Neulich stand ich in einer Runde mit Geschäftsleuten, wir unterhielten uns angeregt und entspannt. Doch dann kam die Sprache auf Donald Trump … Wumm! Was dann passierte, lies mich an unserer Gesellschaft zweifeln.
Als der Name https://www.stefanreutter.de/ausweg-aus-dem-streit/Donald Trump fiel, veränderte sich mit einem Schlag der Ton, er wurde härter und rauer. Alle wirkten verkrampft und auf der Hut, alle wurden wortkarger. Ganz offensichtlich waren sie bemüht, jetzt nur ja nichts Falsches zu sagen. Die einen verkrampften, weil sie Trump als Teufel in Person sehen, die anderen verkrampfen, weil sie Trump als Teufel in Person zu sehen haben.
Das Ergebnis: Es kommt kein Gespräch zustande, nicht einmal ein kleiner Streit über irgendein Detail. Wie traurig ist das denn bitte?
Der Wandel der Zeit
Noch vor wenigen Jahren war in solchen Runden kein Thema zu brisant, als dass wir uns nicht offen und ohne Scheu darüber austauschen konnten. Haben wir uns verändert oder haben die Themen sich verändert? Jedenfalls wächst die Zahl der Themen, bei denen die Diskussion gefährlich scheint. Also unterbleibt sie lieber ganz und von vorneherein. Wer will schon gerne in die „falsche“ Schublade gesteckt werden. Die Gefahr, gesellschaftlich geächtet zu werden, und der Schaden, der daraus erwüchse, sind viel zu groß.
Auch die Themen selbst werden immer unübersichtlicher. Wer vor einer Generation bereitwillig über die Gleichberechtigung von Mann und Frau mitdiskutierte und danach auch für die Rechte von Homosexuellen einzutreten lernte, ist schon lange nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Heute wird er von strengen Zeitgenossen ermahnt, mindestens 60 Geschlechteridentitäten wie Transsexuelle, Intersexuelle, Pansexuelle, Genderqueere, Bigender und noch viele andere mehr auseinanderzuhalten.
Wo ist die Diskussion geblieben?
Das ist alles im Einzelnen wahnsinnig gut gemeint und vielleicht auch berechtigt, aber es wird gar nicht wirklich diskutiert. Es findet darüber gar keine richtige Auseinandersetzung statt. Sondern es wird so hektisch und fanatisch verabsolutiert, dass keiner mehr mitkommt. Und ich frage mich: Kann man es überhaupt noch richtig machen ?
Die Stimmung wird also immer gereizter. Und diese gereizte Stimmung schlägt immer öfter und immer heftiger um in Ausbrüche offener Intoleranz. Nur dann eben völlig übertrieben. Wenn Sie bei einem Dampfkessel alle Überdruckventile verstopfen, kommt es irgendwann zur Explosion. Wäre es da nicht viel sinnvoller, die Ventile wieder freizulegen und funktionstüchtig zu machen? Also: Die Auseinandersetzung, die Meinungsverschiedenheit wieder zu fördern und zu kultivieren? Denn wir verlernen ja die Streitkultur!
Der größte Schwachsinn
Wir werden unfähig, unterschiedliche Meinungen auszuhalten. In vielen amerikanischen Universitäten gibt es heute sogenannte Safe Spaces – das sind Räume, in denen die Studenten sich zurückziehen können, um vor Meinungen, von denen sie sich angegriffen fühlen, geschützt zu sein.
Was für ein Irrsinn! Diese armen „Schneeflöckchen“ werden doch geradezu ermuntert, emotional und mental zu Kleinkindern zu regredieren, wenn sie von jedem intellektuellen Reiz und jeder fremden und störenden Information ferngehalten werden. Gerade Universitäten sollten doch Orte sein, wo junge Menschen etwas von der Welt erfahren und lernen, mit ihr zurechtzukommen.
Deshalb habe ich mir gedacht, vielleicht muss einfach jemand den Anfang machen. Und das habe ich – mit meinem Buch „Wer Frieden will, muss streiten können: Eine Aufforderung zur Political Directness!“ Darin erfahren Sie, wie eine funktionierende Streitkultur aussieht und wie Sie endlich wieder offen Ihre Meinung sagen können.
Vielleicht möchten Sie mich ja auf dem Weg zu mehr Direktheit begleiten – ich würde mich freuen.