Modedesigner gilt als Traumberuf, doch der Weg ist hart. Viele Nachwuchsdesigner scheitern – nicht nur das Talent zählt, sondern BWL-Kenntnisse und Geld.
Wirtschafts-faktor Fashion Week
Gerade hat sie wieder begonnen, die Berliner Modewoche samt Mercedes Benz Fashion Week, den großen Messen Premium und Bread & Butter und den zahlreicheren kleineren Nebenschauplätzen. Von Dienstag bis Samstag feiert sich die Berliner Modeszene selbst, mit Schauen, Präsentationen, edlen Roben, Champagner und (C-)Prominenz auf dem roten Teppich. Kritiker mögen lästern, weil die Großen, wie Hugo Boss, Rena Lange und Escada, nun schon in der dritten Saison fernbleiben, weil die Modewoche wieder einmal zeitgleich mit den Haute-Couture-Schauen in Paris stattfindet, weil die Designer oft mehr auf Tragbarkeit denn auf Avantgarde setzen oder weil das „Zelt“ dieses Mal gar der Fanmeile weichen musste und nun im Wedding residiert.
Sicherlich: Berlin ist nicht Paris, nicht New York, nicht Mailand. Dennoch ist die Fashion Week auch hierzulande ein Wirtschaftsfaktor. Pro Saison macht sie rund 120 Millionen Euro Gewinn. Berlin hat deutschlandweit die höchste Dichte an Modeunternehmen. Über 3.500 sind dort in der Branche tätig. Und die Zahlen stimmen: Von 2009 auf 2012 sind die Umsätze um über 62 Prozent auf rund drei Milliarden Euro angestiegen. Auch die Beschäftigtenzahlen stiegen, sie wuchsen im selben Zeitraum um 23 Prozent auf 19.200 Erwerbstätige an. Klingt rosig, die Kehrseite der Medaille spielt jedoch andere Töne an.
Kann man in Berlin nicht erfolgreich werden?
Als im April diesen Jahres das Berliner Label Firma nach 17 Jahren ihre Schließung bekannt gab, wurden sie wieder lauter, die Stimmen, die von dieser anderen Seite der glitzernden Modewelt berichten. Nachdem wenige Wochen zuvor, das hochgelobte Designerduo Achtland seinen Umzug von Berlin nach London bekannt gegeben hatte, sprach FAZ-Moderedakteur Alfons Kaiser gar von einem Menetekel für die Designhauptstadt. Mit dem Designerduo Firma gebe ein Modell für jüngere Modemacher auf.
Dies zeige, dass frühe Erfolge, eine gute Presse, prominente Kunden und schöne Preise auch nicht helfen würden. Die beiden Macher hatten angegeben, aus freien Stücken aufzugeben, aber auch aufgrund des Drucks unter den Designer durch Zahlungsschwierigkeiten von Einkäufern gerieten. Firma ist kein Einzelfall. Kurz zuvor hatte zudem das Traditionshaus Strenesse Insolvenz angemeldet. Von den vielen kleinen Marken, die den Durchbruch nie schaffen, ganz zu schweigen. Die deutsche Modeindustrie steckt in einer Krise.
Erschwerter Zugang zu Geld
Modedesigner gilt als Traumberuf, klingt nach Glitzer und Glamour. Doch schon die Auswahl an den Modeschulen und Universitäten ist hart. An vielen Instituten liegt die Aufnahmequote nur bei zehn Prozent. Am wenigsten durchlässig ist das Nadelör bei den staatlichen Kunsthochschulen. Die Ausbildung an privaten Hochschulen ist hingegen oft sehr teuer und auch hier bekommt bei weitem nicht jeder Bewerber einen der begehrten Studienplätze. Nach dem Abschluss wächst der Druck noch an: Nach Angaben des Verbands Deutscher Mode- und Textildesigner machen an die 1.500 angehende Modedesigner jährlich ihren Abschluss. Jobangebote gibt es jedoch deutlich weniger. Etwa 250 seien es, auf die sich auch erfahrenere Designer bewerben. Die Folge: Viele werden in die Selbstständigkeit gedrängt, obwohl es ihnen an betriebswirtschaftlichem Wissen mangelt, nehmen unterbezahlte Jobs an oder orientieren sich um.
Es gibt die strahlenden Stars, wie Lala Berlin, deren jährlicher Umsatz bei geschätzten 2,5 Millionen Euro liegt, oder Augustin Teboul, die einen Modepreis nach dem anderen absahnen, aber auch viele, die wieder aufgeben. Bis ein Modelabel schwarze Zahlen schreibt, vergehen in der Regel Jahre. Was man mitbringen muss an unternehmerischem Wissen, um sich erfolgreich selbstständig zu machen? Silvia Kadolsky ist eine, die das wissen muss. Sie ist die Gründerin der deutschen privaten Modeschule Esmod und hat schon viele Absolventen auf ihrem Karriereweg begleitet und beobachtet. „Wenn man mit einer eigenen Kollektionen an den Start gehen möchte, braucht man ein gewisses unternehmerisches Know-How“, sagt sie. „Man sollte wissen, wie die Modebranche kommerziell funktioniert, was es für internationale Plattformen gibt, auf denen man Kollektionen präsentiert, welche Stores für den Stil der jeweiligen Kollektion infrage kommen würden, wie Zahlungsmodalitäten aussehen, wie man Verträge abschließt und wie man mit Stofffabrikanten verhandelt.“
Von nichts kommt nichts
Die Esmod ist weltweit in 14 Ländern vertreten, Standorte gibt es unter anderem in Paris, Tokio, Beijing, Dubai und Moskau. An der Esmod Deutschland haben zum Beispiel Kaviar Gauche studiert, Damir Doma, Mongrels in Common oder jüngst Marina Hoermanseder. Die Schule hat ihre Überflieger, doch die Absolventen, die sich nach dem Abschluss selbstständig machen, sind nur ein kleiner Bruchteil.
„Über 90 Prozent der Absolenten arbeiten in Firmen verschiedenster Stilrichtungen und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit”, erklärt sie. „Es gibt aber immer wieder einen kleinen Prozentsatz, der nicht nur den Mut hat, sondern auch das finanzielle Potenzial und ein gewisses Know-How, um sich an eine Selbstständigkeit heranzuwagen.“ Die Schule rate durchaus dazu, aber nur wenn sie das Potenzial sehe. „Das war zum Beispiel bei Marina Hoermanseder so, die sich schon im dritten Jahr mit dem Gedanken getragen hat und die jetzt bereits erfolgreich ihre zweite Kollektion auf der Fashion Week präsentiert. Sie hat absolut das Potenzial dazu. Auch eine andere Absolventin von 2014, Sojin Park wird mir ihrer Partnerin Elena Ganstein, ebenfalls Alumni von 2014 sicherlich erfolgreich sein.“ Auf die Frage, worin dieses Potenzial bestehe, zählt Kadolsky am Beispiel Marina Hoermanseders zunächst deren betriebswirtschaftliches Erststudium auf, ihre Kontakte in die Wirtschaft und zu potenziellen Unterstützern, ihre Fähigkeit, sich in verschiedene Aspekte und Problematiken hineinzudenken sowie ihre enorme Leidenschaft. Sind solche Eigenschaften, die für jeden jungen Unternehmer aus egal welcher Branche von Vorteil wären, vielleicht sogar wichtiger als schöpferisches Talent? Nein, nein, wiegelt sie ab. Talent bleibe Voraussetzung.
Ohne Geld läuft gar nichts im Modedesign
Talent hin, unternehmerisches Geschick her. Ohne Geld läuft gar nichts. Man müsse schon ein finanzielles Polster haben, ergänzt Kadolsky: um auf internationalen Messen seine Kollektionen präsentieren und an den geneigten internationalen Einkäufer bringen zu können, denn Berlin allein reiche nicht; um Kollektionen vorproduzieren und Stoffe einkaufen zu können. „Dann muss man die Stoffe nachordern oder sogar produzieren lassen für die jeweiligen Order, es geht in die Produktion und hoffentlich dann in die Stores. Dann müssen diese auch zahlen.“
Was selbstverständlich klingt, ist ein echtes Problem. Immer wieder kann die eine oder andere Firma die Order nicht zur rechten Zeit zahlen, weil sie finanzielle Probleme hat. Für einen jungen Designer ist das eine echte Katastrophe. Und selbst wenn diese einem erspart bleibt, ist der Weg steinig. „Oft ist es so, dass man die ersten Saisons auf eine Null-Null-Basis geht. Das nennen wir dann die Capsule oder Zero Collections. Man muss einen langen Atem haben. Oder man findet Kooperationspartner, mit denen man sich über Wasser halten kann, indem man zum Beispiel Taschen entwickelt oder andere Accessoires, die dann von großen Firmen eingekauft werden. Viele Designer machen das, um sich finanziell ein Polster aneignen können,“ so die Hochschuldirektorin. Das gilt übrigens nicht nur für Berufseinsteiger. Auch Designer, die seit Jahren einen Namen in der Mode haben, sind auf Kooperationen, Investoren und Nebenjobs angewiesen.
Standort Berlin ungeeignet für Modedesign?
Liegt es an Berlin? Vielleicht zum Teil. Es fehlt an mutigen und zahlungskräftigen Einkäufern, die auf junge Label setzen. Kadolsky vermisst die große Vision dessen, was in fünf bis zehn Jahren passiere. Diese sei auch wichtig, um Einkäufern Orientierung zu bieten und diese zu ermutigen, ihren Blick zu erweitern. Das Internet mit seinen internationalen Shops und Plattformen könne eine weitere Möglichkeit sein, sich als Designer von solchen Hindernissen ein wenig zu befreien und sich selbst dem Endverbraucher zu präsentieren, glaubt sie.
Dennoch, ganz verkehrt ist der Standort Berlin nicht: Noch immer bietet die Hauptstadt halbwegs günstige Mieten, einige Fördermittel und Stipendium für Nachwuchstalente, eine kreative Szene und eine Startup-Kultur, die das Gründen erleichtet. Klein anfangen, geht in Berlin, zumindest noch. Die Designer selbst sprechen zudem von einer Atmosphäre der Solidarität und Loyalität. Die Konkurrenz ist in Paris oder New York zweifelsohne härter. In Berlin hilft man sich eher, anstatt die Ellenbogen auszufahren. Davon sollten wir Konsumenten uns eine Scheibe abschneiden: mutiger sein, als es die Einkäufer sind und hießiges Design kaufen. Schwer dürfte das ja eigentlich nicht fallen, schließlich bieten die deutschen Modedesigner allen Unkenrufen zum Trotz Schönes, Raues, Individuelles, Extravagantes und Tragbares, für jeden Geschmack das Passende und das auf internationalem Niveau.