Wieso ich meine Mutter los lassen musste und was an Weihnachten so schlimm ist
Die schönste Zeit ist für die meisten Menschen die Vorweihnachtszeit. Tolle Märkte, viele Lichter überall, leckerer Punsch, süße Snacks und schrille Weihnachtsmusik an jeder Ecke. Nur für mich ist das eine der schlimmsten Zeiten. Weil es bedeutet, dass bald Weihnachten ist.
Seit ein paar Jahren feier ich Weihnachten nicht mehr Zuhause, wie “jeder normale Mensch”, sondern bei Freunden. Aufreibend ist diese Zeit. Natürlich haben meine Freunde Verständnis und fühlen mit. Nichtsdestotrotz wird mir flauer im Magen und schwindelig zumute, geht es auf den 24. Dezember zu. Natürlich bin ich erwachsen und kann damit super umgehen, jedenfalls versuche ich dies. Und doch brauche ich sehr viel mehr Zeit für mich, sobald der Dezember begonnen hat.
Es ist nicht so, dass ich meine Familie nicht liebe. Nein, das genaue Gegenteil ist der Fall. Ich liebe sie. Und doch musste ich mich von ihr trennen. Von meiner Mutter, meinem Vater. Meine Schwester ist da außen vor, was es nicht einfacher macht. Und es schmerzt. Nur, wurde ich bereits öfter gefragt, wieso hältst du denn diesen Abstand zu deiner Mutter und deinem Vater (wobei zumeist ausschließlich von der Mutter die Rede ist), wenn du sie doch so sehr vermisst? “Schau mal, es macht dich doch total fertig, dass ihr keinen Kontakt habt. Willst du sie nicht mal anrufen?” Ja, als Außenstehender ist sowas schwer nachvollziehbar, wenn man diese Ambivalenz zu erklären versucht. Ich sage dann meistens lediglich: “Ich verstehe, dass du das nicht nachvollziehen kannst. Nur im Moment ist das noch zu früh. Ich bin noch nicht bereit, diesen Schritt zu gehen.”
Es wurde bereits ein wundervoll geschriebener Artikel veröffentlicht, der diese Thematik ebenfalls angeht. Diese Frage, was bzw. wieso es dazu kommt, wenn sich das eigene Kind von den Eltern trennt bzw. von seiner Mutter im Speziellen. In meinem Fall war es so, dass kein Verständnis mehr da war. Jeder Versuch, sich zu öffnen oder gar ein offenes und ehrliches Gespräch zu beginnen, um aufgestaute und weggeschobene Probleme zu klären, schlug fehl. Ich rannte jahrelang gegen eine steinharte Betonwand. Irgendwann gab ich mir selbst die ganze Schuld und das wiederum begann mich innerlich zu zerfressen. Es fühlte sich fast wie ein Trauma an und belastete mich zunehmend. Dann kamen irgendwann Panikattaken und eine Angstsörung hinzu. Einfach, weil es mich so gefühlt mittellos zurückließ, das Wissen, dass ich rein garnichts ausrichten konnte. Dann irgendwann entschied ich, die Konfrontation zu suchen, weil jede andere Methode nichts genutzt hatten. Und seit dieser ist Funkstille.
“Wie ist das eigentlich, wenn du dann Geburtstag hast?” Fragte mich mal ein enger Freund. Ich antwortete darauf nur trocken: “Wenn ich Glück habe, bekomme ich eine SMS von ihr.” Und in Gedanken sage ich weiter: “Manchmal wünschte ich mir, ich würde nicht diese tiefe Loyalität meinen Eltern gegenüber empfinden, diese nicht enden wollende Liebe. Dann würde mich das irgendwann nicht mehr so treffen.” Also nein, ich bin kein Fan von Weihnachten. Nicht, weil ich solche Feste an sich ätzend finde. Eigentlich liebe ich sie sogar. Nur seit dieser Teil vorerst weggebrochen ist, sind genau jene “Veranstaltungen” sowas wie, als würde man bewusst mit der nackten Hand auf die Herdplatte fassen und nochmal ordentlich zudrücken.
Nur eine Frage bleibt: wieso gehe ich diesen Schritt denn nicht auf sie zu, wenn es mich derart schmerzt? Weil ich erkannt habe, mit all dem Abstand, dass es kein Mensch auf der Welt wert ist, sich selbst zu opfern und aufzugeben. Auch nicht die eigenen Eltern.
Ich versuche hiermit, Menschen Mut zu machen, dass sie auf sich aufpassen und sich um sich selbst kümmern sollen, selbst wenn sie einen geliebten Menschen hinten anstellen bzw. verlassen müssen. Manchmal ist es wie mit einem Pflaster: es muss mit voller Wucht abgerissen werden, damit die Wunde heilen kann.