Wie es aussieht, wenn der afrikanische Kontinent auf Bayern trifft, das sieht man in den Entwürfen des Münchner Labels „Noh Nee“. Aber die Gründerinnen Rahmée Wetterich und Marie Darouiche wollen nicht nur Mode kreieren, sondern auch etwas bewegen. Und so bilden sie nun Schneiderinnen in Benin aus, um die Frauen dort zu stärken und sie unabhängiger zu machen.
„Was uns reizt, ist die Verbindung zweier Kulturen“
Afrikanischer Kontinent trifft auf Bayern? Kann das passen? Und wie das
passt. Denn genau diese Fusion findet in den Entwürfen der Schwestern Rahmée
Wetterich und Marie Darouche und ihrem Modelabel „Noh Nee – Dirndl L’Africaine“statt. Sie entwerfen Dirndl,
Maxikleider und Kombi-Teile, die sie mit bunten Waxstoffen umsetzen und verweben
so Traditionen aus Deutschland mit denen des afrikanischen Kontinents – und die Münchner lieben es. Doch irgendwann reichte ihnen die kulturelle Fusion der Mode nicht
mehr aus: Sie wollten etwas bewegen. Und das nicht nur kurzfristig.
Also haben sie sich mit dem Ausbildungsprogramm WEMA Home
e.V. zusammengetan und bilden nun Schneiderinnen in Benin, einem Land in Westafrika,
aus. Was die beiden Designerinnen antreibt? Sie wollen dazu beitragen, dass die
Frauen, die für sie die Säulen des Kontinents sind, unabhängiger werden.
Ihr habt das Label 2010 gegründet und konzentriert euch auf
klassische Dirndl. Was macht den Reiz dieses Kleidungsstücks für euch aus?
Rahmée Wetterich: „Die Verbindung zweier
unterschiedlicher Kulturen und die Tatsache, dass sie gut
harmonieren.“
Marie Darouiche: „Jedes Dirndl ist bei uns fast
ein Unikat. Die Stoffe und Muster verhalten sich immer unterschiedlich, so hat
jede Kundin das Gefühl, ihr ganz persönliches Einzelstück zu haben.“
Was haben Freunde und Familie gesagt, als ihr von dem Plan
erzählt habt, traditionelle Dirndl mit afrikanischen Stoffen zu kombinieren?
Rahmée Wetterich: „Unsere Kinder haben uns den
Impuls gegeben, da sie sowohl die afrikanische als auch bayerische Kultur in
sich tragen und das zum Ausdruck bringen wollen. Unsere Freunde waren sehr neugierig und
reagierten sehr positiv. Ich persönlich bin immer noch erfreut, dass wir so viel
positive Reaktionen darauf erzielen.“
„Die Mädchen und Frauen in Benin haben
kaum eine Chance“
Wie seid ihr eigentlich zum Beruf der Designerin und zu eurem
Label gekommen?
Rahmée Wetterich: „Wir kommen aus einer sehr kreativen
Familie. Unsere Mutter war Schneiderin und die treibende Kraft in
der Familie. Unsere restlichen Geschwister haben ebenfalls fast alle kreative
Berufe ergriffen. Ich komme ursprünglich
aus dem Interior Design und habe in dem Bereich 25 Jahre lang gearbeitet.“
Marie Darouiche: „Ich schneidere seit über 40
Jahren und experimentierte mit afrikanischen Stoffen und Mustern und ließ mir
von Münchner Schneiderinnen Dirndlschnitte und Mieder-Techniken beibringen. Die
Nachfrage nahm so rapide zu, dass wir im April 2011 unser Atelier mit Laden in
der Türkenstraße, in Schwabing, anmieten konnten.“
In welchen Punkten ergänzt ihr euch als Geschäftspartnerinnen?
Rahmée Wetterich: „Marie ist meine ältere
Schwester. Wir haben die gleichen Wurzeln und sind dennoch sehr
unterschiedlich. Marie ist beispielsweise introvertierter als ich. Dafür schaffe ich den Spagat zwischen Afrika und
Europa besser. Marie und ich verstehen uns blind. Wir haben zur gleichen Zeit die gleichen Empfindungen und die selbe Richtung, in die wir gehen möchten.“
Marie Darouiche: „Meine Stärke liegt wiederum
in der Schneiderei. Ich experimentiere gerne und liebe das Zusammenspiel von
unterschiedlichen Mustern und Farben. Wir ergänzen uns demnach wirklich sehr gut.“
Was habt ihr aus den letzten sechs Jahren Selbstständigkeit
gelernt? In Bezug auf euch selbst und auf das Label?
Rahmée Wetterich: „Ich kann für mich sagen,
dass ich mich in jeglicher Hinsicht weiterentwickelt habe. Vor allem bin ich – und ich denke, Marie auch – meinen
Wurzeln ein großes Stück näher gekommen. In
Bezug auf das Label kann ich sagen, dass alle Erfahrungen, die wir in den
letzten Jahren gemacht haben, wichtig waren. Die positiven als auch die weniger
positiven!“
Worauf legt ihr in puncto Produktionsbedingungen besonders Wert?
Rahmée Wetterich: „Wir achten definitiv auf
Fairtrade, nicht nur in Bezug auf Materialien, sondern vor allem auf Menschen! Durch
das neue Projekt in Benin liegt bei uns der Fokus auf den Frauen und dass es ihnen
gutgeht.“
„Die Situation in Afrika muss
sich wandeln“
Die aktuelle FS 2016-Kollektion wurde statt wie sonst in
München, erstmals in Westafrika, in Zusammenarbeit mit dem Ausbildungsprogramm WEMA
Home e.V., produziert. Wie kam es zu dieser Kooperation?
Rahmée Wetterich: „Als wir das Label gegründet
haben, war es uns wichtig, Afrika mit einzubinden. Leider haben
wir festgestellt, dass die Stoffe, die wir verwenden, nämlich Wax Print, ihren
Ursprung nicht in Afrika haben, sondern aus Holland kommen. Nachdem wir uns tiefer mit
der Thematik befasst haben, war uns schnell klar, dass wir die Säulen Afrikas, nämlich
die Frauen vor Ort, unterstützen wollen. So ist in Zusammenarbeit mit Wema Home gekommen und die Idee geboren, Frauen in Benin auszubilden, um eine langfristige Hilfestellung zu
gewährleisten.“
Marie Darouiche: „Justine, unser erstes Mädchen
aus Benin, war nun schon mehrmals bei uns in München. Wir bringen ihr hier das
nötige Schneiderhandwerk bei, welches sie dann zurück in Afrika an andere
interessierte Frauen weitergibt. Sozusagen ‚Train the Trainer’.“
Wie viele Frauen arbeiten in der von euch aufgebauten
Schneiderei in Benin an euren Kollektionen?
Rahmée Wetterich: „Im Moment arbeitet Justine,
die wir in München als Trainerin ausgebildet haben, mit zwei weiteren Mädchen.
Das Ausbildungszentrum ist gerade im Aufbau. Wir rechnen mit dem Einzug Ende des Jahres. Dann werden wir mehr Frauen aufnehmen und
ausbilden. Wir wollen sie nicht nur ausbilden, sondern ihnen Arbeit und
dadurch die Möglichkeit geben, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen und
unabhängiger zu werden.“
Wie sieht die Situationen für Frauen generell in Benin aus,
könnt ihr dazu kurz ein paar Sätze sagen?
Rahmée Wetterich: „Frauen haben es in Afrika
generell nicht leicht. In Benin ist die Situation noch schwieriger als in
anderen Teilen Afrikas. Benin ist wirtschaftlich sehr arm! Die Mädchen und Frauen haben
kaum eine Chance auf Bildung beziehungsweise eine Berufsausbildung.“
Marie Darouiche: „Die Situation in Afrika muss
sich wandeln, wir wollen mit unserem Projekt Aufklärungsarbeit leisten und die
Situation für die Frauen verändern.“
Wie könnte man diese Frauen über euer Projekt hinaus gut
unterstützen?
Rahmée Wetterich: „Wir wollen den Frauen über ihre
eigene Arbeit hinaus helfen. Unsere Arbeit dort wird sein, möglichst viele Frauen
auszubilden. Parallel zur Ausbildung wollen wir jährlich eine Frühjahr/Sommer-Kollektion
produzieren und einen Markt über Deutschland hinaus dafür finden. Die ersten
Teile kommen sehr gut an! Das Projekt soll sich selbst
finanzieren. Jedes verkaufte Stück ist eine Unterstützung für unsere Arbeit und
für die Frauen in Benin!“
Marie Darouiche: „Das Projekt liegt uns sehr am
Herzen, wir freuen uns, ein Stück zurückgeben zu können und weitere Mädchen
ausbilden zu dürfen.“
Welche Zukunftsvision habt ihr für eure Schneiderei vor Ort?
Kann das noch ausgebaut werden?
Rahmée Wetterich: „In München arbeiten wir gerade an
einer ähnlichen Idee wie in Benin. Wir blicken bezüglich beider Projekte
zuversichtlich in die Zukunft. Wir haben sehr viele Pläne und
freuen uns auf alles, was noch kommen mag.“
Alle Artikelbilder: Attil Henning
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