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Diversity in deutschen Kanzleien

– die aktuellen Zahlen

 

Am 25. Februar 2016 wurde zum fünften Male der JUVE-Azur Award für Diversity1 an eine deutsche Rechtsanwaltskanzlei vergeben. Damit steht er nicht allein. Auch der vom Deutschen Anwaltsverein seit 2010 schon drei Mal vergebene “Maria-Otto-Preis” prämiert Anwältinnen, die sich für die Gleichstellung von Frauen im Anwaltsberuf besonders verdient gemacht haben. Ebenso wie der Förderpreis beim Führungskräfte-Contest für Jurastudentinnen, “Panda University Law@EBS”2, der das Ziel hat, junge weibliche Führungskräfte und künftige Partnerinnen in der Legal Branche vom Anfang ihrer Karriere an zu unterstützen.

Gender Diversity – ist das heute wirklich noch erforderlich?

Ist Gender Diversity und Equity in den juristischen Berufen überhaupt noch ein Thema, über das gesprochen wird? Ist Gleichberechtigung hier nicht längst gegeben? Immerhin können Frauen nun seit fast hundert Jahren ebenso wie Männer in Deutschland den Beruf des Anwaltes ergreifen. Die deutschen Universitäten produzieren schon seit einigen Jahren nahezu gleich viele Juristen wie Juristinnen. Und von den 164.000 in Deutschland zugelassenen Anwälten sind mittlerweile 34 % Frauen3. Eine erfreuliche Zahl und durchaus im Trend, wenn wir die Zahlen mit denen unserer Nachbarländer vergleichen4. Die Zukunftsstudie des Deutschen Anwaltvereins von 2013 sagt eine Angleichung dieser Anteile schon in den nächsten zehn Jahren voraus5. Gender Diversity dürfte also im Legal Sektor nichts entgegenstehen, möchte man meinen. Wozu sind dann also besondere Bemühungen in diesem Bereich und deren Prämierung überhaupt erforderlich?

Anwältinnen in Führungspositionen und auf Partnerebene immer noch in der Minderheit

In Führungs- und Entscheidungspositionen, in Repräsentationsfunktionen und Ämtern sowie bei Veranstaltungen und Konferenzen der Branche spielen Anwältinnen nach wie vor kaum eine Rolle. Auch heute noch finden juristische Fachtagungen statt, deren Präsidium ausschließlich aus Männern besteht. Kein Wunder: Der Anteil der Anwältinnen in Führungspositionen und auf Partnerebene liegt deutschlandweit immer noch bei unter 10 %, Tendenz sogar sinkend6.

Die Arbeitsgemeinschaft der Anwältinnen des DAV konnte erst 2014 erreichen, dass zumindest ein kleiner Prozentsatz der Veranstaltungen des Deutschen Anwaltvereins bzw. der Deutschen Anwaltsakademie bewusst mit Referentinnen besetzt wird, nachdem dies jahrelang eine rein männliche Domäne war. Anlass war wohl auch das zur gleichen Zeit viel beachtete DAV-Forum “Women Leaders Today and Tomorrow”, welches erstmalig in Berlin stattfand und die Schlusslichtposition deutscher Anwältinnen im internationalen Vergleich deutlich machte.

Kanzleien müssen die Zeichen der Zeit erkennen

Gender Diversity schien also tatsächlich leider noch gar kein Thema für die Legal Branche in Deutschland zu sein. Andere Branchen hingegen haben dies längst erkannt: Die Polizei setzt in besonderen Fällen ganz gezielt Polizistinnen zur Deeskalation ein. In der Wirtschaft kommt gerade an, dass gemischte Entscheiderteams innovativer und wirtschaftlich erfolgreicher agieren. Kriterien, an denen sich auch Kanzleien messen lassen müssen. Und tatsächlich fordern es selbst Mandanten von der Legal Branche bereits ein: Unternehmensrechtsabteilungen entscheiden bewusst, nur externe Rechtsberater mit ebenso gemischten Teams zu beauftragen7. Und auch dem Einzelmandant ist es in bestimmten, besonders sensiblen Rechtsgebieten wie dem Familienrecht alles andere als egal, ob er von einem Anwalt oder einer Anwältin vertreten wird.

Will eine Kanzlei erfolgreich und zukunftsfähig sein, wird sie sich also dem Thema Gender Diverstiy und Equality nicht verschließen können. Ein Punkt, der ebenfalls nicht unberücksichtigt bleiben sollte: Universitäten bilden bereits jetzt 50 % weibliche Jurastudenten aus, eine nicht unerhebliche staatliche Investition, kostet doch jeder Jurastudent dem Staat 4.560 Euro pro Jahr8. Welche Branche kann es sich heute noch leisten, auf hochqualifizierte Arbeitnehmer, die zusätzlich den Erfolgsfaktor Diversity einbringen würden, zu verzichten?

Wie man Gender Diversity bewusst einsetzt

Was wäre also, wenn man sich Gender Diversity im Anwaltsberuf nicht mehr nur verschließen, sondern dies bewusst einsetzen würde? Fakt ist, dass Frauen und Männer aufgrund ihrer biologisch-physiologischen Veranlagung Informationen typischer Weise in unterschiedlicher Quantität und Qualität aufnehmen und verarbeiten. Dies ist uns wegen der jahrtausendealten Prägung auf typische Geschlechterrollen in Fleisch und Blut übergegangen.
Frauen haben eher einen Rundumblick, sind auf das Wohl der Allgemeinheit bedacht und richten ihren Lösungsansatz auf Verhandlung und Einigung aus. Männer hingegen agieren im Ernstfall eher mit einem Tunnelblick. Sie sind dadurch zwar (scheinbar) schneller, entscheiden tatsächlich aber nur zweidimensional zwischen Angriff oder Wegrennen. Beides schränkt unsere Handlungsalternativen stark ein, zumindest wenn wir typisch männlich oder typisch weiblich kommunizieren. „Typisch“ ist dabei nichts anderes als das, was wir irgendwann einmal als weiblich und männlich im Hinblick auf die Geschlechterrollen definiert haben. Kommunikation selbst ist neutral.

Was heißt das für Juristen?

Der juristische Beruf erfordert eine hohe Kommunikationskompetenz, die aber weder in der juristischen Ausbildung noch beim Berufseinstieg explizit gefördert wird. Ebenso verhält es sich mit den Soft Skills wie emotionale Intelligenz, intellektuelle Flexibilität und Cultural Awareness. Hier den “typisch weiblichen Blick” und “typisch weibliche” Kommunikationsmuster und Eigenschaften auszublenden, hieße, nur mit halber Kraft zu agieren. Einige der Top 10 Kanzleien haben dies bereits erkannt und haben gezielte Förderprogramme, wie beispielsweise Freshfields Bruckhaus Deringer.

Verschließt sich also die Legal Branche dem Thema Gender Diversity in ihren eigenen Reihen weiterhin, steht zu befürchten, an der gesellschaftlichen Realität vorbei zu agieren und Vertrauen in ihre professionelle Kompetenz einzubüßen. 

In diesem Sinne –

Herzlichst,

Ihre Dr. Geertje Tutschka, ACC 

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 Der Artikel erschien am 25.02.2016 bei Soldan insight
Quellen 
 1 Diversity umfasst dabei die Themenkomplexe Geschlecht, familiärer Situation, Migrationshintergrund, Religionszugehörigkeit und sexueller Orientierung gleichermaßen.
2 fand erstmalig im Herbst 2015 in Wiesbaden statt.
3 Statistik der BRAK vom 01.01.2015
4 CCBE Statistic vom 01.06.2015.
5 Studie der Prognos AG für den DAV: „Die Zukunft der Anwaltschaft ist weiblich“, 2013.
6 Genderbarometer vom 12.01.2016, Agentur für Genderkonzepte Dr. N. Byok, S.2
7 Genderbarometer vom 12.01.2016, Agentur für Genderkonzepte Dr. N. Byok, S.2.
8 V. Widmann, „Jurastudium“ in Zeit-online vom 07.07.2015.

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