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Deinen Job macht jetzt ein Roboter – aber ist das eigentlich schlimm?

Panik bricht aus, weil jeder zweite Job von Automatisierung „bedroht’“ sei und die Wirtschaftselite denkt in Davos ernsthaft über das bedingungslose Grundeinkommen nach. Es ist Zeit, neue Fragen zu stellen.

 

Die Roboter kommen

Die digitale Revolution ist in vollem Gange. Wann genau der universell verwendetet Begriff der „Globalisierung“ durch den der „Digitalisierung“ ersetzt wurde, weiß ich nicht. Allerdings wird immer weniger davon gesprochen, dass die „Welt zusammenwächst“. Stattdessen bekommt sie neue Bewohner: Roboter. Und neue Dimensionen, alternative Realitäten. Alles wird unglaublich schnell, vernetzt und virtuell. Und denjenigen, die die Technologien und die Informationen verstehen, entwickeln und verkaufen, denen gehört die Welt.

Und was dann? Unlängst ist Panik ausgebrochen, denn jeder zweite Arbeitsplatz ist angeblich von der Digitalisierung bedroht. Es werden nicht so viele neue Jobs entstehen, wie wegfallen.

Heißt das, dass wir alle endlich Zeit für die wichtigen Dinge in unserem Leben haben? Unser Familien, Hobbys und den Kampf gegen den Klimawandel? Grund zur Freude?

Nein. Denn wenn man sich die Rhetorik der Debatte näher anschaut, kann man den Eindruck bekommen, der Weltuntergang stehe wirklich kurz bevor. Ich meine, hallo? Unsere heiß geliebten Arbeitsplätze sind bedroht! Von Vernichtung! Sie brechen einfach weg! Hilfe, Oh Gott. Rette sich wer kann.

Man kann nicht jeden Tag den Fortschritt und Innovationen beschwören und sich dann wundern, wenn sich tatsächlich auch was verändert. In den meisten Organisationen, Gewerkschaften und Parteien fragen sich nun deshalb wie immer alle, wie die Arbeitsplätze gerettet werden und wie wir möglichst alle voll beschäftigt und dafür irgendwie bezahlt kriegen.

In der Zwischenzeit passiert die Zukunft einfach. Anstatt sie zu gestalten, verweigern sich die zentralen Akteure, verstecken sich hinter Mindestlöhnen und überlassen es den Vorständen von Großkonzernen, gesellschaftliche Visionen zu formulieren und in die Debatte einzubringen. So haben sich innerhalb eines Monats sowohl Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender der Telekom, als auch der SAP-Vorstand Bernd Leukert für ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgesprochen. Das ist erstmal schön. 

Wer bestimmt, was sich verändert?

Sie ahnen, dass sich fundamentale Veränderung anbahnen. Aber warum nur sie? Sind diese Herren wirklich das Progressivste, was unser Land derzeit zu bieten hat? Müssen wir jetzt neuerdings unsere Hoffnung auf tolle Zukunftsvisionen in Events wie das elitäre Weltwirtschaftsforum in Davos setzen?

Die Struktur unserer Wirtschaft befindet sich in einem massiven Umbruch, während die Erde über die Grenzen ihrer ökologischen Belastungsfähigkeit gekommen ist. Allerhöchste Zeit richtig etwas zu verändern. Es geht um nichts weniger als die Neuverhandlung des Wohlfahrtsstaats und eine Neuorganisation unseres menschlichen Miteinanders. Das bedeutet, dass wir neue Fragen stellen müssen. zum Beispiel

1. „Ich arbeite, also bin ich“. Aber was ist eigentlich Arbeit?

Das Arbeitsplätze wegfallen heißt nicht, dass es keine Arbeit mehr gibt. Leider wird Arbeit noch immer mit Erwerbsarbeit gleichgesetzt, also bezahlter Arbeit. Dabei gibt es auch jetzt schon wahnsinnig viele Menschen, die für sehr wenig Geld oder gar keines arbeiten: zum Beispiel Menschen (vor allem Frauen), die sich um ihre Familienangehörigen kümmern oder politische Aktvist*innen. Auch das ist Arbeit. Und es ist Arbeit, von der wir uns dringend mehr leisten müssen. Denn es gibt genug zu tun. Dafür müssen Arbeit und Einkommen erstmal getrennt voneinander gedacht werden.

2. Was wollen wir eigentlich und was ist genug?

Wir wirtschaften, als wären wir in Not. Es wird immer von einem Mangel ausgegangen: mangelnde Zeit, mangelnde Ressourcen, ein Mangel an Arbeitsplätzen. Aber was ist denn eigentlich genug? Worauf arbeiten wir hin? Was ist wirklich wichtig? Wo ist der Fehler, wenn es nicht genügend Menschen gibt, die sich um andere kümmern und gleichzeitig so viele sinnlose Konsumgüter wie nie zuvor produziert werden? Und wenn wir nicht mehr durch Not getrieben und nicht durch unseren Arbeitsplatz definiert sind, wer oder was sind wir dann

Wenn die Notwendigkeiten kleiner werden, stellt sich die Frage nach dem Sinn. Was macht das Menschsein heute aus? Wie wollen wir uns unser Leben leben, wenn wir nicht mehr müssen?

Warum ernten wir nicht voller Freude gemeinsam die Früchte des technologischen Fortschritts, lassen die Maschinen für uns arbeiten? Vielleicht gäbe es dann endlich Zeit Armut zu beenden, uns um unsere Bildung und unsere Familien zu kümmern, die Demokratie mitzugestalten, Kunst zu machen, gutes Essen anzupflanzen, Dinge auszuprobieren, gesund zu werden, zu tanzen und den Kapitalismus zu verstehen – und dann zu überwinden.

Was würdest du tun, wenn für dein Einkommen gesorgt wäre?


3. Wer führt die Neuverhandlungen?

Der Wohlfahrtsstaat ist eine Errungenschaft und das Ergebnis langer und harter Aushandlungsprozesse, von dem alle profitiert haben. Der Dreh- und Angelpunkt sind die Arbeitsverhältnisse. Im Lichte der Digitalisierung können wir ernsthaft darüber nachdenken, Erwerbsarbeit und Einkommen zu entkoppeln. Wie es mit dem Sozialsystem weitergeht, müssen wir alle gemeinsam aushandeln. Das dürfen wir nicht dem Zufall und auch nicht Firmenvorständen überlassen.

Richtig umgesetzt könnte das bedingungslose Grundeinkommen die Basis und der Ausgangspunkt für einen neuen Kompromiss zwischen allen Akteuren sein: Menschen, Umwelt, Unternehmen und Maschinen. Richtig umgesetzt wird es aber nur, wenn dafür – und darüber – von allen gestritten wird.

Also?

Es geht darum, den technologischen Fortschritt nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu begreifen. Er passiert nicht einfach. Wir sind ihm nicht ausgeliefert. Wir haben die Macht ihn zu gestalten und für uns zu nutzen. Dafür müssen wir zunächst anerkennen, dass sich die Welt verändert. Und dann können wir kreativ damit umgehen und eine bessere Zukunft für alle erreichen. Dafür kommt es darauf an, dass wir lernen, anders über Fortschritt nachzudenken.


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