Naomi Lawrence arbeitet seit 1996 als freischaffende Künstlerin in München. Sie sieht sich aber auch als Aktivistin. Im vergangenen Jahr hat sie einen Kreativ-Protest in der Ukraine organisiert.
Bilder als Gesellschaftskritik
Ihre Bilder entstehen intuitiv. Ähnlich wie eine Geschichte, die man anfängt zu erzählen ohne deren Ende zu kennen, malt Naomi Lawrence ein Bild ohne zu wissen, was entstehen wird. Ihre Kunst ist kritisch. Sie hinterfragt und zeigt auf. Mit einer Prise Humor und klaren Linien. In ihren Arbeiten und mit Protestaktionen setzt sie sich für LGTB-Rechte ein, hat Projekte gemeinsam mit alleinerziehenden Müttern von Kindern mit Behinderungen und unbegleiteten geflüchteten Kindern realisiert. Andrea Sömmer hat sie in München zum Interview getroffen.
Kunst und Aktivismus. Das ist nicht immer etwas, das man in einem Atemzug erwähnt. Wie ist das bei dir?
„Ich sehe mich mittlerweile als Aktivistin. Ich kann so beide Dinge verbinden, die mir am wichtigsten sind. Die Liebe zum Malen und den Wunsch, Dinge zu ändern. Es gibt meinem professionellen Dasein einen Sinn, den ich brauche. Und der hat mir vorher in der Kunst gefehlt.“
War das schon immer so?
„Also mit der Kunst hadere ich schon immer, seitdem ich Kunst mache. Ich wollte es immer beruflich machen, aber irgendwie war das so ein reines Luxusding für mich, obwohl ich das mittlerweile nicht mehr so eng sehe. Kunst ist ein menschliches Bedürfnis. Die ärmsten Menschen der Welt sind künstlerisch tätig. Aber so wie wir es hier haben, empfinde ich es mehr als Luxus und weniger als etwas mit Inhalt.“
Also die alte Frage: Form vor Inhalt oder Inhalt vor Form?
„Ich versuche da den Mittelweg zu finden, weil mir die Form sehr wichtig ist. Ich übermale Bilder wahnsinnig oft, bis ich selbst zufrieden bin. Das ist ein
Prozess und es ist wichtig, dass dabei auch was kaputt gemacht wird und erst dann, wenn ich es passend finde, gebe ich es frei. Auch wenn es am Ende recht einfach aussieht, war es doch genau diese lange Arbeit, die es am Ende so aussehen lässt. Ich will, dass Inhalt und Form gleichwertig sind.“
Was genau für Kunst machst du und wie wirst du damit aktiv?
„Malerei, Komikmalerei, da können sich die meisten was drunter vorstellen. Am meisten sind es Tiere mit klaren Farben und meine Figuren sagen in der Regel auch etwas. Dann ist da die Frage: Wie kann man mehr Offenheit in einer geschlossenen Gesellschaft zu erzeugen? Gerade in Ländern wie der Ukraine oder Russland. Da ist Kunst ein sehr gutes Mittel, weil es gebildetere Schichten erreicht. Das ist erstmal ein Türöffner und am Ende entsteht vielleicht das Gefühl bei den Leuten: ,Ok, das ist alles nicht so schlimm mit den Schwulen und Lesben.‘ Ich will ihnen die Angst nehmen.“
Erreichst du dann auch die Leute, die du erreichen willst?
„Die ganze Gesellschaft kannst du nicht erreichen. Es reichen ja ein paar Leute, die dann als Multiplikatoren dienen und die Veränderung herbeiführen. Meine Gay-Propaganda-Ausstellung war sehr gut gemischt. Die Leute standen dann da, haben die Texte gelesen und fingen an zu reden. Und da hatte zum ersten Mal das Gefühl: ,Boah, das hat Sinn gemacht.‘ Und das leitet mich seither.“
Kannst du deine Mission klar formulieren?
„Ja, wenn mich etwas stört und ich das ändern will, geht das nicht, in dem ich etwas zerstöre oder andere Leute angreife, sondern ich muss erstmal selber eine positive Version entwickeln und dann nach Wegen suchen wie ich das umsetzen kann. Ich will Impulse gehen und weitergetragen. Das gilt für viele Bereiche, nicht nur LGBT.“
Braucht es den Aktivismus heutzutage noch?
„Engagement wird irgendwie vorausgesetzt. Es ist auch nicht sehr aufwendig, engagiert zu sein in Deutschland. Man kann sich ja überall anmelden. Aber wofür brenne ich wirklich? Was will ich? Das ist hier in Deutschland fast schwieriger herauszufinden als in der Ukraine oder in Russland. Die wissen genau, was sie ändern wollen. Es ist zwar gefährlicher, aber die Menschen sind mehr dabei.“
Und hier bei uns? Braucht die Homo-Szene hier Aktivisten?
„Uns geht es gut hier und wir sind in der luxuriösen Situation, anderen helfen zu können. Klar, Rechte einklagen müssen wir noch, aber wir sollten verdammt noch mal unsere gute Situation nutzen, um anderen zu helfen, denen es einfach beschissen geht. Es ist quasi eine Pflicht.“
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