2011 ist die 29-Jährige offizielle Rennfahrerin für Audi.
Immer Vollgas geben
Der Wechsel vom Kart- in den Automobilrennsport gelang 2004. Gleich bei ihrem allerersten Wochenende im Rennsport, am ersten Wochenende der Schweizer Formel Renault 2.0 Meisterschaft, sorgte sie für eine Überraschung: Im ersten Rennen belegte sie den dritten Platz, das zweite Rennen am Sonntag entschied sie für sich. 2004 wurde sie insgesamt Vierte, in der Endabrechnung von 2005 Dritte.
„Ich liebe es, an die Grenzen zu kommen.“
In den darauffolgenden Jahren fuhr sie für das Team Jenzer Motorsport, nahm an der italienischen sowie europäischen Formel Renault 2.0 Meisterschaft teil, machte Ende 2007 den ersten DTM Test für Audi, bestritt 2008 die Formel 3 für Volkswagen, wechselte wieder zum Team von
Jo Zeller Racing. 2010 fuhr sie mit drei weiteren Frauen das berühmte 24 Stunden Rennen von Le
Mans, durfte anschließend den zweiten
DTM Test für Audi fahren und ist seit 2011 nun offizielle
Werksfahrerin von Audi.
Als erste Frau überhaupt gewann Rahel auf dem Nürburgring ein Formel 3 Rennen und schrieb damit ein Stück Motorsport-Geschichte. 2015 folgte ein weiteres Highlight: Der Sieg in der ADAC GT Masters.
Frey beim Audi Sport TT Cup Spielberg im Juli 2015.
„Zwischendrin ist ein Sieg wirklich wichtig“
Was sich für uns Außenstehende nach einer puren Erfolgsgeschichte anhört, war für Frey ein Weg mit Hindernissen. 2007 beispielsweise gab ihr Motor an zweiter Stelle den Geist auf, 2009 musste sie die Saison frühzeitig beenden, weil sich ein Sponsor nicht an die Bedingungen hielt.
„Natürlich geht der Druck im Motorrennsport auf
die Psyche, vor allem wenn man kein erfolgreiches Jahr hat. Da kommen immer
Zweifel. Ich glaube, das ist ganz menschlich. Tiefs hast du immer, aber du
lernst mit der Zeit, damit umzugehen. Es wird dann einfacher.“
Ein Sieg zwischendrin sei einfach wichtig für die persönliche Entwicklung. Die harte Arbeit müsse auch mal belohnt werden.
Ob Frauen im Motorrennsport Nachteile haben?
Die Kraft, die der eigene Körper aufbringt – und von der Männer von Natur aus einfach mehr haben – ist gar nicht mehr entscheidend, weil die Autos, unter anderem dank Servolenkung, zunehmend leichter zu fahren sind. Man müsse vor allem fit sein, erzählt Frey. Da es im Auto zu Gunsten der Leistung keine Klimaanlage gibt, sind insbesondere Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit unabdingbar.
„Es ist natürlich
eine Männerwelt und die wird es auch immer bleiben. Bisschen Macho-Gehabe und gewisse Sprüche gehören dazu, damit lernt man aber gut umzugehen. Du lernst dich als Frau auch durchzusetzen, das musst du auch tun. Sonst geht’s nicht.“
Und letztendlich gilt: „Egal, ob Mädel oder Junge – Jeder Fahrer ist ein Konkurrent.“
„Jeder Fahrer ist ein Konkurrent.“ Quelle aller Bilder: Audi
Auf eine spezielle Ernährung muss sie sich nicht achten, sondern gar zusätzliches Gewicht tragen. Denn die 80 Kilogramm an Grundgewicht, die zur Gleichhalt aller gelten, bringt sie mit ihren 58 Kilogramm lange nicht auf die Waage.
Es sei lediglich wichtig, die Variation im Training beizubehalten und nicht nur den Fokus auf den Motorrennsport zu legen. Frey geht beispielsweise gerne Skifahren, snowboarden, laufen, moutainbiken oder einfach ins Gym. Je abwechslungsreicher das Training ist, desto konzentrations- und koordinationsfähiger sei man.
Keine Angst – dafür Respekt
Auf der Rennstrecke zu sein, an die Grenzen zu kommen – das liebt Rahel. Angst habe sie keine. Dafür einen gewissen Respekt – man müsse wissen, was man macht, erklärt sie.
„Wenn du
Angst hast, bist du fehl am Platz. Dann könnte ich nicht meine hunderprozentige
Leistung abrufen.“
Im Februar wird Rahel Frey 30 Jahre alt. Auf ewig kann sie natürlich keine Rennfahrerin sein. Sie hofft, die nächsten zwei bis drei Jahre auf jeden Fall noch fahren zu können. Und dann? Offen bleiben, schauen, was kommt. Als Plan B besteht für sie immer noch die Option, ins Familienunternehmen einzusteigen. Sie sei immer engagiert, sagt sie. Zwar ist der Druck im Rennsport durchaus belastend, doch auch, wenn sie mal eine Woche Zuhause verbringt und wirklich Ruhe hat, gehe das auch auf
ihre Psyche. Sie suche dann immer wieder nach Arbeit, das Loslassen sei für sie definitiv schwierig.
Eine eigene Familie hat sie bisher noch keine:
„Dafür muss ich erst noch den richtigen Lebenspartner finden. Als Rennsport interessierte Frau, die die ganze Welt bereist, ist das auch nicht einfach. Da genießt man einfach einen gewissen Freiraum. Vielleicht klappt das ja im nächsten Lebensabschnitt.“
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