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Das Arbeitszeugnis: Wie wichtig es wirklich ist und was du beachten musst

Egal ob nach einem Job oder einem Praktikum: Wer ein Unternehmen verlässt, hat Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Warum das manchmal eine zähe Angelegenheit sein kann und worauf man unbedingt achten sollte.

Zwischen Lobhudelei und versteckten Codes

Ich muss zugeben: Ich habe einige unerfreuliche Erinnerungen zum Thema Arbeitszeugnis, und diese stammen allesamt aus der Zeit, als ich noch ein Praktikum an das nächste hängte: Der Chef der PR-Agentur etwa, in der ich für einige Zeit als Studentin gearbeitet hatte, sagte ganz locker-flockig, ich möge mir mein Zeugnis doch einfach selbst schreiben, Schreiben sei ja schließlich meine große Stärke, harhar, er würde dann nur noch seine Unterschrift druntersetzen.

Ich also polierte und feilte und kam mit einem Zeugnis daher, mit dem man mich umstandslos zur nächsten Bundeskanzlerin hätte befördern können, derart brillant kamen meine Fähigkeiten, mein Einsatz, mein vorbildhafter Charakter und meine außerordentliche Teamfähigkeit zur Geltung. Ich mailte meinem Chef meinen Entwurf – und wurde kurze Zeit später wutschnaubend in sein Büro einbestellt. Was ich mir denn einbilden würde, meine kleine Studententätigkeit in seinem Laden derart aufzubauschen, auf gar keinen Fall würde er sowas unterschreiben. Tja.

Dieses kleine, für mich damals höchst unerfreuliche Erlebnis führt uns gleich zum ersten Punkt, den es zu beachten gibt, wenn es um dein Arbeitszeugnis geht:

1. Lieber zuarbeiten als selbst schreiben

Gerade in kleineren Firmen ist es gar nicht so selten üblich, Praktikanten oder Berufsanfänger ihr Zeugnis selbst schreiben zu lassen – das kann zu Verwicklungen führen, siehe oben – aber auch eine tolle Chance sein: „Denn so hat man die Möglichkeit, Einfluss darauf zu nehmen, welche Inhalte im Arbeitszeugnis auftauchen werden“, sagt der Karrierecoach Walter Feichtner: „Wer die Möglichkeit dazu hat, sollte seinem Arbeitgeber eine Liste schreiben mit allen wichtigen Aufgaben, Projekten und Erfolgen“. Wer also aufgefordert wird, sein Zeugnis selbst zu schreiben, kann alternativ anbieten, eine solche Übersichtsliste zu schicken – und darum bitten, die genaue Formulierung des Zeugnisses dem Arbeitgeber selbst überlassen zu dürfen.

2. Achte auf Vollständigkeit

In allen größeren Firmen gibt es eine Personalabteilung, die sich um die korrekte Ausstellung eines Zeugnisses kümmert, in kleineren Unternehmen erledigt das wahrscheinlich der oder die direkte Vorgesetzte; egal, wer das Zeugnis ausstellt: Achte darauf, dass alle nötigen Details enthalten sind: Das sind neben Standardangaben (dein Name, Geburtsdatum und -ort, Dauer der Beschäftigung) Informationen zu deinen Aufgaben und Tätigkeiten, deinem Verantwortungsbereich,  zu deiner Funktion, zur Bewertung deiner Arbeitsleistung, ein Grund für deinen Abgang (im Idealfall „sie verlässt uns auf eigenen Wunsch“ oder „nach erfolgreichem Abschluss des Projekts“) – und eine wohlwollende Schlussformulierung (etwa „Wir bedauern ihr Ausscheiden sehr und wünschen ihr für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg alles Gute und weiterhin viel Erfolg“). Im Übrigen empfiehlt es sich, um das Zeugnis zu bitten, während du noch in dem Unternehmen arbeitest, und nicht erst, wenn du nicht mehr vor Ort bist.

3. Was alles vorkommen sollte

Laut Walter Feichtner sind das die Fragen, die das Zeugnis beantworten sollte:

– Warst du eine gute Mitarbeiterin?

– Wie engagiert und belastbar warst du?

–  Hast du besondere Erfolge erzielt?

– Wie zielstrebig und eigenverantwortlich hast du gearbeitet?

– Wie teamfähig und kundenorientiert warst du?

– Kann man dich weiterempfehlen?

4. Verschludere es nicht

Schon klar: Je nachdem, in welcher Branche zu arbeitest, wird das Zeugnis eine mehr oder weniger große Rolle spielen; in vielen kreativen Berufen, in denen man auf Projektbasis oder freiberuflich beschäftigt ist, ist es eher unüblich, sich ein offizielles Zeugnis für ein Projekt oder eine freie Mitarbeit ausstellen zu lassen – oft ganz einfach, weil es sich nicht um eine abgeschlossene Tätigkeit handelt, sondern man womöglich immer mal wieder zusammenarbeitet. Hier hast du alternativ zum Beispiel die Möglichkeit, dir ein eher formloses Empfehlungsschreiben geben zu lassen, in dem deine Geschäftspartner über eure Zusammenarbeit Auskunft geben und schreiben, dass und warum sie sehr zufrieden mit deiner Arbeit sind. Gerade wenn du gut mit jemandem zusammenarbeitest, wird er oder sie dir sehr gern beim beruflichen Weiterkommen helfen.

Leute, die besonders gut vernetzt sind, haben vielleicht schon seit Jahren kein Arbeitszeugnis mehr benötigt – weil sie auch schon seit Jahren keine offiziellen Bewerbungen mehr verschickt haben und sich ihre neuen Jobmöglichkeiten durch ihr Netzwerk, persönliche Empfehlungen oder Kontakte, ergeben haben; sollte das auch bei dir der Fall sein, kann es aber trotzdem nicht schaden, dich nach jeder abgeschlossenen Station um ein Arbeitszeugnis zu bemühen; keiner von uns kann wissen, wie sein beruflicher Weg verläuft und ob auch mal wieder Zeiten kommen, in denen man sich in ganz offiziellen Bewerbungsprozessen wiederfindet. „Deutschland ist das Land der Urkunden und Zertifikate“, sagt Walter Feichtner. Nach wie vor würden Leistungen und Erfolge oft nur anerkannt, wenn ein offizielles Arbeitszeugnis als „Beweis“ vorgelegt werden kann.

5. Lerne die Zeugnis-Codes grundsätzlich kennen

Weil es bei uns grundsätzlich verboten ist, schlechte Bewertungen in Arbeitszeugnisse zu schreiben, um den Arbeitnehmern die Suche nach einem neuen Job nicht zusätzlich zu erschweren, gibt es gängige, wohlwollend klingende Codes, die eigentlich etwas Negatives aussagen und über die wahrscheinlich die meisten von euch schon mal etwas gelesen haben. (Der Klassiker: die Umschreibung als „geselliger Kollege“ für den Hardcore-Alkoholiker.) Auch welche Formulierungen welcher Note entsprechen, ist gut zu wissen. Mehr dazu findet ihr zum Beispiel hier.

6. Gib dich mit einem schlechten Zeugnis nicht zufrieden

Wenn du mit einem Arbeitszeugnis überhaupt nicht zufrieden bist und dafür auch stichhaltige Gründe hast, dann solltest du unbedingt das Gespräch mit der Person suchen, die das Zeugnis ausgestellt hat; und zwar nicht vorwurfsvoll, sondern eher um Aufklärung bemüht: Hattest du eine gute Zeit in dem Unternehmen, dann stehen die Chancen nicht schlecht, dass solch ein Gespräch dazu führt, dass Änderungen in deinem Sinne vorgenommen werden; du solltest genau darlegen können, welche Elemente des Zeugnisses du aus welchen Gründen nicht korrekt oder unfair findest, und Belege parat haben, warum du eine bessere Bewertung verdient hast. „Am besten nennt man ganz konkret die Formulierungen, mit denen man unglücklich ist, weil sie eine negative Wirkung haben, und schlägt eine konkrete Alternativ-Formulierung vor“, sagt Walter Feichtner. Oft seien Arbeitgeber zum Kompromiss bereit.

Solltest du dich mit dem Unternehmen im Streit getrennt haben, könnte es schwieriger werden; sollte sich dein ehemaliger Arbeitgeber weigern, das Zeugnis in deinem Sinne zu ändern, kannst du als weiteren Schritt mit einem Brief vom Anwalt um die Berichtigungen bitten; weigert sich der Arbeitgeber immer noch, müsstest du vor Gericht ziehen; ob sich dieser Aufwand lohnt, muss jeder individuell selbst entscheiden – dass es wegen eines Arbeitszeugnisses zum Gerichtstermin kommt, dürfte eher die Ausnahme sein.

7. Nicht verzweifeln: Ein Zeugnis ist nicht alles

Sollte tatsächlich mal eins deiner Arbeitszeugnisse überhaupt nicht deinen Vorstellungen entsprechen, und schaffst du es auch nicht, im Gespräch mit dem ehemaligen Arbeitgeber etwas zu erreichen, und scheint es dir übertrieben, extra vor Gericht zu gehen: Ein Ausreißer in der Bewerbungsmappe bedeutet nicht automatisch, dass du aussortiert wirst; wenn die anderen Referenzen stimmig sind und auch sonst alles an deiner Bewerbung passt, dann wird eine Einladung zum Bewerbungsgespräch nicht an einem eher mäßigen Zeugnis scheitern; und im persönlichen Gespräch hast du dann ja ohnehin die Möglichkeit, deine Gesprächspartner von dir zu überzeugen.

Ein richtig schlechtes Arbeitszeugnis solltest du aber besser nicht deinen Unterlagen beifügen. „Im Zweifelsfall fehlt dann eben ein Zeugnis und man sollte sich genau überlegen, wie man damit umgeht, falls man im Bewerbungsgespräch darauf angesprochen wird“, sagt Walter Feichtner. Wer sich mit einer kleinen Notlüge besser fühlt, kann ganz einfach sagen, er habe damals kein Zeugnis bekommen; auf gar keinen Fall solltest du dich dazu hinreißen lassen, über deinen Konflikt mit dem früheren Arbeitgeber Details preiszugeben oder nachzutreten. Jedenfalls solltest du nicht verzweifeln, wenn mal ein Zeugnis einen Ausreißer nach unten darstellt: Mit genug anderen sehr guten Referenzen lässt sich so ein Ausrutscher durchaus kompensieren.

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