Ein französisches Frauenkollektiv mit der Schauspielerin Catherine Deneuve an der Spitze veröffentlichte einen offenen Brief, in dem sie die #MeToo-Debatte und den Feminismus verurteilen. Das ist eine Farce. Ein Kommentar von Till Eckert bei unserem Partner Ze.tt.
Ein großes Missverständnis
Sie warnen vor einer totalitären Gesellschaft und verteidigen „eine Freiheit, jemandem lästig zu werden, die für die sexuelle Freiheit unerlässlich ist“. Abgesehen davon, dass Belästigung egal wem gegenüber nicht mit sexueller Freiheit verwechselt werden sollte: Was auch immer die Frauen zu diesem Brief geritten hat, sie alle haben da etwas gewaltig missverstanden.
Es geht nicht um eine Legitimation für kollektiven Männerhass
Die #MeToo-Debatte hat für Wirbel gesorgt. Zurecht. Sie ermöglichte etlichen Frauen auf der Welt, ihr Schweigen zu brechen und offen über erschreckende Erlebnisse zu berichten. Über Herabwürdigungen im Alltag. Über Sexismus am Arbeitsplatz. Über sexuelle Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung, bei Dates und in Beziehungen.
Ein empathischer Mensch würde daraus resultierend sagen: Das ist schrecklich, wir sollten schleunigst dafür sorgen, dass Frauen solche Erfahrungen nie wieder machen müssen. Bei der Lösungssuche kommt dann der moderne Feminismus ins Spiel, der Geschlechterrollen aufbrechen und Frauenrechte stärken möchte und das gleichberechtigte Leben aller anstrebt – denn ganz gleich, was kleine, extremere Strömungen der Bewegung fordern, das bleibt der Kern.
Andere Menschen fassten #MeToo jedoch so auf: Die sollen mal nicht so übertreiben, das gilt nicht für alle und nicht jeder Mann ist per se ein übergriffiger Sexist und überhaupt ist gar nicht gesichert, ob die Geschichten alle stimmen und wirklich so schlimm waren. Der offene Brief der Frauen hinter Deneuve schlägt in eine ähnliche Kerbe. Sie befürchten ein Klima des Männerhasses, in dem Männer etwa zur Kündigung gezwungen werden könnten, obwohl sie sich lediglich beim Flirten dumm angestellt hätten. Das ist eine Farce, denn darum geht es überhaupt nicht.
Es ging nie darum, Männerhass zu legitimeren und alle Männer vorzuverurteilen. Oder darum, ob die Geschichten für alle Frauen gelten, sie alle mehr oder weniger dieselben Erfahrungen machten oder diese gleich auffassten. Es geht auch nicht darum, jemanden ins Gefängnis zu stecken, nur weil er sich unbeholfen gegenüber Frauen benimmt.
Es geht darum, diese Menschen anzuprangern, die keine Grenzen für sich akzeptieren wollen oder können, weder moralisch noch sexuell. Und sie dafür zur Rechenschaft zu ziehen, wenn sie sich ihren Mitmenschen gegenüber permanent übergriffig verhalten. In letzter Konsequenz geht es darum, dass wir alle gleichberechtigt leben können, ohne Angst und Missvertrauen.
Es geht darum, sich besser einfühlen zu können und große Ungerechtigkeiten zu überwinden
So viel Denkleistung braucht es dazu übrigens gar nicht: Wer als Mann meint, er könne sich am Arbeitsplatz verhalten wie im Club und Frauen für das kurze Kleid loben oder die Hand aufs Knie legen, sollte schleunigst einmal in sich gehen. Wer meint, er dürfe sich von Frauen ungefragt nehmen, was er will, oder denkt, sie seien schutzbedürftige Sonderwesen, ebenfalls.
Der Feminismus und die #MeToo-Debatte bringen lediglich Ungerechtigkeiten ans Licht, die schon lange schwelen und immer noch nicht überwunden sind. Vielen Frauen hat das geholfen, sich endlich öffnen zu können.
Mit etwas Glück denken Männer mit ähnlichen Zügen wie Harvey Weinstein durch solche Denkanstöße künftig etwas weiter, als ihr Penis lang ist und sehen in Frauen weder Sexfleisch noch einen Selbstbedienungsladen noch zweitklassige Kolleginnen noch das vermeintlich schwache Geschlecht noch zarte Pflänzchen, sondern schlicht und einfach: Menschen.
Dass die Frauen hinter Deneuve das Thema derart in die falsche Richtung aufplustern, hilft dagegen niemandem, sondern treibt die Diskussion ad absurdum.
Der Originaltext von Till Eckert ist bei unserem Kooperationspartner ze.tt erschienen. Hier könnt ihr ze.tt auf Facebook folgen.
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