Klima und Feminismus haben mehr miteinander zu tun, als die meisten Menschen denken. Denn werden Klimafragen ungerecht beantwortet, führt dass automatisch zu noch mehr Geschlechterungerechtigkeit. Feministische Politik kann eine Lösung sein.
Ich könnte jetzt die Klischees auf den Tisch packen: Männer fahren häufiger Auto, essen größere Mengen Fleisch und besitzen mehr elektronische Geräte. Anders gesagt: Männer sind schuld an der Klimakrise – also brauchen wir eine feministische Lösung.
„Was hat denn jetzt Feminismus schon wieder damit zu tun?“ Die Frage stellen mir Freund*innen, als ich von meiner Arbeit an diesem Text hier erzähle. Für viele ist ein Zusammenhang zu weithergeholt.
Dabei ist ein unterschiedliches Konsumverhalten – und damit eine unterschiedliche Klimabilanz – von Männern und Frauen nicht nur Klischee, sondern empirisch bewiesen. Das bestätigt auch Immanuel Stieß. Er ist Leiter des Forschungsschwerpunkts „Energie und Klimaschutz im Alltag“ am Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt am Main: „Männer essen mehr Fleisch“, sagt er. Aber: „Frauen sind überwiegend für die Versorgung zuständig und kaufen das Fleisch ein. Die Frage ist also, wem rechnet man das jetzt zu?“ Schaue man sich zudem Branchen wie die Textilindustrie an, würden Frauen wiederum mehr konsumieren – und entsprechend die Umwelt schädigen.
Klima ist nicht geschlechtsneutral
Trotzdem, Klima lässt sich nicht ohne den Geschlechteraspekt diskutieren. Denn zum einen ergeben sich die Unterschiede im Konsum durch unser patriarchal-strukturiertes Gesellschaftssystem. Schnelle Autos und die neuesten technischen Geräte sind mit einem „männlichen“ Bild verbunden. Frauen investieren dafür in Mode und Make-up, um einem bestimmten Ideal von Schönheit zu entsprechen. Männer sind risikofreudiger. Frauen von (patriarchaler) Natur aus genügsamer, umweltbewusster, öfter bereit, ihre Ernährung umzustellen, weil sie genau mit dieser Einstellung erzogen werden: wenig zu fordern.
Gleichzeitig sind Frauen stärker von den Folgen der Klimakrise betroffen. Denn: Hierarchien bedeuten immer Abgrenzung. Nach oben und nach unten. Wenn 70 Prozent der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, Frauen sind, ist klar, wer die Verlierer*innen des Systems sind.
So sterben bei Naturkatastrophen – die sich durch die Klimaveränderung häufen – mehr Frauen als Männer. Bei dem Tsunami 2004 kamen nach einem Bericht von Oxfam etwa viermal so viele Frauen wie Männer ums Leben. Warnungen erreichten sie häufig zu spät, und da sie sich oft zuhause um Kinder und Familie kümmern müssen, waren sie auch noch für andere Leben und deren Rettung verantwortlich.
„Im globalen Süden sind es 90 Prozent Frauen, die die unbezahlte Sorgearbeit für Alte, Kranke und Kinder übernehmen“, sagt Linda Ederberg. Sie ist Projektkoordinatorin beim internationalen Sekretariat des Vereins GenderCC, der sich seit Jahren für Geschlechtergerechtigkeit in der Klimadebatte einsetzt.
Auch Ungerechtigkeiten in Deutschland
Mit dieser Sorgearbeit geht auch die Versorgung der Familie mit Ressourcen wie Nahrung, Wasser und Energie einher. In Ländern des globalen Südens sind durchschnittlich 43 Prozent der Arbeitskräfte im landwirtschaftlichen Sektor Frauen, sie sind für 60 bis 80 Prozent der Nahrungsmittelproduktion zuständig. Trotzdem haben sie durch gesellschaftliche Strukturen oft einen schlechteren Zugang zu Land, Finanzierungen, Technologien, Bildung, Märkten und Entscheidungsprozessen – sodass sie nur wenig von dem landwirtschaftlichen Nutzen profitieren.
Bei Wasserknappheit und Ernteausfällen, die beispielsweise durch Dürren häufiger werden, müssen Frauen Alternativen finden. Damit erhöht sich nicht nur die Arbeitsbelastung und verringert sich die Zeit und das Geld in Bildung zu investieren. Wenn Mädchen und Frauen für die Wasserversorgung noch weitere Wege zurücklegen müssen, dann steigt für sie zusätzlich das Risiko, sexueller Gewalt ausgesetzt zu sein.
Energiearmut stellt ein weiteres existenzielles Problem dar – auch in reichen Nationen wie Deutschland: Klimaschutzmaßnahmen bedeuten, dass weniger Energie effizienter genutzt, aber dafür derzeit teurer wird. Steigende Energiekosten, zum Beispiel die durch den trockenen Sommer 2018, belasten vor allem einkommensschwache Haushalte – und es fällt auf, dass diese häufig von Frauen geführt werden, alleinerziehenden Müttern und Älteren.
„Lösungen“ sind patriarchal geprägt
Doch nicht nur die Ursachen und Auswirkungen der Klimakrise sind patriarchal geprägt, sondern auch die Lösungen. Diese Beobachtung hat auch Ederberg auf zahlreichen Klimakonferenzen gemacht: „Klimaschutzmaßnahmen werden in den gleichen stark patriarchal geprägten Denkmustern beschlossen, bestimmte Sektoren werden bevorzugt.“
Ein Beispiel seien sogenannte Greenjobs, also grüne Arbeitsplätze, die im Rahmen der Klimaanpassung neu entstehen sollen. Die fallen meist in von Männern dominierte Sektoren – beispielsweise erneuerbare Energien. Diese Branchen gelten in der Klimadebatte oft als „richtige Arbeit“ – wogegen unbezahlte Versorgungsarbeit oder der soziale Sektor, in dem mehr Frauen tätig sind, marginalisiert werden.
Positive (und negative) Beispiele
Dabei ist Feminismus vermeintlich im Mainstream angekommen, zum einen durch feministische Popkultur à la Beyoncé, zum anderen weil es inzwischen in jedem H&M T-Shirts mit dem Aufdruck „I am a Feminist“ zu kaufen gibt. Politisch progressive Entwicklungen, die strukturelle Diskriminierungen abbauen, müssen Aktivist*innen hingegen weiter mühsam erkämpfen. Als Stichwörter seien nur genannt die Frauenquoten, aktuelle Diskussionen um den Paragrafen 219a oder allein die mangelnde Repräsentation von Frauen und inter* Menschen in unserer Sprache.
Dass Klima- und feministische Politik zusammenfallen, zeigt schon ein vergleichender Blick: Schwedens feministisch eingestellte Umweltministerin Isabella Lövin unterzeichnete 2018 ein Gesetz, welches das Land bis 2045 CO2-neutral machen soll, während US-Präsident Trump – in so vielen Dingen frauenfeindlich – mit den USA aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen ist.
Kanada und Schottland gelten ebenfalls als Vorbilder im Klimaschutz, beide Länder stehen auch relativ weit vorn, wenn es um Geschlechtergleichstellung geht. Wissenschaftler Immanuel Stieß formuliert es so: „Wenn Geschlechtergerechtigkeit in der Gesamtpolitik ein Thema ist, dann wird Gender auch selbstverständlicher in Umwelt- und Klimapolitik aufgenommen.“
Wir brauchen eine feministische Klimapolitik
Dafür braucht es mehr Frauen als Handlungsakteur*innen an der Spitze. Im globalen Süden spielen sie bereits eine aktive Rolle im Klimaaktivismus. Aber ihre Stimmen fehlen in den Entscheidungs-und Umsetzungsprozessen. Umweltbewegungen und feministische Gruppen müssen Hand in Hand gehen. Wissen muss verbreitet werden. Wir brauchen Aufklärung. Sensibilisierung. Das Thema muss auch in nationalen Behörden Anerkennung finden. Eine Frau als Kanzlerin reicht nicht. Vor allem nicht, wenn sie sich schon dagegen sperrt, sich selbst Feministin zu nennen.
Vielmehr müssen die strukturellen Grundprobleme angegangen werden: Investitionen in Sozialsysteme und Infrastruktur sind am notwendigsten. Löhne müssen gerechter gemacht, soziale Berufe besser bezahlt, Sorgearbeit gerechter verteilt, Geschlechterrollen aufgebrochen werden.
Es geht bei der Klimafrage also nicht um Schuld, sondern darum Zusammenhänge zu erkennen. Geschlechtergerechtigkeit in der Klimakrise darf nicht weiterhin ein Nischenthema bleiben.