Wie gelingt es einem als Jura-Absolventin oder -Absolvent genau den Job zu finden, der zu einem passt? Yacine Cocos Karriereplattform TalentRocket ermöglicht einen Blick hinter die Kulissen der großen Kanzleien und will so für ein „Perfect Match” sorgen.
Wer Jura studiert, muss sich oft anhören, dass sie oder er wohl nie Probleme bei der Jobsuche haben wird. Aber auch für Juristen kann die Suche nach einem guten Arbeitgeber zu einer schwierigen Herausforderung werden. Yacine Coco und Magdalena Oehl haben deswegen ein Netzwerk gegründet, das genau in diese Nische passt. Die Idee: die Kontaktaufnahme zwischen Juristen und Anwaltskanzleien erleichtern und dadurch ein „Perfect-Match” ermöglichen. Kann das klappen?
Wir haben Yacine Coco zum Interview getroffen, um genau das herauszufinden. Außerdem haben wir mit ihr über Ideenentwicklung und -umsetzung in der Start-up-Welt und eine gute Work-Life-Balance gesprochen.
Mit Anfang 30 hast du schon vieles erreicht. Wann war der Zeitpunkt, an dem du wusstest, wohin es mit dir beruflich gehen soll? Schon im Studium, oder kam das erst später?
„Wohin es beruflich geht, weiß ich wahrscheinlich erst seit zwei Jahren. Ich habe recht früh angefangen zu arbeiten und nach gut vier Jahren in der Inhouse-Unternehmensberatung von E.ON stellte ich mir die Frage: ,What’s next?’ Ich hatte eine wirklich gute Zeit, aber irgendwie ging es immer um so große und komplexe Themen, wie man sie niemals selbst erleben würde. So kam damals der Wunsch auf, etwas zu machen, was ,erreichbarer’ schien.”
Und wann kam dann der Impuls: Ich will mich selbstständig machen?
„Durch die Selbstständigkeit meiner Eltern habe ich früh hautnah miterlebt, was es bedeutet. Allerdings wollte ich vieles werden: Ärztin ohne Grenzen,
Bauingenieurin (wie mein Vater), Meeresbiologin, Primatenforscherin,
Schauspielerin … Letztlich war die Selbstständigkeit eher die Konsequenz aus
unserer Gründung.”
Was war der ausschlaggebende Grund, dass du dich gemeinsam mit Magdalena Oehl entschieden hast, euer Start-up TalentRocket zu gründen? Gab es einen persönlichen Ansporn dazu?
„Das war ein paar Monate vor der tatsächlichen Gründung. Ich hatte gerade eine schöne Zeit in Paris abgeschlossen und sollte das nächste Projekt beginnen. Da kam Magdalena um die Ecke, die mir von ihrem Problem berichtete, dass es im Online-Bereich so wenige Informationsquellen für die Jobsuche von Juristen gibt. Ich war gleich angefixt. Als ich meinen Chef in Frankreich um Rat bat, lud er mich zum Lunch ein – in Frankreich natürlich auch mit Wein. Ich erzählte ihm von meiner Idee und er hätte nicht cooler reagieren können! Er meinte: Yacine, mach das! Und wenn es nicht klappt, dann kommst du in zwölf Monaten wieder zurück in mein Team. Mit so viel Rückenwind hatte ich das Gefühl, nichts falsch zu machen.”
Wie seid ihr heute aufgestellt und wie teilt ihr eure Aufgaben untereinander auf?
„Durch den Zukauf vom Start-up Lawyered und dadurch, dass die beiden Lawyered-Gründer Philipp und Sebastian an Board geblieben sind, haben wir ein superstarkes Team. Darüber hinaus haben wir noch weitere wichtige Leute, die schon seit Langem Teil des Teams sind und auch die Anfänge noch gut kennen. Wir haben vier Bereiche und jeder ist für mindestens einen zuständig.”
Nun habt ihr knapp 3.000 Arbeitgebern gelistet. Was ist denn das Besondere an eurer Plattform? Und wie funktioniert sie genau?
„Wir wollen Juristen auf der Jobsuche unterstützen und im besten Falle glücklich machen. Dazu haben wir einen Algorithmus erstellt, der Kandidaten mit Arbeitgebern zusammenbringt. Und da der beste Algorithmus eben nur so gut ist, wie die Anzahl der Bewerber, haben wir dies mit der Reichweite eines Kandidaten-Netzwerks kombiniert. Lass mich unser System mithilfe eines Beispiels vereinfachen: ein Anwalt kommt auf unsere Seite, interessiert sich für einen Arbeitsrecht-Job in Berlin und macht weitere Angaben (Gehaltsvorstellungen, Work-Life-Balance, Sprachen, etc.). Auf dieser Basis schlagen wir dann Arbeitgeber mit passenden Jobs vor. Im Bereich Legal Recruiting sind wir Marktführer mit dieser Technologie.”
Was sind die größten Herausforderungen für Juristinnen und Juristen auf dem Jobmarkt? Hast du da vielleicht einen Tipp, den du den Jura-Absolventen mit auf dem Weg geben möchtest?
„Neulich wurde ich gefragt, ob man sich Hobbies suchen sollte, um seinen CV zu „polieren“. Das kann ich nicht empfehlen. Viel wichtiger ist es doch, dass man Freude an seinem Hobby hat, unabhängig vom Bereich. Und fast jede Liebhaberei hat ja irgendwie auch eine juristische Komponente. Wenn man zum Beispiel reitet, dann beschäftigt man sich zwangsläufig mit Verträgen wie für den Stall, die Reitbeteiligung oder sogar den Kauf eines Pferdes.”
Du hast ja erzählt, dass ihr letzten Herbst das Düsseldorfer Startup Lawyered übernommen habt, bei dem das Netzwerken eine wichtige Rolle spielt. Warum war die Übernahme für euch der sinnvolle, nächste Business-Schritt?
„Nachdem wir die Gründer kennen gelernt haben, war uns schnell
klar, dass wir mit vereinten Kräften viel mehr erreichen können. Zudem hatten
wir leicht unterschiedliche Fokusse, wir haben mehr
Schwerpunkt auf Reichweite gesetzt und sie mehr Fokus auf den
eigentlichen Matching-Prozess. Wenn man beide Ansätze kombiniert, ist die
Transaktion also ein „Perfect Match“ gewesen.”
Gibt es noch andere potentielle Branchen, die für euch oder für dich spannend sind? Und wenn ja, warum?
„Es gibt noch viele weitere Branchen, die für uns spannend sein könnten. Prinzipiell schauen wir uns immer in Nischen um. Wir glauben daran, dass wir in der Nische bessere Chancen haben uns gegenüber großen Spielern am Markt durchzusetzen. Eine Sache haben wir perfektioniert: Wir haben eine sehr konservative Branche aufgebrochen und die Bewerbung digitalisiert. Das lässt sich auch auf alle anderen konservativen Nischen ausweiten.”
Du interessierst dich auch sehr (vermute ich durch dein Pinterest-Profil) für Inneneinrichtungen. Wäre das vielleicht auch eine Branche, die für dich spannend wäre?
„(Lacht laut) Eiskalt erwischt, der gläserne Mensch! Ja, ich liebe Inneneinrichtungsideen – für mich ist Pinterest die beste Möglichkeit, um nach einem stressigen Tag abzuschalten und in eine andere Welt einzutauchen. Hier geht es nicht um Zahlen und Conversions, sondern um Farben, Formen und das Zusammenspiel dieser. Ich könnte mir gut vorstellen irgendwann mal einen „Second-Hand-Design-für-Liebhaber“-Laden aufzumachen, aber als Branche kommt Interior aktuell nicht in Frage.”
Ich kann mir vorstellen, dass es schwierig sein kann, die Grenze zwischen dem privaten Leben und dem Job zu wahren. Ist das für dich ein Thema?
„Darüber könnte ich ein Buch schreiben. Mein Lieblingsausdruck ist: ,Lifestyle Choices!’. Natürlich ist es kompliziert, dass ich zwischen München und Berlin pendle, aber irgendwie macht mir mein Job und die tägliche Abwechslung wahnsinnig viel Spaß. Ich verwende ein Paradoxon: ,Die Arbeit muss Spaß machen!’ Denn wenn einem der Job keinen Spaß macht, dann kann man auch nicht richtig gut darin sein und unser Anspruch ist es verdammt gut zu sein. Und wenn man so viel Freude an der Arbeit hat, dann ist es auch nicht so schlimm, wenn die Grenzen zwischen Job und Freizeit verschwimmen.”
Hast du vielleicht einen Tipp, um diese Balance so gut es geht aufrecht zu erhalten?
„Sport, Sport, Sport. Das ist ja bei jedem Menschen unterschiedlich, aber bei mir ist es definitiv der Sport und ein gutes Steak. Mittlerweile habe ich auch in Berlin ein cooles Spinning-Studio, in das ich immer gehe. Abgesehen davon hilft es auch immer mal wieder sich die Sinnfrage zu stellen. Das hat Magdalena mir beigebracht und wenn man sich die Ungerechtigkeit in dieser Welt anschaut, dann geht es uns hier schon verdammt gut.”
Wie nimmst du eure Branche als Teil eines weiblichen Gründerteams wahr? Habt ihr es mit einer Männerdomäne zu tun? Und wenn ja, birgt das besondere Herausforderungen für euch?
„Ich mache mir kaum Gedanken um Genderfragen. Für mich sind alle gleich. Wir arbeiten mit vielen DAX-Konzernen und Großkanzleien zusammen und bisher hatte ich in meinem operativen Umfeld nicht das Gefühl, dass wir, trotz der vielen Männer in der Branche, irgendwann einmal Vor- oder Nachteile hatten. Dafür sind die Menschen in unserer Branche zu professionell.”
Führungspositionen, ob im Digitalbereich oder nicht, sind in Deutschland noch nicht wirklich divers besetzt. Was sagst du: Wie können wir zu mehr Diversität (das Alter, den kulturellen Background und das Geschlecht betreffend) kommen und warum ist das auch ein Vorteil für Unternehmen?
„Mir persönlich ist das Thema Diversität als Tochter einer Deutschen und eines Senegalesen, der Ende der 70er nach Europa kam, sehr wichtig. Multi-Kulti, andere Hintergründe und Geschlechter bringen unterschiedliche Diskussionsansätze an einen Tisch. Was ich so sehr an der digitalen Branche schätze, ist, dass es auf das Know-how ankommt und eben nicht auf die Zugehörigkeit bei einem Konzern. So lange wir es allerdings in Deutschland noch nicht einmal schaffen für Frauen Möglichkeiten anzubieten, um Karriere und Kinder realistisch zu kombinieren, wird dies noch eine lange Debatte sein. Wenn ich mir allein anschaue, wie kompliziert und teuer es ist, Kinder in eine vertrauensvolle Betreuung zu geben, denke ich, dass wir niemals dort ankommen werden. Eine Freundin von mir hat beispielsweise drei Kinder und möchte gerne wieder arbeiten. Sie hatten ein super Au-pair, die gerne ihren Aufenthalt bei der Familie verlängern wollte, aber es gibt keine Möglichkeit das Visum zu verlängern. Ende der Geschichte: Meine Freundin bleibt aktuell zu Hause und das Au-pair ist traurig abgereist.”
Welche persönlichen Ziele hast du dir für die nächsten Jahre gesetzt?
„An meinen Herausforderungen zu wachsen, niemals müde zu werden und sich immer weiter zu entwickeln. Oder: Die Frucht, die vom Ast fällt, ohne dass man ihn schütteln muss, ist mir zu weich.”
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