Alltagssexismus ist ein bekanntes Problem. Unsere Gesellschaft ist geprägt von spezifischen Geschlechterrollen, die uns durch Kommentare, Erziehung oder Medienprodukte eingeflößt werden. Warum sollte es nicht in Ordnung sein, dass ein Vierjähriger Regenbogenstrumpfhosen trägt, sich eine Barbie zu Weihnachten wünscht und ,,wie ein Mädchen weint’’, wenn er etwas ungerecht findet.
Hinweis: Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine Meinung. Da wir das Thema gerne von möglichst allen Seiten beleuchten wollen, haben wir noch andere Personen nach ihren Einschätzungen gefragt. Update folgt.
Hashtags können auch Aktivismus
Genau mit dieser Fragestellung beschäftigte sich gestern das Hashtag #WasIchLernte der Kampagne ,,Pink Stinks’’ auf Twitter. Zahlreiche Frauen und Männer brachten das Hashtag innerhalb kürzester Zeit in die Twitter Trends. Kein Wunder, da uns alltäglich vor Augen geführt wird, was Jungs und Mädchen zu mögen haben. Mädchen müssten besonders Acht auf sich geben, stets aufpassen, wie sie sich präsentieren, aber bloß nicht allzu zielstrebig sein, denn dann würde sie ja eh kein Mann mehr wollen. Jungs sollten kurze Haare tragen, dem Vater im Garten helfen und eine Begeisterung für Sport haben, denn alles andere wäre ja verdächtig. Verdächtig? Verdächtig nach Individualismus? Nach Selbstbestimmung oder persönlichen Vorlieben?
Klar, die Debatte um solche Geschlechterrollen ist alt und bekannt. Man weiß, dass es nicht unbedingt verwerflich ist, wenn ein Vierjähriger mit Barbies spielt. Dennoch sind diese Geschlechterrollen so sehr in unsere Gesellschaft etabliert, dass wir sie stets im Hinterkopf haben. Ein Hashtag ist eine gute Möglichkeit, um auf die Banalität dieser Vorurteile oder Rollenzuordnungen aufmerksam zu machen. Menschen sammeln verschiedene Gedanken zu einem Oberbegriff, sei es um auf eine Problematik aufmerksam zu machen oder aus bloßem Zeitvertreib.
Zerstören Trolle tiefgründige Hashtags?
Zeitgleich zu #WasIchLernte kursierte auch das Hashtag #VersteckDichNicht auf Twitter. Menschen mit selbstverletzenden Verhaltenszügen wollten sich gegenseitig Mut zusprechen, ihre Narben, nicht mit Stolz aber selbstsicher und ungehemmt, in der Öffentlichkeit zu zeigen, um sich nicht mit langen Hosen oder Shirts bei hohen Temperaturen zu quälen. Schnell wurden jedoch sogenannte Trolle auf das Hashtag aufmerksam und tweeteten Kommentare darüber, bei welchem Aussehen man sich doch verstecken sollte oder dass Narben widerwärtig wären. Der eigentliche Sinn des Hashtags ging so verloren. Die gute Sache dahinter, die Menschen Mut machen sollte.
Trolle sind allgegenwärtig im Internet vertreten. ,,Als Troll bezeichnet man im Netzjargon eine Person, welche Kommunikation im Internet fortwährend und auf destruktive Weise dadurch behindert, dass sie Beiträge verfasst, die sich auf die Provokation anderer Gesprächsteilnehmer beschränken und keinen sachbezogenen und konstruktiven Beitrag zur Diskussion enthalten“, heißt es bei Wikipedia.
Sie nehmen zu jeglichen Themen Stellung, oft in humorvoller und tiefschwarzer Art & Weise. Ebenso überschreiten diese oft eine gewisse Grenze zwischen Spaß, Asozialität und Dreistigkeit. Aufmerksam machen wollen Trolle mit derartigen Kommentaren auf die Banalität von selbstinszenierenden Hashtags, die nicht auf Plattformen wie Twitter gehören würden. In gewisser Weise haben sie damit auch Recht, doch sollte man Menschen, die die Zuflucht des Internets als Ort der Anonymität suchen nicht unterstützen? Oder ihnen wenigstens gewähren Gleichgesinnte zu finden anstatt einen Storm an banalen Tweets auszulösen, um auf angebliche Banalitäten für das Internet hinzuweisen?
Was tun gegen Trolle?
Man kann sich sicher sein, dass bei allen ernsteren Themen Trolle ins Geschehen eingreifen und versuchen, mit bewusst provokativen Kommentaren die Diskussion anzuheizen. Dies kann bis zu einem gewissen Punkt die Situation bereichern. Mittlerweile gehören diese auch zur Internetlandschaft dazu, vor allem auf Twitter. Doch ist jene Anti-Haltung und stetige Angriffslust oft Fehl am Platz. Jemand tweetete im Rahmen von #WasIchLernte, dass ,,feministische Hashtags immer nach hinten losgehen würden’’. Das stimmt auch. Weil Trolle eben genau die engstirnigen Kommentare zu beispielsweise Geschlechterrollen auffassen, ,,witzige’’ Sprüche über Homosexualität machen oder mit antisemitischen Parolen um sich tweeten, um Verfechter von Feminismus aus der Reserve zu locken. Klar, ein Hashtag kann (noch) nicht die Welt verbessern, kann schlechte Gedanken oder Gewohnheiten nicht aus Menschen löschen, doch er kann Menschen virtuell zusammenbringen, die zu einem Thema etwas beitragen wollen.
Mit #WasIchLernte sollte nur auf ein Thema aufmerksam gemacht werden. Sexismus. Ob und inwiefern man sich für die Thematik schlussendlich interessiert bleibt jedem selbst überlassen. Doch erinnern Trolle oft an den Klassenclown, der abfällige Kommentare abgibt und bei Nachfragen der Lehrkräfte behauptet, etwas ganz anderes gemeint zu haben. Vergessen darf man hierbei aber nicht, dass auch Trolle eine wichtige Position im Meinungsbild des Internets einnehmen. Sie wissen über aktuelle Debatten Bescheid, greifen jene auf und bilden sich eine Meinung zu dem Thema. Ob die Aufbereitung der Meinungswiedergabe als tiefschwarzer humoristischer Kommentar stets anwendbar ist, ist fraglich. Dennoch sollte man den Trollen zu Gute führen, dass sie ihre Online-Affinität dazu nutzen, um ein Hashtag, wenn auch oft zweckentfremdet, zu pushen oder um die Notwendigkeit eines Hashtags in Frage zu stellen. Schlussendlich bleibt festzuhalten: Hashtags sind gut. Gut, um auf Probleme oder Debatten aufmerksam zu machen. Gut, um Menschen zusammen zu führen. Gut, um von anderen Menschen gesehen zu werden. Und wenn Trolle so etwas mehr Aufmerksamkeit darauf lenken, ist das gut so.
Marike arbeitet bei der Social News Plattform HashtagNow, die Themen und Trends direkt aus den sozialen Netzwerken wie Twitter und Instagram zieht, aufbereitet und durch Hintergründe ergänzt. Folge @hashtagnow_de auf Twitter, um auf dem Laufenden zu bleiben, welche Themen aktuell diskutiert werden.
Screenshots von Twitter: @Schaefchenwelle, @Anne_Herbold, @suessiRU, @bokuwaeru