“Von allem Geschriebenen liebe ich nur das, was einer mit seinem Blute schreibt. Schreibe mit Blut: und du wirst erfahren, dass Blut Geist ist.”
– Nietzsche
Ich schreibe nicht um meine Gedanken in Worte zu fassen, nicht um meine Gedanken zu übersetzen. Ich schreibe, um die Fähigkeit meines Denkens zu wahre
Für mich ist die Schrift, der geschriebene Gedanke, eine Möglichkeit zur Erweiterung meines Denkens. Doch dieses Denken ist nicht an sich bereits da. Es benötigt für seine Existenz und ihre Entfaltung im Schreiben das Freisein. Dieses Freisein ist ein Resultat der Fähigkeit des Wahrnehmens und der Fähigkeit des Verbindens. Wahrnehmen und Verbinden ist also der Ursprung meines Schaffens. Es ist der Ursprung des Freiseins. Beide Prinzipien bedingen sich. Sie sind abhängig voneinander. Sie spielen miteinander. Durch dieses Spielen kann sich das Schaffen entfalten.
Im Allgemeinen beruht Wahrnehmung auf dem Gedanken der Selbstauflösung, der Objektivierung. Ich schreibe im Wahrnehmen erwacht auf das Wahrnehmen bedacht, denn Philosophie, die Liebe zur Weisheit, ist für mich lernen wahrzunehmen – Wahres anzunehmen. Es ist das Annehmen unbekannter Gedanken, fremder Kulturen, fremder Herzen, welches unsere Herzen öffnet und neue Wege zulässt. Das Annehmen lässt zu, es öffnet sich. Durch dieses Öffnen kann es sich ausstrecken und Neuem begegnen. Es kann sich verbinden und frei sein.
Das Wahrnehmen ist kein Wahrnehmen durch reines Wissen im Sinne einer akademischen Philosophie. Die Weisheit der Philosophie sollte ersucht, gelehrt und erfahren werden. Dieses Erfahren lerne ich im Dialog. Das Wandern eröffnet mir die Welt. Ich bin eine Philosophin, die das Gefühl, die Empfindung in ihrer Philosophie nie trennen will. Meine Philosophie versucht den Geist, die Theorie mit dem Herzen, dem Leben zu verbinden.
Ich betreibe eine Philosophie aus Leidenschaft, aus Liebe zum Leben. Ich fordere auf wahrzunehmen, sich zu öffnen, Fremdes zuzulassen und Verbindungen zu schaffen. Nur unter dieser Voraussetzung wird der Mensch sich von den vorgegebenen Dogmen lösen. Nur unter dieser Voraussetzung wird der Mensch lernen wahrhaft Mensch zu sein. Nur dann wird er frei sein.
Meine Philosophie zielt auf das Freisein ab. Dieses Freisein als “In der Welt sein” ist das Resultat der beiden bereits erwähnten Prinzipien. Unsere Aufgabe ist es nun Verbindungen zuzulassen, indem wir uns öffnen und die Welt bejahen. Wie auf der Walz stehen Dialog und Wahrnehmung im Zentrum der Reise. Nur der, der sich zu öffnen lernt, wird aus dieser Reise lernen und frei sein.
Als Philosophin will ich die Welt sehen, will ich verstehen. Als Pianistin will ich die fernen Klänge dieser Welt wahrnehmen, will ich hören. Als Poetin will ich die Worte dieser Welt lieben lernen, will ich fühlen. Ich will mich auf den Weg machen, inspiriert durch die großen Wanderer dieser Welt, inspiriert durch Zarathustra, durch Siddharta, Rene Descartes, Ilja Trojanow, Clärenore Stinnes, Aristoteles, Keyserling und all diejenigen, die den Mut hatten frei zu sein.
„Ich wünsche mir freie Geister zu Lesern, … die fähig sind, zeitweilig ihre gewohnten Standpunkte zu verlassen, … und im produktiven Selbstdenken gefördert werden wollen.“ – Hermann Graf Keyserlingk
Anna Wimmer
Diesen Blogbeitrag hat Anna Wimmer bereits im Juli 2016 für Street Philosophy geschrieben. Wir lassen ihn hiermit neu aufleben!