Über viele Jahre hinweg wurde die Leistung von Firmeninhaberinnen für die deutsche Wirtschaft unterschätzt – dabei sind es Frauen, die zukunftsentscheidende Akzente setzen.
Frauen in unternehmerischer Verantwortung – eine Ausnahme?
Stephanie Bschorr ist Präsidentin des Verbands deutscher Unternehmerinnen. Außerdem ist sie Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft mit 80 Mitarbeitern. Für unseren Partner Capital schreibt sie über die unternehmerische Verantwortung von Frauen:
Die ökonomische Leistung der Frauen im deutschen Mittelstand wurde über viele Jahre hinweg nur wenig wahrgenommen, dabei hatten und haben Frauen wesentlichen Anteil an der wirtschaftlichen Prosperität unseres Landes. Frauen in unternehmerischer Verantwortung wurden zu Unrecht als Ausnahmeerscheinung betrachtet. Noch bis in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts galten despektierliche Bemerkungen wie „Frauen soll man lieben, aber keine Geschäfte mit ihnen machen“ als Bonmots und wurden sogar in Wirtschaftszeitschriften gedruckt.
Unterschätzt wurde der Beitrag weiblicher Firmeninhaber auch in der Wissenschaft. Offenbar war man vom Katheder aus zu sehr gewohnt, die männliche Unternehmerfigur in den Fokus zu rücken und darüber die Leistung der weiblichen Firmenangehörigen zu vernachlässigen. So wurden in der Forschung zur Geschichte des Kruppkonzerns der Gründerwitwe Therese Krupp eigene unternehmerische Fähigkeiten geradezu abgesprochen, obwohl sie zwanzig Jahre an der Spitze des Unternehmens wirkte – während ihrem Sohn, dem damals vierzehnjährigen Alfred Krupp, solche Kompetenzen attestiert wurden.
Bekannte Unternehmerinnen wie Margarete Steiff oder Käthe Kruse wurden in der wirtschaftshistorischen Literatur als Ausnahmen in einer männlichen Wirtschaftswelt beschrieben, obwohl die Gewerbestatistik schon zu Zeiten des Deutschen Kaiserreiches Ende des neunzehnten Jahrhunderts einen Frauenanteil von fast einem Viertel unter allen unternehmerisch Tätigen auswies.
Frauen holen auf in Sachen Selbstständigkeit
Über alle Wechselfälle der ökonomischen Entwicklung hinweg ist dieser Anteil seither langsam, aber fühlbar gewachsen und zudem gesellschaftlich sichtbar geworden. Unternehmerinnen sind heute in Wirtschaft und Gesellschaft ebenso selbstverständliche wie selbstbewusste Marktteilnehmerinnen.
Zwar sind es wie in der Vergangenheit in der Mehrzahl Männer, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Bei den Männern liegt diese Quote bei rund 13 Prozent der erwerbstätigen Männer, bei den Frauen mit 7,5 Prozent nur gut halb so hoch. Doch insgesamt betrachtet wächst die Zahl der unternehmerisch tätigen Frauen. So ist heute eine von drei Selbstständigen eine Frau, Tendenz leicht steigend. Besonders beachtlich ist, dass die Zuwachsrate bei den weiblichen Selbstständigen in den zehn Jahren zwischen 2002 und 2012 mit einem Plus von 35 Prozent deutlich höher ist als die Zunahme der männlichen Selbstständigen, die im selben Zeitraum um 15 Prozent gestiegen sind.
Dieser Trend setzt sich offenbar fort: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2013 43 von 100 Unternehmen von einer Frau gegründet. Frauen holen also auf in Sachen Selbstständigkeit. Ebenso gilt das für die Erwerbstätigkeit generell. Mit knapp drei Vierteln erwerbstätiger Frauen nimmt Deutschland im europäischen Vergleich inzwischen einen Spitzenplatz ein. Es sind vor allem die Frauen, auf die der Rekordstand der Beschäftigung in Deutschland zurückzuführen ist.
Chefinnen legen mehr Wert auf eine gute Mitarbeiterbindung
Mehr erwerbstätige Frauen, mehr unternehmerisch tätige Frauen – und auch im Bereich der Führungspositionen ist mit der jetzt beschlossenen Quote für Aufsichtsgremien Besserung in Sicht: Schritt für Schritt ergänzen und erweitern Frauen nicht nur ihre eigene Teilhabe an der Wirtschaft, sondern zugleich die Perspektiven unternehmerischen Wirkens.
Frauen setzen eigene Akzente. Bei Firmengründungen tendieren sie in der Regel zu kleineren Unternehmen. Frauen sind meist risikoaverser als ihre männlichen Kollegen und bevorzugen einen langsamen Unternehmensausbau anstelle einer raschen Erweiterung. Aber Frauen gründen nicht nur anders, sie führen ihre Unternehmen auch anders: Chefinnen legen signifikant mehr Wert auf eine gute Mitarbeiterbindung als die Vergleichsgruppe der männlichen Entscheider. Zudem leben Unternehmerinnen eine deutlich größere Flexibilität bei der Arbeitszeit: Bei den Selbstständigen mit Beschäftigten sind fast fünfmal mehr Frauen als Männer in Teilzeit unternehmerisch tätig.
Wichtig scheint mir: Diese Akzente, die Frauen in die Wirtschaftswelt einbringen, korrespondieren mit den entscheidenden Zukunftsanforderungen für die deutsche Wirtschaft: Flexibilität, Variabilität und Nachhaltigkeit sind in Zeiten des Demografischen Wandels die zentralen Herausforderungen für die Unternehmen in zunehmend diversifizierten Märkten mit hohen Kundenansprüchen. Insbesondere der Mittelstand orientiert sich längst an einem neuen unternehmerischen Selbstverständnis als verantwortungsvoller Wettbewerber und attraktiver Arbeitgeber – sei es in Arbeitsorganisationsfragen, durch Vereinbarkeits- oder Weiterbildungsangebote.
So ist der Mittelstand auch in Sachen Arbeits- und Unternehmenskultur Motor der Entwicklung und setzt Maßstäbe in der starken, aktiven Beteiligung der Frauen in und für unsere Unternehmen.
HINWEIS: Die Veröffentlichung des Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Capital – das Online-Portal des Wirtschaftsmagazins Capital mit Reportagen, Analysen, Kommentaren aus der Welt der Wirtschaft und der persönlichen Finanzen.
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