Mit einem perfekten Zeitmanagement schafft man mehr, wird effizienter, bekommt der Tag endlich Struktur, richtig? Falsch. Wer Zeitmanagement betreibt, hat im Job bald schlechte Karten.
Ist es wirklich schon so spät, wer hat da an der Uhr
gedreht?
Es scheint als Allheilmittel für einen sauber strukturierten, effizient verbrachten Tag, als Geheimwaffe, um endlich alles unter den Hut zu bekommen, was noch auf der To-Do-Liste stand: Ein gutes Zeitmanagement. Aber was wäre, wenn uns ein striktes Zeitmanagement viel weniger effizient macht als wir dachten?
E-Mails beantworten von 9.00 bis 10.00 Uhr, wichtige To-Dos vor 12.00 Uhr, ein Meeting maximal eine Stunde, Ablage vor 16.00 Uhr, Brainstorming um 17.00 Uhr. Zack, schon ist der Tag rum und man hat so richtig viel erledigt. Aber hat man das wirklich, oder haben wir uns mit der Huldigung des Zeitmanagements reinlegen lassen? Tony Crabbe hat in einem interessanten Stück für Quarz aufgeschrieben, warum ein durchgetakteter Zeitplan wichtige
Arbeitsprozesse zunichte macht.
Wann wurden wir eigentlich so besessen von Zeit?
Wann ging die Sache mit dem Zeitmanagement eigentlich los? Diese
Obsession mit der Zeit begann, natürlich, im Zeitalter der Industriellen
Revolution – während zuvor einzelne Menschen ihren Aufgaben in der Zeit
nachgingen, die dafür notwendig war, mussten nun hunderte Menschen koordiniert werden, die alle zur selben Zeit arbeitenund mit dem selben Rhythmus arbeiten sollten. Schon war die Stechuhr geboren – und das Zitat „Zeit ist Geld“ bei den Unternehmern in aller Munde. Das Rad, in dem wir alle laufen, am besten im Gleichklang und immer jedes Schrittes bewusst, begann sich zu drehen.
Heute braucht es keinen Manager mehr, der uns ein gutes
Zeitmanagement vorpredigt. Wir alle haben diese Aufgabe an uns selbst längst
verinnerlicht, jonglieren mit den Aufgaben, räumen Zeitfenster ein, verschieben
sie wieder, schaffen Zeit und verlieren sie, machen alles und nichts, auf jeden
Fall schnell hintereinander, alles straff getaktet. Und macht es mal einer
nicht, bummelt scheinbar mit Aufgaben herum, weiß nicht genau, wann sie nun
fertig sind oder beantwortet Anfragen, wenn sie denn nun reinkommen, dann schaut man streng und weiß: Das ist nichts, das kann nichts werden, der oder die hält sich auf, hält uns auf, macht den Laden irgendwann noch zunichte. Irgendwie, fast heimlich, sind wir zu Sklaven unserer Selbstmanagements geworden. Aber was bringt Zeitmanagement eigentlich?
Macht uns Zeitmanagement wirklich effektiver?
Zeitmanagement macht uns schon etwas effektiver, wenn man die ein oder andere Studie befragt. Macht man arbeitenden Menschen die Zeit bewusst, in dem man etwa eine gut einsehbare Uhr platziert (was in Zeiten, in denen am Computer gearbeitet wird ja nun gar nicht mehr notwendig ist) dann arbeiten sie mehr. Klingt logisch und ist es auch, denn wer mehr tut, hat das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. Und viel mehr noch: was wir in ein gutes Zeitmanagement hineininterpretieren ist ja, dass es uns irgendwann nach ganz oben führen wird. Mit richtig viel getaner Arbeit, kann es ja nur die Karriereleiter hinaufgehen, oder?
Die Wahrheit ist aber, dass wir heute nie mit der Arbeit fertig werden. Viele von
uns gehen einem Job nach, in dem Produkte nicht aus handwerklicher Arbeit,
sondern aus Denkprozessen, aus Kreativität entstehen. Und da, gibt es einfach
kein Ende. Wo also kann uns das effiziente, konsequente Mehr an Arbeit
hinführen? Dahin, dass sich nach getaner Arbeit einfach noch mehr auftut und
wir noch beschäftigter werden. Dann kommt es noch zu jener E-Mail, zu dieser
Antwort, zu diesem Brainstorming und ach ja, da wollte ich ja auch noch mal
schauen…
Ein Trugschluss: Maximierte Zeit durch immer kleinere
Zeitabschnitte
Indem wir also, bewaffnet mit allerlei Gadgets, unsere Zeit
versuchen zu maximieren, teilen wir sie in immer kleinere Sektionen auf,
schreibt Crabbe. Und während wir das machen, stückeln wir nicht nur unsere
Zeit, sondern auch unsere Aufmerksamkeit. Tiefer in ein Thema eintauchen? Zwei oder gar drei Mal über etwas nachdenken? Etwas verwerfen und morgen noch einmal anpacken? Auf keinen Fall, es ist noch viel zu tun. Was wir dabei aber nicht erreichen ist das, was der Psychologie-Professor und Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi mit der Flow-Theorie beschreibt. Nämlich den Zustand, in dem man in eine Aufgabe wirklich eintauchen, sie verinnerlichen und sich bewusst und intensiv mit ihr beschäftigen kann.
Und sie beschreibt ebenso einen Zustand, der uns glücklich macht. Sich ganzheitlich mit einer Aufgabe auseinandersetzen und sich ganz auf sie einlassen zu können – und dabei die Zeit zu vergessen – macht zufrieden.
Glücklich, kann man also mit der Stückelung der Zeit nicht werden, aber, macht
sie uns denn wenigstens produktiver?
Das macht uns heute effektiv
Um wirklich effektiv zu sein, braucht es zwei Dinge, so Crabbe: Die Fähigkeit,
Prioritäten zu setzen und eine klares Bewusstsein. Und wer wirklich Prioritäten
setzen kann, der fokussiert sich auf die wirklich wichtigen Dinge, und nicht
jene, die offensichtlich erscheinen. Wenn wir unser Bewusstsein jedoch zu stark
auf die Zeit konzentrieren und sich damit Druck aufbaut, dann schmälert sich
die Aufmerksamkeit und es fällt uns schwerer, gute Entscheidungen zu treffen.
Wir schauen auf das was jetzt drängt, was gerade vor uns liegt und schaffen es
es nicht mehr, das Große und Ganze wahrzunehmen sowie was für das Erreichen dieses Ziels wichtig wäre. Und schon das bloße Gefühl davon, Zeit zu verlieren – ohne dass das wirklich der Fall sein muss – führt dazu, dass Aufgaben weniger gut erledigt werden.
Statt also immer mehr Aufgaben in weniger Zeit zu packen, wie man es im industriellen Zeitalter machte, sollten wir uns heute auf das konzentrieren, was uns im digitalen Zeitalter weiterbringt. Hier geht es um Denkprozesse, um Kreativität, um eine genaue Auseinandersetzung mit den immer komplexer werdenden Themen unserer Zeit. Und diese Dinge, die lassen sich eben nicht nach Stechuhr lösen. Woran es uns heute mangelt ist weniger die Zeit, als die uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Wir müssen lernen, diese Ressource wieder mehr in unser (Arbeits-) Leben zu integrieren, um effektiv an die Aufgaben von morgen zu gehen.
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