Ein Manifest für eine neue Männlichkeit.
Im Jahr 2017 war Feminismus omnipräsent. Ob ein Meer pinkfarbener
Mützen beim „womensmarch“ in Washington und zahlreichen internationalen
Metropolen oder die Flut von #metoo-Geständnissen, die nicht nur im Netz für
Furore sorgen, sondern die Gesellschaft jenseits der digitalen Welt nachhaltig in
Aufruhr versetzen. Und das sind nur zwei Beispiele dafür, wie Frauen gerade
Ihre Stimme erheben und etwas bewegen. Feminismus ist gekommen, um zu bleiben.
Das Absurde daran: mit dem Feminismus, der als kritischen
Auseinandersetzung der Geschlechterordnung definiert wird, scheint sich hauptsächlich ein Geschlecht zu befassen – unseres. In sämtlichen Diskussionen wird, von Frauen und Männern gleichermaßen, zwar die alte und neue Rolle der Frauen hoch und runter analysiert, darüber debattiert, was passieren und sich verändern muss, damit unsere Töchter und Söhne in einer Welt aufwachsen, in der Gender Equality von allen gelebt wird. Eine Diskussion über eine neue Rolle des Mannesfindet bislang aber erstaunlichweise kaum statt.
Wie kann es sein, dass die meisten Männer Patriarchalismus und
eine neue Definition der weiblichen Rolle in der Geschlechterordnung befürworten, sich dann aber nur ein Geschlecht – nämlich das weibliche – mit seiner Rolle in eben dieser Ordnung auseinandersetzt und sie neu definiert? Ist das nicht etwa so, als würde in einer Beziehung, die sich negativ entwickelt hat und jetzt so mies läuft, dass beide Partner ihre Schwierigkeiten nicht mehr leugnen können, der Mann am Ende zu seiner Freundin sagen „Na dann, kümmer’ du dich doch bitte darum, dass wir das wieder hinbekommen und ändere dich, Schatz.“
Abseits der Attribute, auf die man uns früher lange reduziert hat, schön und empathisch, begreifen sich Frauen heute als stark, selbstständig, ehrgeizig und unabhängig. Unsere Schönheit und unser Empathievermögen kommen jetzt noch on top. Welche exklusiv männlichen Attribute bleiben den Männern überhaupt noch – abseits dessen, was sich zwischen ihren Beinen befindet? Nicht-körperliche Eigenschaften, die Männlichkeit definieren und dafür sorgen, dass sich ein Mann als Mann fühlt?
Plötzlich ist da die andere Hälfte der Weltbevölkerung, die Männern ihre Männlichkeit streitig gemacht hat. Eigenschaften, die einst oft nur Männern zugeschrieben wurden, gibt es nicht mehr. Aus dem „Mannweib“ oder der Frau „mit Haaren auf den Zähnen“, die diese Eigenschaften offen zeigten, sind wir geworden: Frauen, mit einem veränderten, neuen und endlich unbegrenzten Verständnis ihres wahren Potenzials.
Wir haben uns verändert. Neu erfunden. Und genau diese Chance sollten jetzt auch die Männer ergreifen. Es wird Zeit für einen Maskulinismus!
Machen wir uns nichts vor: Veränderung ist unangenehm. Das menschliche Gehirn ist schließlich nicht dafür gemacht worden, um zu gestalten und die Welt zu hinterfragen. Sondern einzig und allein, um dafür zu sorgen, dass wir überleben. Zwar geht es in der heutigen Welt zum Glück für die meisten
Menschen in Deutschland oder anderen Industrienationen nicht mehr um das
tägliche Überleben. Nur weiß das unser Gehirn leider nicht. Und hängt deshalb an Denk- und daraus resultierenden Verhaltensmustern, die offenkundig
funktionieren und diesem „Überleben“ dienen. Never change a winning – or surviving – team. Eine neue Denkweise und ein neues Verhalten könnten schließlich Konsequenzen haben, die unser Überleben gefährden. Und was könnte uns mehr Angst einjagen als das? Eine Unsicherheit, der sich keiner gern freiwillig stellt.
Aber genau darum geht es: um die Angst vor Veränderung. Weil sie mit einem großen Sack voller Unsicherheiten, Überraschungen und nicht absehbaren Konsequenzen kommt. Seine Denkweisen zu überdenken und damit auch sein Verhalten, erfordert Mut. Wir Frauen wissen, wovon wir sprechen. Aber genau deshalb wissen wir auch, dass Mut immer belohnt wird. Vielleicht nicht sofort, aber garantiert irgendwann.
Umso mehr sollten wir nicht nur uns, sondern vor allem auch den Männern Mut machen. Mut zur kritischen Auseinandersetzung mit ihrem eigenen Rollenbild. Mut sich ihren Überzeugungen zu stellen, die als gesetzt gesehen wurden. Zu hinterfragen, ob man als „Mann“ noch immer auf eine bestimmte Art und Weise zu sein und sich zu verhalten hat. Den Mut aufzubringen mit dem Bild, das die Gesellschaft bisher von Ihnen gezeichnet und ihnen eingetrichtert hat, aufzuräumen. Sich neu zu definieren.
Der Feminismus ist unsere Chance auf eine neue Weiblichkeit.
Der Maskulinismus ist eure Chance auf eine neue Männlichkeit.
Der Preis der Freiheit ist die Angst. Lasst uns gemeinsam Angst haben.
Und trotzdem mutig sein. Zusammen haben wir die Chance auf eine neue Welt.
Freedom is waiting for us, ladies and gentlemen!