Eigentlich ist es komplett klar. Man hat einen fiesen Schnupfen, sogar Fieber oder eine miese Magen-Darm-Grippe und obwohl wir wissen, dass Ruhe jetzt genau das Richtige wäre, schleppen wir uns ins Büro. Wieso?
Krank arbeiten?
Mein Tag begann heute damit, dass ich einer Mitarbeiterin klar machte, wieso sie wirklich zuhause bleiben sollte, wenn sie krank ist. Blass, mit tränenden Augen und Tee saß sie an ihrem Schreibtisch. Ein klarer Fall fürs Bett und einen Arztbesuch. Pflichtgefühl, Teameinsatz und Lust auf Arbeit. Ganz egal, ab ins Bett, haben wir befohlen.
Ich kenne das selbst von mir. Ich habe leichtes Fieber, Kopfschmerzen, Schüttelfrost, gehöre eigentlich ins Bett und arbeite trotzdem. Macht ja irgendwie jeder so. Es gab sogar Zeiten, in denen ich fast ein Dauerabo ins Büro für Aspirin Komplex gebucht hätte. Hält fit auch bei vollkommener Unzurechnungsfähigkeit. Und das habe ich schon mein ganzes Arbeitsleben so gemacht. Im Grunde mache ich es immer noch so – auch wenn ich mittlerweile eher selten Medikamente nehme und lieber Tee trinke und gesund esse.
Mails checken aus dem Krankenbett
Selbst wenn es mich dann mal im Bett hält, checke ich von da regelmäßig Mails, schreibe Artikel oder Konzepte und telefoniere mit Kunden. Klar, es gibt so Zwischenstadien, in denen das ganz gut möglich ist, aber sich auszukurieren ist eigentlich die einzig vernünftige Angelegenheit, wenn man krank ist.
Deshalb frage ich mich immer wieder selbst, wieso gehen wir krank zur Arbeit und geben uns nicht die Zeit wieder fit zu werden?
Klar, wir fühlen uns dem Team und Kunden gegenüber verpflichtet, wir wollen, dass das Unternehmen durch die Decke geht und den Termin mit dem potenziellen Kooperationspartner nicht zum zweiten Mal verschieben. Da sind ich und unser Team nicht alleine. Unterschiedlichste Gründe lassen Millionen von Beschäftigten jedes Jahr
trotz Krankschreibung am Arbeitsplatz erscheinen. Viele von uns sogar
gegen den ausdrücklichen Rat des Arztes.
Präsentismus: Krank arbeiten
Das Phänomen ist so bekannt, dass es sogar schon einen eigenen Begriff dafür gibt: Präsentismus. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat in einer Studie zum Thema, welch’ Überraschung, rausgefunden, dass sich durch Präsentismus bei einem eher
schlechten Gesundheitszustand langfristig das Risiko zum Beispiel von
Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich erhöht. Zwei breit angelegte
Studien weisen zudem auf einen eindeutigen Zusammenhang zwischen
Präsentismus und späterer Langzeit-Arbeitsunfähigkeit hin.
Doch wir gehen weiterhin uneingeschränkt arbeiten. Wir sind ja jung. Und das, obwohl wir alle wissen, dass es nichts hilft. Die Arbeitsergebnisse werden schlechter, die Kollegen stecken sich an und der Kunde hat auch lieber ein gesundes Gegenüber.
Der Arbeitgeber profitiert nicht, wenn wir krank arbeiten
Entgegen unserer Meinung profitiert also auch der Arbeitgeber ganz und gar nicht von unserem Verhalten. So zeigen Studien deutlich, dass unser Verhalten unzweifelhaft zu Produktivitätsverlusten führt, weil unsere Leistungsfähigkeit
eingeschränkt ist, sich Fehler häufen. Nicht zu unterschätzen sind auch die Kosten, die entstehen, weil wir eine Krankheit verschleppen und uns zu einem späteren Zeitpunkt dafür umso länger krankschreiben lassen müssen. Eine Studie der Unternehmensberatung Booz & Company für die Felix-Burda-Stiftung hat die Kosten einmal geschätzt: Demnach belaufen
sich die durchschnittlichen Kosten, die deutschen Unternehmen durch
krankheitsbedingte Fehlzeiten entstehen, auf 1199 Euro pro Jahr und
Mitarbeiter. Demgegenüber belaufen sich die Präsentismuskosten auf nicht
weniger als 2399 Euro und sind somit doppelt so hoch.
Ab ins Bett und auskurieren
Also, ab ins Bett. Jedem Team, jeder Chefin und jedem Unternehmen hilft ein Anruf am morgen, eine kurze Übergabe der dringlichsten To-dos und eine möglichst frühe Ansage der voraussichtlichen Krankheitszeit am meisten. Wir wünschen gute Besserung.
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