Foto: Youtube | Rossmann

Rossmann wird zum Weltfrauentag zu Rossfrau – warum Feminismus anders geht

Zur Feier des Weltfrauentages wird Rossmann für 24 Stunden zu Rossfrau. Es gibt jede Menge Kampagnenkleber, Rabatte und unter dem Hashtag #lasstdieFrauraus laufen Gewinnspielaktionen. Die Kampagne ist vieles, aber eines definitiv nicht: feministisch.

 

Wie Rossmann die Vielschichtigkeit der Frau interpretiert 

Wir schreiben den 8. März – heute ist Weltfrauentag für alle, die es noch nicht mitbekommen haben. Und Achtung, es gibt gleich doppelten Grund zum Feiern: Rossmann wird für einen Tag zu Rossfrau, zur Feier der Weiblichkeit, ist klar. Doch damit nicht genug. Seit dem 27. Februar läuft dazu unter dem Hashtag #lasstdieFrauraus eine Kampagne, die die Vielseitigkeit der modernen Frau von heute wunderbar ins Licht rückt. Nicht. 

Während ich mir das Kampagnenvideo anschaue und dazu aufgefordert werde, die Naschkatze rauszulassen, meine Seite der Beautyqueen auszuleben, die Prinzessin und die Diva in mir zu erfahren, dreht sich mein Magen dreimal um. Diversität? Bis auf eine Woman of Color absolute Fehlanzeige. Die Körper der Kampagnenfrauen sind allesamt schlank, von Kurven nichts zu sehen. Okay, kann mich jemand zwicken oder habe ich die letzten paar Jahre, in denen man meinen könnte, wir wären uns der klischeebehafteten Darstellung von Mann und Frau in den Medien zumindest schon mal bewusst geworden, einfach verschlafen? 

Quelle: youtube | Rossmann

Mehr Klischees gehen nicht

Und dann versucht Rossmann, äh Rossfrau, ihre Kundinnen mit genau solch einer Kampagne anzulocken, die in 39 Sekunden nicht mehr Klischees vereinen könnte. Identifikation mit dem in der Kampagne vermittelten Frauenbild gleich Null Komma Null. 

Die Kampagne umfasst nicht nur das Video, sondern liefert all den Naschkatzen, Diven und Prinzessinnen da draußen mit täglichen Gutscheincodes und Gewinnspielen jede Menge Gründe, in den heimeligen Wänden Rossmanns nochmal so richtig konsumgeil zu werden. 50 Prozent auf Augen-Make-Up, Gratis-Reinigungstücher und Müsliriegel. Yes, mein Monat ist gerettet. Zu der Prinzessinnen-Facette schreibt Rossmann: 

„Als kleines Mädchen hat jede Frau davon geträumt und auch heute begleitet sie uns noch: die Prinzessin in uns. Träumt ihr von schönen Kleidern oder dem Prinzen hoch zu Ross? Heute ist euer ganz persönlicher Prinzessinnen-Tag: Zäumt euer Einhorn auf und lasst es Glitzer regnen!“

Ich glaube, damit ist alles gesagt. 

Konsum statt Politik 

Dass der ursprüngliche Anlass der Kampagne übrigens der Weltfrauentag war, geht vollkommen unter. 

Eine ehemalige Rossmann-Mitarbeiterin, mit der wir gesprochen haben, erzählt:

„Die Mitarbeiter bei Rossmann sind zum größten Teil Frauen. Wenn man in eine Filiale reingeht, dann arbeiten da Frauen. Die Leute, die dort einkaufen, das sind zu 80 Prozent Frauen. Die Leute, die die Kundenmagazine und PR zu verantworten haben, sind Frauen. Und ich habe bisher keine ehemalige Kollegin getroffen, die die Kampagne gut findet.“

Schaut man sich die Instagram-Posts an zu dem Hashtag #lasstdieFrauraus an, wird einem das Ausmaß der Aussage „Niemand sagt etwas“ erst richtig bewusst. Denn es passiert das Gegenteil: die Rossmann-Kundinnen posten, erkundigen sich nach Rabattcodes und Gewinnspielen. Dass sie dabei in die Marketingfalle tappen, anstatt den Weltfrauentag zu feiern, scheint sie nicht zu tangieren. 

Anders sieht es auf Twitter aus: 

Quelle: Twitter | @Trisha_Galore

Quelle: Twitter | @my_feminista

Josef Lange, Pressesprecher von Rossmann, schickte uns auf unsere Anfrage folgendes Statement: 

„Mit der plakativen Kampagne zum Weltfrauentag wollen wir einen Überraschungseffekt zum Weltfrauentag generieren und uns auf originelle Art und Weise für das Vertrauen unserer Kundinnen bedanken – sie machen 80 Prozent unserer Kundschaft aus. Die temporäre Umbenennung einer etablierten Marke wie Rossmann in Rossfrau ist ein mutiger Schritt, um auf den Weltfrauentag aufmerksam zu machen. […] Sicherlich ist dies eine mutige Kampagne, die auch polarisiert – wir verweisen aber ganz klar darauf, dass es sich hierbei um eine temporäre Aktion handelt, die auf eine unterhaltsame Art und Weise die Aufmerksamkeit auf den Weltfrauentag lenkt.“

Mascara statt inhaltlich wertvolle Themen 

„Mutig“, so wie Lange die Kampagne beschreibt, finden wir das allerdings nicht. „Centaur“ ist neben der „Babywelt“ und der „Schön für mich“ eines von drei Kundenmagazinen von Rossmann. Alle drei Magazine haben eine Auflage von mehr als einer Million. Mit dieser Reichweite könnte man viel „Mutiges“ bezwecken – sollte man zumindest meinen. Man könnte richtig coole Frauen porträtieren, die tolle Initiativen gestartet haben, man könnte Themen angehen, die uns Frauen tatsächlich tangieren. Zum Beispiel über die Tamponsteuer, die uns auf Dauer unfairerweise ins Geld geht. Oder über die Tatsache, dass Kosmetikprodukte für Frauen meistens 20 Prozent teurer sind als die für Männer. Das wäre mutig. 

Aber nein, stattdessen lächeln uns Frauen entgegen, die alle einem bestimmten Typ Frau entsprechen: weiß, schlank, hübsch und sauber.

Können wir uns also bitte daran erinnern, dass der Weltfrauentag bereits vor 100 Jahren ins Leben gerufen wurde, als Rossmann nicht mal gedanklich existierte? Und zwar nicht zur Förderung der Konsumgeilheit oder um die Frauen daran zu erinnern, sich mal wieder die Augen zu tuschen, sondern als Erinnerung an die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Please, Rossmann. Euer Ernst? Und wenn ihr schon beim Rebranding seid – wie wäre es statt einem Tag Rossfrau auf lange Sicht einfach mit Rossmarkt, Rossladen oder Rossshop?

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