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Um den Klimawandel zu stoppen, reicht es nicht, dass wir nur ein bisschen nachhaltiger leben

Wenn wir wirklich etwas gegen die Klimakrise tun wollen, müssen wir nicht nur Nachhaltigkeit in unseren Alltag integrieren, sondern das Wirtschaftssystem radikal neu denken, fordert unsere Community-Autorin.

 

Klimaschutz ist kein Lifestyle! 

Um es mit den Worten von Naomi Klein zu sagen „… es heißt, unsere Vorstellungen vom Wirtschaftsleben von Grund auf zu verändern, damit unser Dreck unsere Welt nicht von Grund auf verändert.“ Wir sollten beginnen, genau das zu fordern, um den Klimawandel, der eigentlich eine Klimakrise ist, abzumildern und um eine gerechte und faire Zukunft auch für unsere Kinder und die Generationen nach uns zu haben.

Die meisten von uns leben sehr gut. Wir gehen arbeiten, haben große Wohnungen, fahren ein Auto, nehmen regelmäßig Urlaub und gönnen uns etwas Luxus, wie auch immer der Luxus für uns persönlich aussieht. Es ist Wohlstand, der dadurch definiert ist, dass unsere Grundbedürfnisse befriedigt sind und wir uns darüber hinaus etwas leisten können. Genau das tun wir. Wir leisten uns was! 

Wir ziehen in immer größere Wohnungen, wir kaufen immer größere Autos, das Internet ist voll von Fashion Bloggern und Influencern, die uns die neusten Trends nahe bringen, den x-ten Lippenstift und die 50ten Schuhe, die wir unbedingt besitzen müssen. Selbst in der Sparte der Interior Blogger und der entsprechenden Einkaufsmöglichkeiten gibt es mittlerweile saisonale Trends. Das heißt, alles halbe Jahr werden Kissenhüllen, Kerzenständer, Vasen und Kleinmöbel ausgetauscht, da es jetzt nicht mehr angesagt ist, mit Kupfer zu dekorieren oder der neuste Trend zu Weiß statt zu Schwarz geht.

„Wir pflegen diese merkwürdige Form der ökologischen Ein-Aus-Amnesie aus vollkommen nachvollziehbaren Gründen. Wir leugnen, weil wir Angst haben, dass sich alles verändern wird, wenn wir die Krise in ihrer ganzen Tragweite an uns heranlassen… Wir wissen, dass der Klimawandel unsere Welt von Grund auf verändern wird, wenn wir auf dem derzeitigen Weg bleiben und die Emissionen Jahr für Jahr zunehmen.“ – Naomi Klein

Der Trend geht zu einem nachhaltigen Lebensstil

In der gleichen Art und Weise gibt es aber auch einen Trend zu einem nachhaltigeren Lebensstil. Wenn ich mich mit Kolleg*innen und Freund*innen unterhalte, dann höre ich von sehr vielen, dass sie auch wenig Fleisch essen, immer auf dem Wochenmarkt einkaufen und nur selten in den Urlaub fliegen. Selbst die großen Modeketten haben diesen Trend aufgenommen und machen seit neustem Werbung mit Fair Fashion. Das ist in aller Munde und lässt sich besser verkaufen. Bissig ausgedrückt ist es Nachhaltigkeit für Sonntagsreden, da unser gesamtes Leben darauf ausgerichtet ist, dass die Ressourcenflüsse gesichert sind. Wir gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass alles immer so weiter geht. 

Bei uns im Rhein-Main Gebiet, rund um Frankfurt, hat es dieses Jahr seit Pfingsten fast nicht mehr geregnet. Zeitweise wurden wir aufgefordert, nur noch Wasser zu entnehmen, das wir zum Kochen, Waschen und Putzen benötigen, aber nicht zum Gießen der Gärten und Pflanzen auf dem Balkon oder der Terrasse. Ein Blick auf die Felder rund um Frankfurt hat letztens jemand mit dem Satz kommentiert „… hier sieht es aus wie in Afrika, mit der Dürre.“ Auch wenn das übertrieben sein mag, es wird sehr deutlich: der Klimawandel ist auch in Deutschland angekommen. 

Nach jeder Berichterstattung in den Medien über ein schlimmes Hochwasser, eine Dürre oder einem Jahrhundertsturm steigt die Zahl der Menschen, die sich für einen nachhaltigen Lebensstil entscheiden. Wir beginnen Plastik infrage zu stellen, wir vermeiden Müll, wir essen vegan oder schaffen unser Auto ab. Das alles ist super, denn es verringert unseren ökologischen Fußabdruck und hilft auf alle Fälle Ressourcen zu sparen, aber es wird nicht reichen. Denn was auch immer wir tun, konzentriert sich nur auf uns selbst und endet manchmal, wenn das persönliche Wohlbefinden dem im Weg steht.  

Wir betrügen uns und unser Gewissen

Wann immer ich mich mit anderen Leuten über den Klimawandel unterhalte, erlebe ich ein abstraktes Resignieren, dass man ja eh nichts ändern könnte und dass wir in Deutschland schon nicht so schlimm betroffen sein werden. Wir lassen es weiter zu, dass große Konzerne Schäden an der Umwelt in Milliardenhöhe verursachen und die Kosten dafür auf die Gemeinschaft abgewälzt werden. Wir lassen zu, dass die Hebammenkrise, ausgelöst durch unsinnige Privatisierungen und Sparzwänge im Bereich der Menschlichkeit, dazu führt, dass der Beruf am aussterben ist, obwohl er einer der ältesten der gesamten Menschheitsgeschichte ist. Oder wir verlassen uns darauf, dass es schon irgendeine Entwicklung im Bereich der grünen Technologie geben wird, die uns am Ende retten wird, während wir alle so weiter leben können wie bisher. 

In der Psychologie kennt man dafür den Begriff des Selbstbetruges. Es liegt ein großer Graben zwischen dem, was wir wissen und dem was wir tun. Frag dich selbst einmal, wann du zum ersten Mal davon gehört hast, dass wir ein Problem mit der Umwelt haben. Dass wir die Umwelt schützen müssen. Dass wir das Artensterben aufhalten und das Abschmelzen der Pole verhindern müssen. Ohne hier mit dem erhobenen Zeigefinger zu deuten, aber ich finde es mitunter ziemlich frustrierend, wenn um mich herum alle weiter machen wie bisher. Ich möchte meine Familie, meine Freund*innen und Kolleg*innen aufrütteln und sie sehen lassen, was so offensichtlich vor ihnen liegt. 

„Wir gehen mit der Welt um, als hätten wir noch eine zweite im Kofferraum.“ Jane Fonda

Wir werden scheitern

Pro Tag verliert die Welt unwiederbringlich etwa 130 Tier- und Pflanzenarten. Auch in Europa ist das Artensterben akut. In den letzten 30 Jahren haben wir die Hälfte unserer Vogelpopulation verloren und natürliche Kreisläufe wie der Stickstoff- und der Phosphorkreislauf sind durcheinander geraten. Die schwerwiegenden Folgen für die Natur und uns Menschen sind mehr als absehbar. Zwischen 1980 (40 Milliarden Tonnen) und 2010 (80 Milliarden Tonnen) hat sich der jährliche Rohstoffverbrauch verdoppelt und man erwartet, dass der globale Rohstoffverbrauch auch der fossilen Brennstoffe bis 2050 bei sage und schreibe 180 Milliarden Tonnen liegen wird. Das sind unvorstellbare große Mengen auf einem winzigen Planeten mit seinen endlichen Ressourcen. Wie soll das funktionieren? 

Viele Rohstoffe werden in der Zukunft immer knapper und damit immer teurer und auch das Recycling wird irgendwann an seine Grenzen stoßen, wenn wir alle weiter konsumieren wie bisher. Das ganze Problem in seiner Komplexität der Wirtschaft wird dann noch zusätzlich komplizierter durch den Klimawandel, der sich als Großproblem dazu stellt. Niemand glaubt mehr wirklich daran, dass das Klimaziel zur Reduzierung der Emissionen und damit der Erderwärmung um nicht mehr als 2°C, noch erreichbar ist. Ich erinnere mich noch gut an den Tag, als Donald Trump den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen verkündet hat. Ein Abkommen, das ohnehin nur ein zerstrittener Kompromiss war, aber wenigstens etwas. Denn auch wenn die großen Industrienationen nicht mehr als ein paar halbherzige Lippenbekenntnisse hinbekommen, können wir doch etwas unternehmen. Was tun?   

Der Megatrend „Next Economie”, selektive Wachstumswende und der gesellschaftliche Umbruch

In Deutschland gab es am 22. September 2013 einen Wahlentscheid, bei dem 50,9 Prozent der wahlberechtigten Hamburger*innen dafür stimmten, ihr Strom-, Gas- und Fernheizungsnetz wieder zurück in das Eigentum der Stadt Hamburg zu überführen. Sie kauften es von einem ausländischen Privatunternehmen zurück. Auch andere Städte und Gemeinden in Deutschland sind diesen Weg gegangen. Wir Bürger*innen haben Macht und können sie an den Staat, die Städte und Länder delegieren. Das ist ein großes Privileg und wir sollten es nutzen. Zum Beispiel könnten wir dafür sorgen, dass klimafreundliche Firmen stärker unterstützt werden. Wir könnten für ein besseres Nahverkehrsnetz eintreten und dafür das unsere Schulen und Krankenhäuser endlich wieder unterstützt werden. 

Wenn man darüber nachdenkt, Ressourcen einzusparen durch weniger Konsum, dann wird ganz schnell ein Schreckgespenst von verlangsamten Wirtschaftswachstum und drohender Arbeitslosigkeit erklärt. Aktuell kann es jeder in der Berichterstattung über die Abholzung des Hambacher Forsts lesen. Tatsächlich gibt es aber Wirtschaftsmodelle, die einen anderen Weg gehen, die ressourcenschonende Tätigkeiten fördern und somit ein Leben in Wohlstand, ohne maximales Wirtschaftswachstum ermöglichen. Viele Verfechter*innen der „Next Economie” sind sich aber auch bewusst, dass ein solcher Wandeln nicht innerhalb der bestehenden Systeme stattfinden kann. Ein gesellschaftlicher Umbruch wäre notwendig. 

Die Lösung: lokal handeln und global denken

Ich lese sehr gerne Biographien. Die, die mich am meisten beeindruckt hat, ist das Leben und Wirken von Alexander von Humboldt. Er wird gerne als der Erfinder der Natur bezeichnet, da er als einer der ersten auch das Konzept der Nachhaltigkeit beschrieben hat und erkannte, welchen Einfluss alle menschlichen Handlungen auf die Natur und unseren Planeten haben. Er prägte das Konzept des globalen Denkens und lokalen Handelns, denn wir sind ein Teil der Natur. Um das zu verstehen, brauchen wir ein anderes Verhältnis als das was wir heute haben. Wo ist unser Blick für die Schönheit, die Freude darüber und die Fürsorge? Solange wir unsere Landwirtschaft immer mehr industrialisieren und losgelöst von allem um uns herum leben, kann man ohne Übertreibung sagen, dass wir verloren sind. Wir brauchen stattdessen politische, soziale und wirtschaftliche Strukturen, die unseren Planeten nicht zerstören. Wie Jane Fonda sagt, wir haben keinen zweiten im Kofferraum! 

Um diesen Wandel anzuregen und aktiv zu begleiten, können wir alle sehr viel tun. Wir können jede*r, ganz individuell unsere Einstellung ändern und bewusst leben. Wir haben die Freiheit uns für ein nachhaltiges Leben zu entscheiden. Wir können uns für mehr menschliche Beziehungen und Erlebnisse entscheiden, statt noch mehr Zeug. Wir können uns dafür entscheiden, zu entschleunigen und dafür mehr Zeit zu haben. Ivan Illich prägt dafür in den 1970er Jahren den sehr passenden Begriff „Konivialität”, die Kunst des Zusammenlebens. Es geht darum, das Leben zu genießen und die Freude am Leben mit anderen Menschen zu teilen. Ohne die Anteilnahme an den Mitmenschen und der Natur funktioniert das nicht. Es funktioniert aber sehr wohl ohne das 50te Paar Schuhe, die neuste Fashion oder den billigsten Lebensmitteleinkauf aller Zeiten.

Ich denke, wenn wir alle zusammen beginnen uns zu informieren und die Augen offen zu halten, haben wir schon viel gewonnen, denn dann werden wir auch immer sensibler für das, was um uns herum geschieht und der positive Wandel kann weiter vorangetrieben werden. Begonnen hat er schon! 

Der Artikel ist zuerst auf Janas Blog erschienen. Wir freuen uns, dass sie ihn auch hier veröffentlicht.

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