Im Vorstellungsgespräch rausfinden, ob der Job wirklich zu einem passt? Geht nicht mit eingeübten Antworten. Hier kommen stattdessen ein paar kluge Fragen!
Das Netz ist voll von Bewerbungstipp-Artikeln, in denen man lernt, wie man sich am besten anpassen kann. Überall tönt es dem Leser entgegen „Diese Antworten mögen Personaler gern“ oder „x Dinge, die ihr auf keinen Fall tun solltet“. Gleichzeitig werden allerorten Fachkräftemangel oder gar ein Bewerbermarkt ausgerufen – merkste selber, nä?
Angenommen, du würdest gerade einen Arbeitgeber suchen, der wirklich zu dir passt. Weil du dir vielleicht erfülltes Arbeiten wünschst und vorhast, zu bleiben. Und du hättest die Wahl. Und vielleicht hast du ein bisschen Bindungsangst und möchtest sichergehen, dass du nicht ins Klo greifst. Dann würdest du dir doch gut überlegen, welche Fragen du stellen könntest, um mehr rauszubekommen, oder?
Hier sind ein paar Vorschläge.
Fragen zum Umgang mit Arbeitszeiten, Ausgleich, Erholung
- „Toll, dass es bei Ihnen Vertrauensarbeitszeit gibt! Wie wird denn bei Ihnen im Unternehmen damit umgegangen, wenn in Hochphasen jemand tageweise Überstunden anhäuft?“
Warum diese Frage: In den letzten 10, 15 Jahren haben viele Unternehmen die Arbeitszeiterfassung abgeschafft – zu viel Mühe das Ganze, und womöglich auch zu viel Ärger. In netten Unternehmen kann man dennoch unkompliziert einen Ausgleich schaffen. Doofe Unternehmen erkennt man womöglich daran, dass schon die Frage mit einer hochgezogenen Augenbraue und „irgendwas mit Selbstverantwortung“ quittiert wird.
- „Als ich letztens um 20:00 Uhr nochmal zufällig bei Ihnen vorbeigefahren bin, war der Parkplatz noch genauso voll wie morgens. Wie wichtig ist bei Ihnen körperliche Anwesenheit?“
Warum diese Frage: Ehrlich gesagt, den ersten Satz muss man sicher so nicht sagen. Klingt ja, als wär‘ man Stalker aus Leidenschaft. Aber es kann tatsächlich helfen, sich mal den Parkplatz anzusehen. Und nach der Präsenzkultur zu fragen. Es gibt da schon Unterschiede im Reifegrad der Unternehmen: In vielen Firmen ist zum Beispiel Homeoffice nicht einheitlich geregelt; wenn du danach fragst, wird man dir etwas von „in individueller Absprache mit der Führungskraft… und dass das Tagesgeschäft nicht leidet“ erzählen. Firmen, die hier schon weiter sind, haben da übergreifende Regelungen aufgestellt und können davon berichten.
Fragen zur Mitarbeiterzufriedenheit
- „Bei meinen Recherchen in XING und LinkedIn habe ich gesehen, dass diese Stelle recht häufig mit neuen Kollegen besetzt war und zwischendurch sogar längere Zeit unbesetzt. Woran lag denn das? Und woran könnte ich merken, dass ich jetzt die richtige Besetzung bin?“
Warum diese Frage: Peng! Das ist die „Sie haben da eine Lücke im Lebenslauf“-Frage mal andersherum. Dank XING & Co. hast du ja heute die Möglichkeit, zu recherchieren – nutze die! Die Suchmöglichkeiten aus Bewerbersicht sind da zwar mühsam, aber ich finde es lohnt sich: Suche am besten nach dem ganzen Bereich und nach ähnlichen Jobbezeichnungen, denn oft wird nach längeren Misserfolgen bei der Suche das Jobprofil oder die Bezeichnung angepasst. Und wenn im Vorstellungsgespräch dann die obige Frage im Raum steht, zeigt die Antwort dir, wie reflektiert dein Gegenüber damit umgeht. Ist es ihr oder ihm unangenehm? Wird authentisch auf den wunden Punkt eingegangen? Oder ist die Frage ein Affront?
- „Wird bei Ihnen eigentlich regelmäßig die Mitarbeiterzufriedenheit erhoben? Wenn ja, wie und in welchem Rhythmus? Wie war das letzte Ergebnis und wie wurde damit gearbeitet?“
Warum diese Frage: Hier zeigt sich, ob dem Unternehmen wichtig ist, wie es den Mitarbeitern geht. Es geht gar nicht so sehr darum, ob nun eine Mitarbeiterbefragung oder andere Arten genutzt werden, um das rauszubekommen. Entscheidend ist, was damit gemacht wird, um das Klima zu verbessern: Wird zum Beispiel an Konflikten gearbeitet, bekommen Teams dabei Unterstützung? Werden Problemthemen identifiziert und Lösungen dafür gefunden? Oder erzählt man dir, dass man als Reaktion auf die letzte Befragung jetzt kostenlose Äpfel für die Abteilungen eingeführt hat und Yogakurse anbietet?
Fragen zu persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten
- „Können Sie mir ein paar Beispiele für Mitarbeiter nennen, die bei Ihnen im Unternehmen Karriere gemacht haben? Wie ist das gelungen? Was waren das für Typen? Und welche Unterstützung hat das Unternehmen hierbei geleistet?“
Warum diese Frage: Der „Trick“ ist es, dass du hier nicht nach Deinen persönlichen Karrieremöglichkeiten fragst – denn die Antwort darauf kennst du sicher: Hauen Sie halt rein, strengen Sie sich an, Leistung wird bei uns immer gesehen und so weiter. Lerne aus den Gesprächsstrategien der Personaler und werde konkret! Daraus kannst due viel eher ableiten, ob Karriere frei nach Darwin passiert oder Entwicklung gezielt gefördert wird. Apropos Karriere: Interessant ist hier vielleicht auch, was man im Unternehmen darunter versteht und ob das zu deinen Vorstellungen passt.
- „Seit einigen Jahren fahre ich jedes Jahr zur XYZ-Konferenz – damit bleibe ich up to date, was neue Entwicklungen in meinem Arbeitsbereich angeht. Das würde ich gern weiter so machen – bezahlt Ihr Unternehmen mir das Ticket?“
Warum diese Frage: Was du unter Weiterentwicklung verstehst, muss nicht zwangsläufig mit der Entwicklungsphilosophie des Unternehmens zusammenpassen. Es kann zum Beispiel sein, dass der interne Maßnahmenkatalog das Budget vollständig erschöpft. Spannend ist aber, wie man dir hier entgegenkommt: Fragt etwa deine zukünftige Chefin nach dem Preis und überlegt, wie das ins Jahresbudget passt? Wie auch immer die Lösung aussieht – es ist auf jeden Fall von Vorteil, das jetzt, in den laufenden Verhandlungen, zu fragen.
Fragen zum Umgang mit Veränderungsprojekten
- „Was war Ihr letztes großes Change-Projekt? Wann war das und wie wurde das umgesetzt?“
Warum diese Frage: Nun, das sagt eine Menge über die Unternehmenskultur aus. Haben 20jährige McKinsey-Buben mit dem Finanzvorstand ge-kick-offt? Oder wurden zu Beginn verschiedene Bereiche befragt, vielleicht sogar Leute aus verschiedenen Ebenen mit einbezogen? Oder wurde das Projekt sogar intern, mit eigenen erfahrenen Leuten gestemmt? Natürlich hängt das immer auch vom Veränderungsthema ab, aber vielleicht gibt es hier wiederkehrende Muster – da ist dann die Frage, wie viel Entfaltungsmöglichkeiten man hat.
- „Welches Ihrer Veränderungsvorhaben ist nicht so recht gelungen? Woran lag das? Und was hat Ihr Unternehmen daraus gelernt?“
Warum diese Frage: Auch hier hilft dir das von Personalern gern angewendete Verhaltensdreieck, etwas über die Unternehmenskultur herauszufinden. So sagt die Frage beispielsweise etwas darüber aus, wie reflektiert im Unternehmen mit Misserfolgen umgegangen wird: Wie lange muss dein Gegenüber darüber nachdenken, was du mit „nicht recht gelungen“ meinst? Falls alles immer super gelaufen ist: Wie wird das erklärt? Falls wirklich etwas danebenging: Wie erklärt man sich das? Und wie offen spricht dein Gegenüber mit dir darüber? (Und falls dein Gegenüber auf deine Frage irre lachend mit „Alle Vorhaben sind gescheitert!“ antwortet, läufst du natürlich einfach ganz schnell weg.)
Das waren nun ein paar erste Vorschläge. Wie denkst du darüber? Welche Frage würdest du so (nicht) stellen? Ich freue mich auf Kommentare!
Sehr gern würde ich die Sammlung noch um weitere gute Fragen ergänzen – wer also Ideen hat: Her mit den Kommentaren!
Dieser Artikel erschien zuerst auf innenhui.de.