Ein Unternehmen ist immer nur so gut, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter es machen. Wer Personal auswählt, muss daher wissen, wie er das beste findet. Diese sieben Fehler sollte man beim Recruiting vermeiden.
Die heiße 7: Vermeidbare Fehler beim Recruiting
„Die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen ist für Unternehmen kein Luxus, sondern eine Existenzfrage in punkto Effizienz und Erfolg; sie sind das Kapital“, sagt Meric Pirli-Beckmann, selbstständige Personalexpertin. Sie hat sich mit einem Schwerpunkt auf Recruiting, Employer-Branding-Strategie und Beratung von Führungskräften selbständig gemacht. In ihrem Gastbeitrag erklärt sie, wie man gängige Fehler im Recruiting vermeidet und damit Mitarbeiter findet, die zum Unternehmen passen und nicht nach der Probezeit erneut auf Suche gehen muss.
1. Wir wollen eine eierlegende Wollmilchsau
Es gibt sie, die richtigen Mitarbeiter, allerdings selten so, wie sich das in vor allem jungen Unternehmen vorgestellt wird, nämlich als eierlegende Wollmilchsau, die sämtliche Wunschkriterien in punkto Ausbildung und Experience erfüllt, dabei flexibel, belastbar, anpassungsfähig, durchsetzungsstark, freundlich, fröhlich etc. ist. Dass darüber hinaus die Unternehmenskultur mit dem Personal steht und fällt, ist schon lange kein Geheimnis mehr.
Häufig habe ich es erlebt, dass interessante und interessierte Kandidaten beim Vorstellungsgespräch auf ihre Qualifikationen abgeklopft werden. Leider kommt hier sehr oft die sogenannte Schere im Kopf zum Einsatz. Wenn ein oder zwei Punkte auf der Wunschliste des Unternehmens beim Kandidaten nicht ersichtlich sind, wird dieser ziemlich schnell in die Schublade „passt nicht“ gesteckt.
Ebenso wird gerne versäumt, zu prüfen ob der Kandidat oder die Kandidatin zum „Cultural Fit“, zur Unternehmenskultur passt. Letzteres lässt sich sicherlich nicht mit einem oder zwei Gesprächen erkennen, denn Mitarbeiter lernt man erst dann richtig kennen, wenn man mit diesen zusammenarbeitet. Und genau dafür gibt es auch eine Probezeit. Die gilt ja für beide, nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für den neuen Mitarbeiter.
Für jedes Unternehmen ist es heute wichtig, in der Mitarbeiterauswahl eine Vielfalt von Charakteren zu berücksichtigen und nicht allein auf „Monokulturen“ mit sich ähnelnden Ausbildungen, Hobbys oder kulturellen Hintergründen zu setzen.
Kurz gesagt: Eine gute Personalauswahl ist nicht das Aussieben von Querköpfen. Der klassische Satz „Hire for Attitude and train for skills“ sollte immer im Hinterkopf sein und nicht einfach Bewerber ausschließen, die vielleicht bestimmte Kenntnisse auf dem ersten Blick nicht mitbringen. Und nicht vergessen: Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nur im Märchen.
2. Wir haben Zeit …
Viel Geld wird für Rekrutierungsmaßnahmen ausgegeben. Die Hoffnung heißt, die besten Kandidaten, die auf dem Markt sind, über Personalberater zu bekommen. Fakt ist, dass vor allem im Bereich von Technologie und digitaler Wirtschaft ein eklatanter Fachkräftemangel besteht. Ob Softwarearchitekten, Manager fürs digitale Marketing oder auch die Position des Chief Digital Officers – Startups wie auch etablierte Unternehmen suchen händeringend nach guten Leuten. Doch was passiert, wenn die ersten Interviews mit High Potentials oder exzellent ausgebildeten Millennials im Kasten sind? Es wird schlichtweg vergessen, dass die Führungskräfte im Unternehmen mitarbeiten müssen, und das heißt ein schnelles Feedback an die jeweiligen HR-Manager zu geben.
Große Unternehmen arbeiten inzwischen mit Feedback-Tools, was zunächst sehr zeitsparend klingt, d.h. jeder Interviewer gibt innerhalb einer bestimmten Zeit Feedback über den Bewerber ins ein Tool ein. In der Praxis stellt sich aber genau dieses auf den ersten Blick hilfreiche Tool als Bewerber-Schreck heraus. Es dauert oft Tage bis Wochen – zum Beispiel wegen Urlaub des Interviewers oder wegen Dienstreisen – bis alle Antworten im Tool sind und der Recruiter dem Kandidaten ein Angebot unterbreiten kann.
Aus meiner persönlichen Erfahrung hat sich folgendes bewährt: Eine verbindliche 24- bis 48-Stunden-Feedback-Regel, in der sich alle Beteiligten austauschen. Dabei kann man Bewerber mit Geschwindigkeit beeindrucken und sie damit für das Unternehmen gewinnen. Denn wer schon langsam im Bewerbungsprozess ist wird auch im Business keine schnellen Entscheidungswege haben, auch wenn es den Bewerbern im Interview so verkauft wird. Abgesehen davon ist der Bewerber weg, wenn dieser zu lange auf Feedback warten muss. Die Konkurrenz schläft schließlich nicht, und der Markt ist eng.
3. Bloß keine Mitarbeiter einstellen, die einem nicht zur Konkurrenz werden können
Ja, das gibt es, dass Mitarbeiter eingestellt werden, die einem nicht das Wasser reichen können. Schließlich will man keine Konkurrenz im Hause haben. Wie kurzsichtig – und wie dumm!
Es ist besser Mitarbeiter einzustellen, bei denen man fachlich den Eindruck hat, dass diese sich so gut entwickeln, dass sie einem anderen Mitarbeiter eine Konkurrenz werden können, als jemanden einzustellen, von dem man glaubt, dass diese Person „nicht schadet“. Wir sind nicht auf einem Ponyhof, sondern leben in einem Wettbewerb. Ein gesunder Wettbewerb auch unter den Mitarbeitern bringt sowohl das Unternehmen wie auch die Führungskräfte weiter. Und belebt darüber hinaus das Geschäft.
4. Während des Rekrutierungsprozesses Dinge versprechen, die man nicht einhalten kann
Jeder Personaler oder Geschäftsführer sollte spätestens im Jahr 2017 davon gehört haben, dass man in Stellenanzeigen, Websites oder auch gegenüber Bewerbern keine Versprechungen machen sollte, die man im Unternehmen so nicht halten kann.
Diese Köderstrategie wird mittel- bis langfristig ziemlich teuer für das Unternehmen. Spätestens in der Probezeit wird sich der Mitarbeiter nach anderen Vakanzen umschauen oder durch Unzufriedenheit auffallen. Darüber hinaus sorgt eine hohe Fluktuation, die nicht zuletzt auch aufgrund nichterfüllbarer Versprechen verursacht werden, für Unzufriedenheit in allen Geschäftsbereichen und dem Verlust von Wissen. Hier muss eine offene und ehrliche Zusammenarbeit zwischen Employer-Branding, Recruiting und den jeweiligen Führungskräften oder der Unternehmensführung stattfinden.
5. Gehalt drücken
Spätestens im Telefoninterview erfährt man was der Gehaltswunsch des Kandidaten ist. Viele Unternehmen fordern diese Information bereits mit der Bewerbung an. Natürlich schlägt jeder Bewerber noch ein bisschen auf das aktuelle Gehalt bei der Angabe drauf, schließlich will man sich auch monetär verbessern.
Obgleich wir einen Fachkräftemangel in Deutschland haben gibt es inzwischen viele Unternehmen, die von vornherein versuchen das Gehalt drücken. Was dabei übersehen wird ist folgendes: Dem Bewerber wird schon im ersten Gespräch vermittelt, dass dieser sein Gehalt nicht wert ist. Dabei zählt Wertschätzung zu einer Schlüsselkompetenz seitens der Unternehmenskultur. Mitarbeiter, die sich wertgeschätzt fühlen, identifizieren sich häufiger mit dem Unternehmen, den Produkten und sind weniger krank.
Natürlich geht es nicht allein ums Geld, wenn ich von Wertschätzung spreche, aber es ist ein sehr wichtiger Teil, weil nämlich die Gehaltsverhandlungen parallel zu den ein bis vier Interviewrunden laufen, die Kandidaten durchmachen. Wenn ein Unternehmen bereits am Anfang versucht das Gehalt massiv zu drücken ist das für mich ein Zeichen, dass etwas im Management nicht rund läuft.
Es ist besser, von Anfang an offen und ehrlich zu sein, zu sagen, dass man das Gehalt nicht zahlen kann oder es nicht will. Und deswegen von einem weiteren Interview absieht oder dem Kandidaten das Gehaltsgefüge für die Position offenlegt, damit er für sich entscheiden kann, ob die Fortsetzung des Bewerbungsprozesses in Frage kommt.
6. Mitarbeiter nicht in die Personalauswahl einbinden
Vertrauen ist eine weitere Schlüsselkompetenz, die in beide Richtungen verläuft und keine Einbahnstraße ist. Mitarbeiter wollen mitentscheiden, deswegen muss ihnen dieses Vertrauern zuerst von Unternehmensseite entgegengebracht werden.
Wenn es also darum geht, neue Kollegen einzustellen, halte ich es für sinnvoll, den ganz normalen Mitarbeiter mit einzubinden. Dieser schaut auf Eigenschaften bei potentiellen Kollegen, die Führungskräften oftmals nicht auffallen würden. Manchmal verhalten sich aber auch Bewerber gegenüber Führungskräften anders, als gegenüber Mitarbeitern oder Teammitgliedern in gleicher Position. Ein gemeinsames Mittagessen z.B. mit dem zukünftigen Kollegen in ungezwungener Atmosphäre kann für ein viel natürlicheres Umfeld als ein Bewerbungsgespräch im Konferenzraum sorgen.
7. Der Mitarbeiter als Werbebanner
Ich höre immer wieder von Kandidaten, dass sie zum Teil täglich von Recruitern auf Unternehmensseite oder von Personalberatern für unpassende Positionen angesprochen werden. Es ist nicht nur traurig sondern ebenso geschäftsschädigend Mitarbeitergewinnung nur nach der Anzahl der rekrutierten Mitarbeiter, das heißt in Zahlen zu betrachten, und – um eine gewisse Vorgabe zur Ansprache einer bestimmten Anzahl an Bewerbern pro Tag erfüllen zu müssen – nicht passende Kandidaten zu kontaktieren.
Potentielle Mitarbeiter sind keine Werbebanner oder Artikel, die man hin- und herschiebt, sondern es bedarf einer gewissen Pflege. Wir haben es schließlich mit Menschen zu tun. Ich halte es für immens wichtig, sowohl das eigene Netzwerk zu pflegen als auch Kandidaten über die Social-Media-Kanäle im Rahmen des Active Sourcing gezielt und individuell anzusprechen. Wer diese Zeit nicht investiert, muss sich nicht wundern, wenn man kaum noch Reaktionen auf die Anfragen seitens der Kandidaten erhält.
Mein Tipp an Unternehmen, die es noch nicht so handhaben: Gebt Euren Recruitingteams nach außen Gesichter und Namen, am besten mit Kontaktdaten auf euren Karriereseiten. Und lasst es zu, von Bewerbern direkt angesprochen zu werden. Nur so ist man als Unternehmen keine Black Box mit anonymen Ansprechpartnern. Vertrauensaufbau ist hier wichtig. Bewerbungstools etc. sind sehr gut und vereinfachen die Prozesse, ich jedoch glaube an die Kraft des persönlichen Ansprechpartners und der Sichtbarkeit im Rahmen der Bewerbergewinnung.
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