Ein ausgeglichenes Verhältnis von Männern und Frauen ist für viele Unternehmen noch immer Zukunftsmusik – vor allem wenn man einen Blick in die Führungsetagen wirft. Meike Jordan, Head of HR bei dem Berliner Technologie-Unternehmen Productsup, sieht dabei in dem mangelnden Selbstvertrauen vieler Frauen ein großes Problem. Female Networks sind deshalb für sie ein wichtiger Faktor, um Frauen, sowohl in Führungspositionen als auch zu Beginn ihrer Karriere, die nötigen weiblichen Vorbilder zu vermitteln.
Liebe Meike, warum sind Female Networks deiner Meinung nach heutzutage so wichtig?
Meike Jordan: Die treffendste Antwort auf diese Frage liefert ein Blick in die Führungsetagen. In vielen deutschen Unternehmen wird diese nämlich noch immer von Männern dominiert. Da fragt man sich doch: Wie kann so etwas sein? Denn es ist keineswegs so, dass es nicht genügend Frauen gibt, die für eine Stelle an der Spitze nicht mindestens ebenso qualifiziert wären. Eines der Kernprobleme: Viele Frauen trauen sich eine solch verantwortungsvolle Position oft selbst nicht zu. Habe ich genug Erfahrung? Was, wenn etwas schiefgeht? Und schaffe ich es wirklich, den Job mit meiner Familie zu vereinen? Männer können die Selbstzweifel, die Frauen häufig hegen, einfach nicht nachvollziehen. Deshalb ist es wichtig, sich mit anderen Frauen zu vernetzen, denen solche Sorgen nicht fremd sind. Sie können besser zuhören, verstehen und auch ermutigen, den nächsten Schritt zu gehen. Sie können als Vorbilder fungieren.
Bist du selbst in einem oder mehreren Netzwerken aktiv?
Meike Jordan: Ich bin ein großer Fan von dem Netzwerk Panda, das sich an Frauen in Führungspositionen wendet, und auch von der Female Future Force, die von Edition F ins Leben gerufen wurde. Bei beiden nehme ich regelmäßig an Events teil.
Wie sieht diese Form des Vernetzens konkret aus?
Meike Jordan: Die Möglichkeiten, die die einzelnen Netzwerke ihren Mitgliedern bieten, sind ganz unterschiedlich und hängen auch von der Zielgruppe ab, die angesprochen werden soll. Das reicht vom Networking-Frühstück und geht über spezielle Abendveranstaltungen bis hin zu individuellen Führungs-Coachings. Deshalb rate ich jedem, der mit dem Gedanken spielt, in einem Female Network aktiv zu werden, sich zuerst einmal online zu informieren, welches Netzwerk das richtige ist. Dabei hilft es auch, sich die Frage zu stellen, was man sich genau davon verspricht. Was möchte ich beruflich erreichen? Welche Leute muss ich treffen, um davon zu profitieren? Bei akuten Fragestellungen können auch Online-Foren der Female Networks weiterhelfen. Dort stehen die Mitglieder oft rund um die Uhr mit fachmännischem Rat zur Seite. Das hat auch mich selbst schon häufig weitergebracht.
Wo du gerade über deine eigenen Erfahrungen sprichst… Wie kam es denn, dass du dich selbst nach einem Female Network umgesehen hast?
Meike Jordan: Als ich bei Productsup anfing, war das Unternehmen noch deutlich kleiner, als es heute ist. Meine Aufgabe war es, den HR-Bereich aufzubauen und ich muss sagen, dass mir die Kontakte zu anderen HRlern damals ungemein weitergeholfen haben – und das tun sie auch heute noch. Damals hatte ich keine Ahnung, wo ich anfangen soll. In dem Netzwerk Purple Squirrel Society, das speziell auf den HR-Bereich ausgerichtet ist, traf ich auf viele andere meines Fachs, die ähnliche Herausforderungen, vor denen ich damals stand, bereits erfolgreich gemeistert hatten. Als es um meine Entwicklung als Führungskraft ging, habe ich mich dann vor allem an Panda gewandt, wodurch ich maßgeblich von den Erfahrungen anderer Frauen aus allen möglichen Geschäftsbereichen profitieren konnte. Ich denke, das ist der große Pluspunkt, den Frauen in Führungspositionen für sich nutzen sollten. Wer könnte ihnen besser zeigen, dass alles möglich ist, als eine Frau, die genau dasselbe schon erlebt hat?
Und warum würdest du es auch gerade jungen Frauen am Anfang ihrer Karriere empfehlen, entsprechende Veranstaltungen zu besuchen?
Meike Jordan: In vielen Branchen fehlen einfach noch immer die weiblichen Vorbilder. Bei Networking-Veranstaltungen auf Frauen zu treffen, die bereits eine Karriere gemacht haben, die man sich für sich selber wünscht, kann deshalb sehr motivierend sein und neue Perspektiven eröffnen. Welche Möglichkeiten habe ich in meiner Branche? Oder gibt es vielleicht einen ganz anderen Weg, der noch besser zu mir passt? Manchmal stößt man tatsächlich auf spannende Arbeitsbereiche, die man vorher noch gar nicht für sich in Betracht gezogen hat – und dasselbe gilt natürlich auch für potenzielle Arbeitgeber. Durch Podiumsdiskussionen, Infovorträge und vor allem durch persönliche Gespräche kommt man auch mit Geschäftsführerinnen schnell in Kontakt. Und was kann eine Karriere besser beflügeln, als dem potenziellen neuen Chef bei einem Glas Wein schon einmal die Hand geschüttelt zu haben?
Weibliche Vorbilder sind also richtig und wichtig. Doch was antwortest du Kritikern, die behaupten, dass Female Networking Männer bewusst ausgrenzt?
Meike Jordan: Ich kann verstehen, wenn manche so empfinden. Tatsächlich ist dem aber nicht so, wie die Female Future Force auf ihrer eigenen Konferenz durch die zahlreichen männlichen Speaker beweist. Männer sind auf den Networking Events also ebenso willkommen wie Frauen – nur trauen sie sich viel zu selten.
Auch würde ich von meinen eigenen Erfahrungen berichten, denn ich bin der Meinung, dass diese gut demonstrieren, weshalb Female Networks so wichtig sind. Auch ich habe mir anfangs viel zu wenig zugetraut. Hätte ich zu Beginn meiner Arbeit bei Productsup gewusst, dass ich schon nach kurzer Zeit die Verantwortung für meine ersten Teammitglieder übernehmen würde, hätte ich den Job wahrscheinlich nicht angenommen. Bei den Netzwerken geht es darum, genau solche unbegründeten Ängste zu nehmen. Ich würde mir wünschen, dass viel mehr junge Talente die Unterstützung erhalten, um den nächsten Karriereschritt zu wagen, damit Frauen im Chefsessel bald endlich eine Selbstverständlichkeit sind.
Danke, Meike, für das Interview und deine spannenden Antworten.