Es gibt diese Momente, in denen wir von jetzt auf gleich alles stehen und liegen lassen müssen, um die Chance des Lebens zu ergreifen. Auch wenn es der Job ist, den man erst vor einer Woche angefangen hat.
Wo früher noch Mut war, sind heute Zweifel
Da sitze ich nun und räume meinen Rollcontainer aus. Erstaunlich, wieviel ich in nur einer Woche schon ins Büro mitgenommen habe: ein paar Tüten Nüsse, einen Block, Stifte, die Begrüßungskarte von meinem ersten Tag, Post-its. Mit großer Vorfreude auf die neue Herausforderung bin ich in den neuen Job gestartet, doch dann, gleich am ersten Tag im neuen Job, erhalte ich eine Nachricht: „Du hast jetzt die Möglichkeit, als Freelancer bei uns einzusteigen“.
Seit Jahren beneide ich meine freiberuflichen Freunde und sage immer wieder: „Das mache ich irgendwann auch noch“. Ich träume davon, mich selbstständig zu machen, doch vor dem ersten Schritt hatte ich mich bisher immer gesträubt. Die Angst war einfach zu groß.
Was wäre, wenn es nicht klappt? Was, wenn ich die Rechnungen falsch schreibe? Was, wenn Kunden nicht zahlen? Kann ich das finanzielle Risiko wirklich tragen?
Dieses ganze „Was wäre wenn“-Denken hat mich in meinem Handeln gelähmt und stattdessen habe ich von einer Festanstellung in die nächste gelebt. Wirklich glücklich bin ich damit jedoch nicht geworden – weder im Startup noch im Konzern, denn der Traum von der Selbstständigkeit blieb ungelebt.
Soll ich es wirklich wagen?
Früher war ich noch mutig und habe Sachen einfach angepackt. Ich bin von einem Land ins nächste gezogen, habe Freundschaften auf der ganzen Welt geschlossen, immer wieder mein Leben von null aufgebaut. Warum aber fehlt mir jetzt der Mut, wenn ich ihn doch bräuchte?
Eine Woche lang trug ich den Gedanken mit mir herum und fragte mich, ob ich den Sprung ins Ungewisse wagen soll. Immerhin gibt es laufende Kosten, die gedeckt werden müssen. Im Sommer steht meine Hochzeit an, die auch nicht klein gefeiert werden soll. Dazu kommt noch, dass ich die neue Stelle nach einer langen Kündigungsfrist gerade erst angefangen habe und die neuen Kollegen hängen lassen würde. Das Timing war also denkbar ungünstig.
Selbstzweifel bis in den Schlaf
Es ist die Untertreibung des Jahrhunderts, wenn ich sage, dass ich schon bessere Wochen hatte. Die Selbstzweifel, das schlechte Gewissen und gleichzeitig der unbändige Drang, genau jetzt diese einmalige Chance ergreifen zu müssen, umtreiben mich auch im Schlaf.
Meine Sorgen verschwinden selbst am Wochenende nicht: Ich schlafe und esse zu wenig, fühle mich schlapp. Doch dann am Sonntagabend wird es mir so klar wie in keinem Moment zuvor: Ich muss es einfach wagen.
Auf einen Schlag ist die Festanstellung so weit von mir weggerückt, dass ich nicht einmal weiß, wie ich auch nur einen Tag im Büro füllen soll. In Gedanken habe ich mich schon selbstständig gemacht und bin stolz auf meinen Mut.
Die Entscheidung steht: Ich mache es!
Gleich am Montagmorgen suche ich das Gespräch. Mit eiskalten Händen, Bauchschmerzen und schwitzigem Nacken – einem Gefühl, das ich so zuletzt in der neunten Klasse vor dem Geschichtsunterricht hatte – stehe ich vor meinen Vorgesetzten und teile ihnen meine Kündigung mit.
Zwei Stunden später gehe ich wie unter Schock aus dem Büro. Noch ist das Gefühl, das Team im Stich gelassen zu haben, sehr präsent. Nach nur einer Woche im Job wieder die Kündigung einzureichen, ist natürlich nicht gerade optimal, aber man kann im Leben eben nicht alles timen.
Schon am nächsten Tag ist das schlechte Gewissen fast verschwunden, die Vorfreude siegt sowie die Freude darüber, den Sprung ins Ungewisse endlich gewagt zu haben. Klar, die Angst, dass es nicht klappen könnte, bleibt, aber dann habe ich es zumindest versucht und kann alle „Was wäre wenn“-Gedanken endgültig aus meinem Kopf streichen.