Familienministerin Katarina Barley hat mit ihrem Vorstoß zu getrennt erziehenden Eltern für Unmut gesorgt. Denn schon jetzt haben Mütter, die Gewalt durch ihre Partner erfahren haben, Probleme, sich und ihre Kinder zu schützen.
Von Schmetterlingen und Gebärmaschinen
Die Liebe zu Familien wird von Politikern meist im Wahlkampf entdeckt. Auch die SPD will mit Vereinbarkeit von Familie und Beruf punkten. Wichtiger Ideengeber ist dabei das Familienministerium, angeführt durch die zuletzt in der eigenen Partei umstrittenen Katarina Barley, die das Amt von Manuela Schwesig übernahm. Doch wenige Wochen nach ihrem Amtsantritt findet Beachtliches statt. Frau Barley verabredet sich mit Vertretern von getrennt Erziehenden, darunter Väterverbände wie der „Interessengemeinschaft Jungen, Männer und Väter“, dem „Väteraufbruch für Kinder“ und dem „Väternetzwerk“.
Rückendeckung für Männer aus dem Ministerium ist nichts Neues. Bereits Kristina Schröder setzte als CDU-Familienministerin fragwürdige Schwerpunkte, indem sie öffentlich darüber sinnierte, ob an deutschen Schulen genug Diktate mit Fußballgeschichten geschrieben werden. Denn dafür interessierten sich schließlich Jungs. Und denen würde man den Bildungsweg verbauen, wenn es unter deutschen Schiefertafeln immer nur um Schmetterlinge und Ponys ginge.
Frau Barleys Veranstaltung war jedoch weit weniger entzückend als Frau Schröders Grundschüler. Es handelte sich bei den Teilnehmenden teilweise um Väterrechtsorganisationen, in deren Facebookgruppen man(n) sich gegenüber Müttern nicht mit übertriebenen Nettigkeiten aufhält. Diese werden gerne als „Huren und Gebärmaschinen“ bezeichnet. Über ähnlich charmante Ausdrücke dürfen sich dort auch Flüchtlinge und Homosexuelle freuen.
Das Wechselmodell wird bislang nur selten gelebt
Um auf die Themen von 9,9 Prozent alleinerziehenden Vätern in Deutschland einzugehen, wird eine mit 603 Teilnehmern vermutlich wenig repräsentative Allensbachstudie von der Ministerin aus dem Hut gezaubert. Nach dieser wünscht sich die überwiegende Mehrheit der getrennten Eltern eine gemeinsame Erziehung der Kinder.
Das Institut für Demoskopie Allensbach stellte 2015 übrigens noch fest, dass bei mehr als der Hälfte der Familien nach der Elternzeit meist nur noch der Mann voll berufstätig war. Trotz dieses offensichtlichen Widerspruchs ist der Wunsch nach gemeinsamer Betreuung löblich. Wer die politischen Aktivitäten von Väterrechtlern verfolgt, weiß aber, dass ihnen durch die Studie Auftrieb gegeben wird, das auch von Barley privat gelebte sogenannte Wechselmodell politisch zu forcieren.
Im paritätischen Wechselmodell erfolgt die Betreuung von Kindern nach der Trennung ihrer Eltern jeweils zu 50 Prozent durch die Mutter und zu 50 Prozent durch den Vater. Die betroffenen Kinder haben zwei Zuhause, die sie im Tages-oder Wochentakt wechseln müssen. Ob dies dem Kindeswohl dient, ist unter Experten umstritten. Allerdings reduzieren sich die Unterhaltszahlungen erheblich oder entfallen ganz, was die Beliebtheit des Modells bei Trennungsvätern, die vorher wenig präsent waren, erklärt.
„Wer die Mutter verprügelt, ist noch lange kein schlechter Vater“
Ein Recht des Kindes auf Umgang mit Mutter und Vater wurde im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Wie dies ausgestaltet werden soll, obliegt den Eltern selbst. Einigen sich diese nicht, bleibt der Gang zum Gericht. Bisher wird in Deutschland überwiegend das „Residenzmodell“ praktiziert. Die Kinder haben nach der Trennung einen Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil und sind in aller Regel an den Wochenenden beim anderen. Damit bleibt den Kindern nach dem Auseinanderbrechen der Familie die gewohnte Umgebung erhalten. Natürlich kann auch das Wechselmodell für Kinder gut funktionieren. Voraussetzung ist, dass beide Eltern ihnen schon früher gleichermaßen verlässliche Bezugspersonen waren. Und sich gegenseitig respektvoll behandeln.
Problematisch wird es aber spätestens dann, wenn Umgangsrechte Gewaltschutz auszuhebeln drohen. Denn das Recht des Vaters auf Umgang mit seinem Kind besteht auch dann, wenn Frauen mitsamt Nachwuchs vor ihrem gewalttätigen Partner ins Frauenhaus fliehen. Dort wartet oftmals bereits nach dem Auspacken der Koffer Post vom Anwalt des Ex. Dieser Schieflage ging eine hart erkämpfte Gesetzesreform voraus. Seit der Familienrechtsnovellierung aus dem Jahr 2009 müssen Eltern spätestens einen Monat nach ihrem Antrag auf Sorge- oder Umgangsrechte vor dem Familiengericht gehört werden. Dabei sollen Richter möglichst schon eine erste Entscheidung treffen. Vor der Reform war bei Gewalt die befristete Aussetzung des Umgangs die Regel. Nun wird das Umgangsrecht eines Vaters nur noch selten davon beeinflusst, ob er sich gegenüber der Mutter seiner Kinder strafrechtlich relevant verhalten hat.
Hinzu kommt die in den letzten Jahren etablierte Praxis der Familiengerichte, Erziehungskompetenzen eines Vaters trotz seines nachweislich gewalttätigen Verhaltens nicht in Frage zu stellen. Verfahrensbeteiligte äußern oftmals die Einstellung „nur“, weil der Vater die Mutter schlage, mache ihn das noch nicht zu einem schlechten Elternteil. Dies ist sogar das zugetragene wortwörtliche Zitat einer sozialpädagogischen Mitarbeiterin der Berliner Krisennotdienststelle gegenüber einer hilfesuchenden Mutter.
Nach der Trennung ist vor der Trennung – warum Gewaltopfer weiterhin gefährlich leben
Die skizzierte Betrachtungsweise ist jedoch zu kurz gedacht. Denn das Aufwachsen in einer gewaltgeprägten Umgebung beeinträchtigt Kinder in ihrer Entwicklung negativ. Für die überwiegende Mehrheit der Opfer drohen nach einer Trennung auch neue Übergriffe. Dies oftmals während der Umgangssituation oder bei der Übergabe des Kindes.
Exemplarisch hierfür ist der wenige Wochen alte Fall einer 29-jährigen Mutter von drei Kindern aus Thüringen. Die Frau war nach häuslicher Gewalt durch ihren Ehemann zwei Tage lang stationär behandelt worden. Die Kinder zwischen einem und vier Jahren wurden von den Behörden trotzdem in Obhut des Vaters belassen. Bei der Rückkehr ihrer Mutter hatte dieser zwei seiner Kinder getötet und sich selbst Verletzungen zugefügt. „Es kam zu häuslicher Gewalt gegen die Ehefrau, eine Kindesgefährdung war am Dienstag nicht zu erkennen“, zitiert die „Bild“ die Oberstaatsanwältin. Schließlich hatte sich die Gewalt des Mannes zuvor nicht gegen seine Kinder gerichtet.
Auch in weit weniger dramatischen Fällen befinden sich Mütter vor dem Familiengericht häufig in der Zwickmühle. Denn von beiden Elternteilen wird Bindungstoleranz gefordert. Sie müssen grundsätzlich bereit sein, die Beziehung des anderen Elternteils zum gemeinsamen Kind zu respektieren und zu fördern. Wer dies unterlässt, dem droht schlimmstenfalls der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Dies gilt natürlich auch für Frauen, die in ihrer Partnerschaft körperliche oder auch „nur“ psychische Gewalt, in Form von Drohungen, Beschimpfungen oder Demütigungen erlebt haben. Die Frage, wie eine Mutter, die Angst vor ihrem Ex-Mann hat, ihren Kindern ein positives Bild von diesem vermitteln soll, bleibt unbeantwortet.
Rechte? Ja, gerne! Pflichten? Mal schauen.
Wer denkt, mit der Durchsetzung von stärkeren Rechten gehen auch entsprechende Pflichten einher, irrt. Nach wie vor beziehen lediglich 17,4 Prozent der Väter Elterngeld. Dies durchschnittlich für 3,2 Monate. Und zwar überwiegend gemeinsam mit der Partnerin.
Bemerkenswerterweise fordern die unlängst gegründeten „Liberalen Männer in der FDP“ sogar die Möglichkeit, dass Männer eine Kindschaft ablehnen dürfen. Wer sich gegen ein Kind entscheidet unterzeichnet eine Verzichtserklärung und muss im Gegenzug nicht finanziell aufkommen. Einspringen darf dann der Staat. Mit der Forderung der FDP nach dem Wechselmodell als zwingender Standard nach der Trennung bahnen sich paradiesische Zustände für Väter an. Während Mütter sich in aller Regel zwischen Büro, Elternabenden und Schmutzwäsche aufreiben, können sich Männer, je nach Lebenssituation, herauspicken, wie viel Umgang mit ihren Kindern ihnen gerade passt.
Täterväter versus Mitwissermütter
Auch die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs nimmt Mütter ins Visier. Ihr Zwischenbericht beinhaltet den Vorwurf, Mütter hätten Missbrauch geduldet und ihn dadurch unterstützt. Die eigentlichen Täter sind hierbei kaum im Blickfeld. Ebenfalls wird von dem Hinweis abgesehen, dass sexueller Missbrauch noch immer ein Tabuthema ist, bei dem viele Betroffene keine Hilfe erfahren.
Die Situation vor deutschen Familiengerichten kann für Missbrauchsopfer kompliziert sein. Es gibt Mütter, die Kindesmissbrauch anzeigen und denen nicht geglaubt wird. Wer sich aber dem Vorwurf aussetzt, falsche Anschuldigungen gegen den Vater zu erheben, muss mit schwerwiegenden Konsequenzen rechnen. Hierzu schweigt die Studie der Kommission.
Männer haben in den letzten Jahren gezeigt, dass sie die Chancen, die ihnen Gleichberechtigung bietet, zu nutzen wissen. Privilegien bauen sie dabei, mit Hilfe der Politik, geschickt weiter aus. Die Gleichstellung von Frauen hält dabei nicht annähernd Schritt. Im Gegenteil. Gelangt das zarte Pflänzchen der Männerrechtler mit parlamentarischer Hilfe zur vollen Blüte, bleibt einiges zu befürchten. Feministinnen 3.0 werden dann um noch viel fundamentalere Frauenrechte kämpfen müssen, als den Gender-Pay-Gap. Spätestens nach der Geburt eines Kindes, kann es, im Fall häuslicher Gewalt, um die ganz konkrete körperliche Unversehrtheit, im Extremfall ums Überleben gehen. Rechte von Müttern dürfen aber nicht im eifrigen Streben nach einer vermeintlich modernen Familienpolitik abgeschafft werden.
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