Foto: EDITION F

Jeden Tag aufs Neue: Antrieb und Freiheit

Die eigenen Maßstäbe und Ansprüche sind hoch. Und manchmal werden sie zum Fallstrick und verstellen den Blick auf das, was unsere Leidenschaft weckt.

 

Fernab von Nine to Five

Nine to Five. Acht Sunden Arbeit. Der Klassiker. Mein Leben findet außerhalb dieser Welt statt. Augen auf, Handy an: Kalender, EDITION F, Spiegel Online, Whatsapp, Facebook. Ungefähr in dieser Reihenfolge startet mein Tag. Und das noch im Bett. Badroutine, das Handy auf der Ablage. Wenn es klingelt, während ich noch unter der Dusche stehe, schaue ich zumindest einmal kurz auf dem Display, wer es ist. Anziehen und ab aufs Fahrrad. 15 Minuten, in denen das Telefon in der Tasche auf dem Gepäckträger verstaut ist. Stressig. Arbeit überall. Könnte man denken. Und doch radele ich an den meisten Morgen mit einem Lächeln im Gesicht vom Prenzlauer Berg aus ins Büro. Mein Antrieb, meine Leidenschaft: EDITION F.

Wie die Zeit verfliegt

In der letzten Tagen flatterten auf LinkedIn einige Nachrichten herein: Herzlichen Glückwunsch zum Firmenjubiläum. „Was? Ach ja.“ Die digitale Post hat mich nachdenklich gemacht. Denn es gibt Momente, in denen die Zeit ein doppeltes Gewand trägt, sie sich gleichzeitig wie ein Augenblick und eine Ewigkeit anfühlt. Und man feststellt, dass man sie schon eine Weile nicht mehr wahrgenommen hat. Letztes Jahr, letzte Woche, gestern. Es ist wahnsinnig viel passiert. Ein Jahr ist seit unserer Gründungsentscheidung vergangen und doch fühlt es sich so nah an – der Augenblick, an dem Nora und ich beschlossen, dass wir jetzt loslegen, wir die ersten Ideen entwickelt haben oder die ersten Pitches bei Investoren hatten. Tausend Momente, neue Erfahrungen, Herausforderung. Gefüllt mit Freude und Neugier – weil sich jeder Augenblick wie ein neues Abenteuer, ein großer Schritt anfühlt, und manchmal mit großer Sorge und Angst – weil jede Entscheidung eine große Tragweite hat, für das Unternehmen, für Mitarbeiter, für uns, für mich. 

Die Konsequenzen sind einem selten bewusst, wenn man etwas Neues beginnt: Nora schrieb erst vor kurzem über die Einschnitte im Privatleben. Und die Momente, in denen einem dies bewusst wird. Dass der Antrieb einen manchmal zum Angetriebenen werden lässt.  

Perfektion – Ist das das Ziel?

Den Satz „Wer zufrieden ist, hat schon verloren“, formulierte Regine Sixt, Unternehmerin und Geschäftsführerin der gleichnamigen Autovermietung, freudig und mit einer schwungvollen Handbewegung vor einigen Wochen auf der Bühne der DLD Women Konferenz in München. „Na klar, da hat sie Recht“, dachte ich. Gefolgt von einem „Wirklich?“ Denn was steckt hinter diesem Satz: Ein Streben nach Perfektion, nach steter Erneuerung und andauernder Innovationskraft? Schlagworte, die man überall dort hört, wo Erfolg groß geschrieben wird. Dem entgegen steht die Work-Life-Balance, die Gratwanderung, die uns motiviert und doch distanziert den Arbeitsalltag gestalten lassen soll. 

Perfektion jedenfalls ist etwas, das mir gerade weit entfernt scheint. Denn mein Leben verfällt einem routinierten Chaos – zwischen Tagesgeschäft, Terminen, Events, Business-Reisen, Sport und Freunden. Und auch im Startup geht es ja vor allem ums Ausprobieren. Um alles, außer einem klaren Fahrplan. Darum, auch mal mutig in die fasche Richtung zu laufen. 

Und dann stößt man sich doch an der glatten Oberfläche der Perfektion, dem Idealbild, wie sich Nutzerzahlen oder Umsätze entwickeln sollen – Maßstäbe, an denen man gemessen wird. An denen man sich messen lässt. Und man sich in erster Linie selber misst. 

Perfektion adé, Motivation ahoi

An neuen Ideen und Zukunftsplänen mangelt es nicht, zumindest nicht, wenn Nora und ich wieder einmal aus einem kleinen Funken ein ganzes Feuerwerk durch unser Gedanken-Ping-Pong entstehen lassen. Und doch sitzen einem manchmal Zweifel im Nacken. Die Maßstäbe. Die Ziele. 

Und dann gibt es Momente, in denen man sich davon komplett befreit fühlt. So einen Moment habe ich erst letzte Woche erlebt: Nora und ich saßen mit Ciarán O’Leary, Partner beim Investment Funds Earlybird, beim Mädchenitaliener. Wir haben gesponnen – Ideen, wie sich EDITION F und die Community weiterentwickeln können oder wen wir zu einem Workshop einladen, um möglichst unterschiedliche Perspektiven, Erfahrungen, Meinungen und Fähigkeiten an einen Tisch zu holen. Es ging nicht darum, den Königsweg zu definieren, sondern darum, in Bewegung zu kommen, Gedanken zu entwickeln, die auch fern der eigenen Grenzen und Muster stattfinden. Es ging nicht um Maßstäbe, Erwartungen oder Bewertungen. 

Als wir uns verabschiedeten waren Nora und ich gleichermaßen beflügelt. Getragen von der Freiheit, die das Gründen für uns schon vor der Entscheidung dafür bedeutete. Die Freiheit, die man manchmal aus dem Blick verliert, wenn man dem eigenen Ideal nachjagt, der vermeintlichen Perfektion. Und den eigenen Maßstäben gerecht werden will. Aber dieser Abend hat das Gefühl wieder präsent werden lassen, mich den eigenen Antrieb und die Leidenschaft spüren lassen, die Freiheit, Ideen entstehen zu lassen und neue Wege zu gehen  – mit Nora, mit unserem Team, unseren Investoren und vor allem mit unseren Lesern und Nutzern.

Wahrscheinlich ist es die Freiheit, Gedankengrenzen zu durchbrechen und nicht zufrieden, sondern voller Tatendrang zu sein, genau das, was auch Regine Sixt mit ihrem Satz „Wer zufrieden ist, hat schon verloren“ meinte. Und zu dem ich jetzt nur sagen kann: „Na klar, da hat sie Recht.“

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