Was haben Sigi Maurer, Serena Williams und Monica Lewinsky gemeinsam? Sie alle haben sich in den letzten Wochen öffentlich gegen Sexismus gewehrt.
Sexismus made in 2018
100 Jahre Frauenwahlrecht feiern wir dieses Jahr am 12. November in Deutschland. Eigentlich ein Grund zur Freude: Wow, hundert Jahre schon können Frauen wählen. Darüber hinaus dürfen wir arbeiten gehen und unser eigenes Bankkonto eröffnen – auch wenn sich die Sparkasse weigert, uns zu Kundinnen zu machen. Wir dürfen über unseren eigenen Körper bestimmen – zwar mit Einschränkungen und ohne, dass wir uns vorab gut darüber informieren können, aber hey, wer will da schon kleinlich sein. Wir haben eine Frau, die schon mal ein Fußballspiel der Männernationalmannschaft kommentiert hat – natürlich auch das nur unter heftigem Protest und Hasskommentaren, aber hey, wir werden ja schon wieder kleinlich.
Frauen verdienen auch nur 21 Prozent weniger als Männer. Und wenn man diese Zahl „bereinigt“, sogar nur noch läppische sieben Prozent. Halleluja. Und Frauen dürfen nicht nur wählen, sondern sogar Politikerinnen werden. Manche sogar Staatssekretärinnen (nur bitte nicht im Innenministerium) oder gar Ministerinnen. Eine sogar Kanzlerin. Toll – wäre da nicht die ganze sexistische Kackscheiße.
Sigi Maurer wehrt sich – und muss dafür vor Gericht
Und gerade einmal ist die wieder ordentlich am Dampfen: Die ehemalige österreichische Grünen-Politikerin Sigrid (kurz Sigi) Maurer muss sich tatsächlich vor Gericht verantworten, weil sie eine obszöne Nachricht, die ein Wiener Bierwirt ihr über Facebook geschickt hat, öffentlich gemacht hat. Dieser Wirt verklagt Sigi Maurer nun auf 60.000 Euro Schmerzensgeld. Auch wenn das Ganze in Österreich passiert, zeigt es doch die Absurdität einer sexistischen Gesellschaft, die so auch in Deutschland existiert. Eine Frau bekommt eine sexistische und übergriffige Nachricht, wehrt sich dagegen – und muss sich dafür vor Gericht verantworten. Und trotzdem: Sich gegen Sexismus wehren, ist etwas, das wir Frauen noch viel öfter tun sollten.
Sawsan Chebli muss sich anhören, sie hätte sich hochgeschlafen
Die Objektivierung von Frauen, die vielen Männern auch 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts und immer 20 Jahre nachdem Vergewaltigungen in der Ehe unter Strafe gestellt wurden, immer noch nicht peinlich zu sein scheint, musste neulich auch die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli erfahren, als der österreichische ÖVP-Abgeordnete Efgani Dönmez ihr auf Twitter unterstellte, sich hochgeschlafen zu haben. Der Politiker musste immerhin seinen Platz in der Fraktion räumen. Die Aussage aber bleibt ein trauriges Zeugnis für den Stand der Gleichberechtigung. Erfolgreiche Frauen? Das kann ja nicht mit rechten Dingen zu gehen. Chebli prangert sexistisches Verhalten immer wieder an. Auch das etwas, das wir Frauen noch viel öfter tun sollten.
Serena Williams wird sexistisch und rassistisch diskriminiert
Diese Stigmatisierung kennt auch Serena Williams nur zu gut. Nachdem ihr Ende August bei den French Open verboten wurde, in Zukunft einen sogenannten Cat-Suit zu tragen, der ihr bei den gesundheitlichen Problemen nach der Geburt ihrer Tochter helfen sollte und damit auch als ermutigendes Zeichen an alle Mütter, die ähnliche Probleme nach einer Geburt hatten oder haben, verstanden werden sollte, wurde es Anfang September noch einmal sexistisch: Bei ihrem ersten großen Turnier nach der Geburt ihres Babys, den US Open, wurde sie als Frau für ein Verhalten bestraft, das männliche Tenniskollegen immer wieder zeigen, ohne dafür ernsthaft belangt zu werden. Dabei griff neben einem sexistischen Muster auch noch ein rassistisches, denn als schwarze Frau wird man, wenn man Wut öffentlich zeigt, noch einmal stärker abgewertet. Eine Diskriminierungsdopppelung, die der dominierende weiße Feminismus noch viel zu selten thematisiert und der deutlich macht, wie wichtig Intersektionalität beim Feminismus ist. Die Stereotype der „Angry black woman” hält sich penetrant und wird an vielen Stellen noch nicht einmal in Frage gestellt. Exemplarisch hier für steht ein Comic der Herald Sun, der vor rassistischen und sexistischen Stereotypen strotzt. Und der deutlich macht: Wir Frauen müssen dringend noch viel wütender werden und überall auf der Welt symbolische Tennisschläger zerschlagen.
Monica Lewinsky ist auch mit über 40 noch die Praktikantin
Apropos wütend machende sexistische Strukturen. Monica Lewinsky, die auch zwanzig Jahre nach ihrer Affäre mit Bill Clinton nur darauf reduziert wird, obowohl sie heute Psychologin ist und eine eigene Organisation gegen Mobbing gegründet hat und leitet, hat neulich ein Interview mit der israelischen Moderatorin Yonti Levi abgebrochen. Der Grund: Levi war sich nicht zu schade, Lewinsky gleich in der ersten Frage auf Clinton anzusprechen. Und das obwohl vorher klar ausgemacht war, worum es in diesem Interview gehen sollte: um Lewinskys professionelle Arbeit. Lewinsky verweigerte die Antwort und verließ die Bühne. Aufstehen und gehen, wenn uns sexistisches Verhalten begegnet: noch etwas, das wir Frauen viel öfter machen sollten.
The fall of the patriarchy
Wichtig ist aber auch: Alle vier Frauen haben sich gegen Sexismus gewehrt und sie konnten es, weil sie über eine größere Öffentlichkeit verfügen. Weil sie das Privileg haben, sich wehren zu können. Das macht es nicht zu einer einfachen Sache, aber es hilft, den Mut zu haben. Diesen Mut kann man aber nicht von jeder Frau verlangen. Wenn eine Supermarkt-Kassierin, die ihre Familie von ihrem Gehalt ernährt, Angst haben muss, dass sie ihren existenzsichernden Job verliert, wenn sie sich gegen ihren sexistischen Chef wehrt, dann kann man sie für ihre Entscheidung nicht verurteilen. Umso wichtiger ist es deshalb, dass wir die Frauen, die sich gegen sexistische Strukturen wehren, offen unterstützen und dass wir die Kämpfe der Frauen, die sich in prekären Verhältnissen befinden, mittragen. Denn nur dann, kann sich wirklich etwas ändern– und zwar für alle Frauen. Schließlich kommt nun der Herbst und damit die schönste Jahreszeit: „the fall of the patriarchy”.
Titelbild: Edwin Martinez | US OPEN Part 1 | Wikimedia | CC BY 2.0
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