Foto: Photo by Jonny Caspari on Unsplash

Was tun? Was tun!

Ist es Ohnmacht? Ist es Hilflosigkeit? Es ist schwer zu
sagen. Ich habe ein Problem damit, dass unsere Generation so unpolitisch ist.
Wobei ich nicht sicher bin, ob sie wirklich unpolitisch oder eben eher
ohnmächtig ist.

 

 Ich sehe es an mir selbst: Ich halte mich für sehr politisch, verfolge die Nachrichten und gehen gerne ins politische Kabarett, auch wenn mir danach das Lachen fast im Hals stecken bleibt. Aber tue ich etwas aktiv für die Demokratie? Oder denke ich auch nur an mich, wie gefühlt so Viele momentan.

Was kann ich aktiv tun? Diese Frage steht nach wie vor für
mich im Raum und ich habe nach wie vor keine Antwort darauf. Es ist nicht so,
dass ich mich nicht erkundigt hätte – oh nein. Ich hatte sogar den festen
Vorsatz mich sozial zu engagieren, denn demokratische Werte und eine offene
Gesellschaft sind für mich sehr wichtige Anliegen. Keine leeren Slogans,
sondern persönliche Bedürfnisse. Aber bis heute habe ich keinen Ansatzpunkt
gefunden, denn viele Ehrenämter und Engagement sind schlichtweg nicht für
Berufstätige und gerade Berufsanfänger ausgelegt.

Bei einer Freiwilligenbörse, bei der ich mich anmelden
wollte, hieß es ich soll mittwochs um 11:30 in der Geschäftsstelle
vorbeikommen. Als ich das aufgrund meines Jobs absagen musste, flog ich aus der Kartei bevor ich überhaupt aufgenommen wurde.

Das einfachste wäre wohl, einer Partei beizutreten. Ja, mit dem Gedanken spiele ich auch (wieder). Ich war schon einmal bei den Grünen und stehe nach wie vor hinter den meisten Zielen dieser Partei, aber ich bin kein Mensch, der stundenlange Diskussionen mag – und deswegen für die Parteienkultur
eher ungeeignet. Leider.

Ich möchte etwas in der Gesellschaft bewegen! Das klingt so
abgedroschen wie wahr. Ich versuche schon in kleinen Schritten was zu machen,vor allem was Umwelt und Nachhaltigkeit angeht. Aber das sind Themen, bei denen es im Vergleich zur Demokratie wirklich einfach ist, tätig zu werden. Denn dort kann ich als Konsumentin mitreden und entscheiden, ob ich Billigfleisch kaufe oder regionales Gemüse. Ob ich alles in Plastik brauche oder auch mal unverpacktes Obst in den Einkaufswagen lege. Nachhaltigkeit im Alltag fällt mir relativ leicht und dafür begeistere ich gerne andere Menschen: Nicht
alle neuen Produkte haben wollen, Klamotten länger tragen und weniger Auto
fahren – das kann jeder von uns.

Aber wie sieht es denn jetzt mit politischem Engagement aus?
Ich merke, dass in meinem Freundes- und Bekanntenkreis Politik nicht so ein
großes Thema ist. Meistens sind wir uns alle einig: Rassismus ist doof, Trump
sowieso und die AfD ist das Schlimmste was dem Bundestag passieren konnte. Und weiter? Nichts weiter, wir schneiden das Thema kurz an und gehen alle wieder heim. Im direkten Umkreis haben wir Einfluss – aber auf Menschen, die,
abgesehen von manchen älteren Familienmitgliedern, sowieso offen und
tolerant sind. Denn sonst wären wir ja nicht mit ihnen befreundet.

Aber trotzdem fühle ich mich als Ausnahme in meinem Alter –
eine der wenigen, der politische Themen wirklich nahe gehen. Wie bereits
erwähnt gehe ich gerne ins politische Kabarett. Das ist für mich ein wichtiges
Sprachrohr, um gesellschaftliche Missstände aufzuzeigen und zum Nachdenken über das Chaos der Welt anzuregen. Aber wenn ich bei solchen Veranstaltungen um mich blicke, sind mein Freund und ich häufig mit Abstand die Jüngsten. Die Hälfte des Publikums ist nicht selten schon jenseits der Rente.

Warum gehen andere Menschen Ende 20 nicht dorthin? Warum
diskutieren wir so wenig untereinander über Dinge, die die Welt bewegen? Ich
weiß es nicht. Ich verstehe es nicht. Ich mag es ehrlich gesagt nicht. 
Und rege mich auf! Ich bin Deutsche und mag dieses Land
– aber aktuelle Tendenzen machen es mir manchmal echt schwer, Land und Leute sympathisch zu finden.

Statt sich um Alltagsrassismus zu kümmern, fokussieren wir uns
lieber auf uns selbst. Den perfekten Körper, die perfekte
Instagram-Story – da spricht ja nichts dagegen, aber muss das alles sein? Ich
kann mir nicht vorstellen, mich von der Welt abzukapseln und nur dann
einzuschreiten, wenn es mich direkt betrifft. Solidarität wäre hier das
Buzzword. Hat man auch schon oft gehört, wird aber auch zu selten gelebt. Viel
öfter gibt es „mich“ oder „uns“ und „die“ – eine undefinierbare Masse an
Menschen, die wir von uns abgrenzen.

Um auf meine These vom Anfang zurückzukommen: Natürlich gibt
es einen Grund, warum wir so selten über Politik sprechen.  Weil es kein einfaches Thema ist und wenig Spaß macht. Weil es frustrierend ist. Weil sich so wenig bewegt und oftmals Leute über unsere Zukunft entscheiden, die die brutalen Folgen unserer Klimapolitik wahrscheinlich nicht mehr erleben werden. Es fühlt sich an wie eine Ohnmacht. Aber es ist verdammt nochmal wichtig. Und wenn wir mit mehreren Menschen darüber reden und uns austauschen, kommen vielleicht auch die Ideen was man wie tun könnte.

Ich möchte überhaupt nicht, dass wir keine lustigen Gespräche mehr führen und nur noch über politischen Problemen brüten. Nein, das ist ganz und gar nicht mein Ziel. Es wäre mir aber wichtig neben all den Alltags- und Konsumgesprächen, eben auch das Politische zu thematisieren. Dass
wir alle mehr nachdenken über unser Handeln und die Gesellschaft, in der wir
leben und in die wir später vielleicht Kinder entlassen möchten. Aktuell frage
ich mich ernsthaft, ob ich in dieser Gesellschaft, die immer stärker
nationalistisch ist und ihren Planeten systematisch zugrunde richtet wirklich
eine strahlende Zukunft für meine möglichen Kinder sehe. Ich weiß es nicht und
tröste mich mit dem Gedanken, dass Kinder bei mir gerade sowieso kein Thema
sind.

Ich möchte einfach nicht länger zuschauen. Ich möchte mich
aktiv daran beteiligen, dass ein vielfältiges Deutschland keine Phrase, sondern
gelebte Realität ist. Wo ich damit anfange, ist weiterhin offen. Aber es macht
mich unzufrieden wie es aktuell ist. Ich sehe soviel das schiefläuft und schaue
eben doch nur zu.

 

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