Foto: Patricia Bolinches

Mit Salat macht man sich keine Freunde

Veganer sollen jetzt auch noch auf Rohkost umsteigen? Klingt nicht sehr verlockend. Juliane Graf hat den neuen Trend trotzdem mal ausprobiert. Das Ergebnis? Nun ja. Aber lest selbst.

 

Der neue Trend unter Veganern: Rohkost!

In letzter Zeit beobachte ich einen Trend in den veganen Kreisen Berlins. Sei es beim Einkaufen, in Zeitschriften, auf Blogs oder eben traditionell in Gesprächen. Überall springt es mir entgegen: Rohkost!

„Also ich esse jetzt nur noch roh, seitdem fühle ich mich viel besser. Irgendwie frischer“, heißt es dann – manchmal mit einem herablassenden Ton, der mir das Gefühl gibt, Veganer zweiter Klasse zu sein.

Gibt es jetzt schon wieder einen neuen Trend, der an mir vorbeigegangen ist? Ist man besserer Veganer, wenn man auch noch Rohköstler ist? Vegan 2.0, die neue Stufe zur absoluten Erleuchtung sozusagen?

Wird jetzt alles doch noch richtig kompliziert?

Jetzt hat man es gerade geschafft, den kritischen Teil der Freunde davon zu überzeugen, dass es nicht kompliziert oder in irgendeiner Art und Weise schwer ist, vegan zu leben; dass wir in so ziemlich jedes Restaurant gehen können und es immer eine vegane Option gibt – jedenfalls hier in Berlin – und nun sollen sie doch recht gehabt haben? Wird’s jetzt kompliziert? Gibt’s nur noch Salat?

Ich will über nichts urteilen, bevor ich es selbst ausprobiert habe. Und da ich auch recht anfällig dafür bin, andere Ernährungsvarianten zu versuchen, begann ich mein neues, frisches Rohkost-Leben. Tatsächlich brachte mich schon der erste Morgen an den Rand der Verzweiflung: kein Kaffee?! Aber ich kann ziemlich hartnäckig und stur sein und wollte das durchziehen. Wer gibt schon nach nicht mal zwei Stunden auf? Ein paar Wochen später musste ich aber dann doch einsehen, dass reine Sturheit nicht ausreicht, um ein zufriedenstellendes Rohkost-Leben zu führen. Mir fehlte ehrlicherweise meist die Zeit und die Lust. Ich lebte von viel Wasser, Bananen zum Frühstück und Salat. Salat zum Mittagessen. Salat zum Abendbrot. Das ging so weit, dass meine Mitbewohnerin mir jedes Mal, wenn wir uns in der Küche trafen und sie mich beim Zubereiten meines Essens erwischte, den allseits bekannten Simpson-Song „you don’t win friends with salad“ entgegenträllerte.

Ich habe keine Zeit für diese Ernährungs-Sperenzchen!

Es mag ja tolle Alternativen geben: Gemüsenudeln, Cashew-Käse oder rohköstliche Torten. Aber nach einem langen Tag noch die Muße aufzubringen, Gemüse in hauchdünne Stängel zu raspeln oder daran zu denken, das DIY-Brot stundenlang im Ofen zu trocknen undenkbar! Den Lurchi-Spiralschneider habe ich genauso wenig gekauft wie das Nussmilch-Tuch – also schafften es auch die Zucchini-Spaghetti nie auf meinen Speiseplan. Zum achtstündigen Nüsse-Einweichen fehlte mir die Zeit, und mein Mixer hatte auch noch die Biege gemacht. 

Ich musste einsehen, dass ich einfach zu faul bin, um ein wahrer Rohköstler zu sein. Seitdem ich vegan lebe, hatte ich nie das Gefühl, auf etwas wirklich verzichten zu müssen. Und hier geißelte ich mich selbst. Pizza, Vöner, Phô, Kaffee – all das soll auf ewig von meinem Speiseplan verschwinden? 

Ich rufe also hiermit einen neuen Ernährungstrend aus: Hauptsache warm!

Denn die Entdeckung des Feuers soll schließlich nicht umsonst gewesen sein.

Dieser Text erschien zuerst in der Ausgabe 03/2015 des Noveaux Magazins. Geschrieben wurde der Text von Juliane Graf. Wir freuen uns, dass er auch hier erscheint.

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