Zwischen Vorfreude und Völlegefühl: Wie es ist, die ersten Wochen schwanger zu sein.
Man sieht nichts, aber spürt es
Hier sitze ich jetzt, esse zum x. Mal Nudeln mit Bolognese und schreibe diesen Artikel. Ich mag weder Nudeln noch Bolognese besonders gern, aber seit ich schwanger bin, sind meine beiden Lieblingsgerichte Lasagne und Nudeln mit Soße. Immerhin ist die Phase überstanden, in der ich wild auf gebratene Zwiebeln war.
Es ist verrückt, was mit (m)einem Körper passiert, wenn man schwanger ist. Von der ersten Sekunde an war ich müde, müde, müde. Wenn ich wach war, war mir schlecht. Meine Brüste sind innerhalb weniger Wochen um eine ganze Körbchengröße auf D angewachsen und spannten. Obwohl ich sehr sportlich bin, schaffe ich die Treppe in den dritten Stock nicht mehr ohne Pause und japsen.
Kein Wunder: Vor allem in den ersten Wochen, wenn man äußerlich kaum was sieht, leistet der Körper Unglaubliches. Schwangerschaftsapps zeigen im Verlauf der einzelnen Wochen, wie sich das Baby entwickelt. Oft lese ich die neuen Entwicklungen und denke: Das ist doch unmöglich – niemals kann aus diesem winzigen Zellhaufen in ein paar Wochen ein Embryo mit einem schlagenden Herzen werden! Im Grunde ist nach den ersten 3 Monaten alles da, was einen fertigen Menschen ausmacht, selbst Fingernägel sind schon vorhanden.
Die Vorgaukelung völliger Normalität
Gerade deswegen sind diese ersten Wochen für mich und viele andere Schwangere ein Auf und Ab der Gefühle – und das wird durch das Hormonchaos nicht besser. In der SZ gibt es eine regelmäßige Kolumne einer Hebamme. In einer dieser Folgen geht es um die Schwangerschaft. Sie fasst vor allem diese ersten zwölf Wochen toll zusammen:
„Ich denke mir oft, dass in Wahrheit die ersten Wochen die anstrengendsten sind, nicht die letzten. Diese nie gekannte Müdigkeit,
die Übelkeit, die Geheimniskrämerei dem Arbeitgeber und den Freunden gegenüber, die jede bestellte Maracuja-Schorle mit einem Inspektor-Columbo-Blick quittieren. Die Ungewissheit, wie alles kommen wird, die Angst, das Kind doch noch zu verlieren. Unter der Vorgaukelung vollkommener Normalität so weiterzuleben wie bisher, obwohl in einem drin die Post abgeht: irre eigentlich.“
Ich bin heilfroh, dass bei mir endlich die Übelkeit nachgelassen hat und noch mehr, dass die ersten kritischen Wochen überstanden sind. Endlich kann ich mich aufs Baby freuen und nicht mehr bei jedem Gang auf die Toilette schauen, ob doch Blutungen eingesetzt haben. Und bis auf die anhaltende Müdigkeit habe ich bisher zum Glück eine komplikationslose Schwangerschaft. Viele meiner Freundinnen hatten das nicht; sie duften nicht mehr arbeiten gehen, hatten Blutungen oder mussten sich wochenlang übergeben und konnten nichts bei sich behalten. Manche nahmen in dieser Zeit bis zu 10 Kilogramm ab.
Überschäumen vor Glück?
Mich wundert, warum Schwangerschaften oft so glorifiziert werden. Natürlich ist eine Schwangerschaft keine Krankheit, aber sie ist eine körperliche
Höchstleistung für Frauen. Ich verstehe nicht, warum dann oft erwartet
wird, man müsse vor Glück überschäumen, obwohl man Wassereinlagerungen,
Verstopfung, Sodbrennen, schmerzende Brüste und Rückenschmerzen hat.
Ich glaube, viele Frauen trauen sich nicht, das öffentlich zuzugeben, weil sie Angst haben, den Rabenmutter-Stempel aufgedrückt zu bekommen. Nur anderen Frauen gegenüber gestehen sie, dass sie Alkohol vermisst haben, ihren Körper wieder für sich haben wollten und unter den Nebenerscheinungen gelitten haben. (Mein Mann trinkt übrigens aus Solidarität die ganze Schwangerschaft über auch keinen Alkohol – was ihm wesentlicher leichter fällt als mir. Als wir das erzählt haben, bekamen wir verwunderte Reaktionen. Keiner der anderen Männer zog das für sich auch nur in Betracht. Und noch nie habe ich gehört, dass eine Schwangere Bewunderung dafür bekommen hat, dass sie von einem Tag auf den anderen die gesamte Schwangerschaft und oft auch noch die Stillzeit auf Alkohol, Zigaretten, Kaffee, weiche Eier, Weichkäse, Sushi, Wurst, Steak usw. verzichtet.)
Auch wenn ich also mit der Schwangerschaft manchmal hadere, hat das nichts mit dem Baby zu tun. Es ist ein Wunschbaby, und auch weil es absurd schnell geklappt hat, habe ich manchmal das Gefühl: Das Baby will auch unbedingt zu uns. Bei Edition F hatte ich noch vor 2 Jahren darüber geschrieben, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich mal Kinder will. Auch wenn viele der Bedenken nicht ganz ausgeräumt sind (oder sicherlich eintreffen werden), wuchs im letzten Jahr der Wunsch nach einem Baby und die Überzeugung: Wir schaffen das schon.
Das Wir meine ich wörtlich, denn mein Mann will sich genau so um das Baby kümmern wie ich und nimmt sechs Monate Elternzeit. Er ist liebevoll, geduldig und ich bin fest überzeugt, dass er ein guter Vater wird. Und dass ich eine gute Mutter werde, glaube ich auch von mir und allen anderen Schwangeren, auch wenn sie die neun Monate nicht genießen können. Meine Hochachtung haben sie trotzdem. Denn, wie es Quarkspeise auf Twitter formulierte:
Einen neuen Menschen zu produzieren ist richtig abgefahrener Scheiß. Und zwar in jede denkbare Richtung. So einfach, so komplex.
Titebild: depositphotos
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