Katharina Kurz ist Mitgründerin der Craft-Beer Marke Brlo. Wie es dazu kam, was das Bier ausmacht und wohin sie mit ihrem Unternehmen wollen, hat sie uns erzählt.
Eine Frau und ihr Bier
Es ist ein schwüler Tag, als ich mich aufmache, um Brlo-Mitgründerin Katharina Kurz zu treffen. Also genau die richtigen Bedingungen, um ein Glas ihres Craft-Beers zu kosten. Nach meinem ersten Schluck des Pale Ales rufe ich triumphierend: „Grapefruit!“ – und glaube, damit die Besonderheit des Bieres entdeckt zu haben. Aber Katharina lacht nur und sagt: „Eigentlich schmeckst du da nur den Hopfen.“ Dass der, wenn er zwei Wochen nach Lagerung noch einmal frisch hinzugefügt wird, so eine Wirkung entfalten kann, war mir nicht bewusst. Und das soll nicht das einzige sein, was ich heute über Craft-Beer und das Gründen einer Biermarke lernen werde.
Übrigens ist es den Gründern sehr bewusst, dass erst einmal niemand weiß, wie man den Marken-Namen aussprechen soll. Aber das finden sie auch ganz OK so. Wer wissen will, wie es geht, erfährt es vielleicht in diesem Video. Oder schaut einfach auf die Rückseite der Bierflasche.
Wie kamst du auf die Idee, ein eigenes Bier auf den Markt zu bringen?
„Ich kannte das Thema Craft-Beer aus dem Ausland. Ich habe länger in den USA gelebt und es dort kennen sowie lieben gelernt. Im Januar 2014 war ich dann noch einmal in Australien und hatte einen unglaublichen Spaß an der Biervielfalt und den unterschiedlichen Stilen – etwas, das man ja in Deutschland gar nicht kennt. Ich kann mich noch an den Moment erinnern, als ich in einem Bottle-Shop stand, einen Sixpack aussuchen sollte und mich einfach nicht entscheiden konnte – weil ich alle so großartig fand und alle auch so toll gestaltet waren. Und ich sagte mir: Man, warum haben wir das nicht in Deutschland? Da wusste ich noch gar nicht, dass es hier in Berlin schon mit der Craft-Szene angefangen hat. In diesem Moment kam der Wunsch in mir auf, das irgendwann in meinem Leben mal als Nebenprojekt zu machen. Nach der Reise habe ich zufällig meinen alten Studienfreund Christian wiedergetroffen, der auch gerade mit dem Thema Bier zu tun hatte. Er wollte mit seinem Papa so eine Art Vater-Sohn-Projekt starten und sich das Brauen beibringen. Wir waren beide ganz begeistert und schmiedeten den Plan, etwas in Richtung Bier aufzuziehen. Und irgendwie fiel uns dann alles zu. Alle fanden die Idee toll und wir haben Michael kennengelernt, ein junger Braumeister, der dann auch noch einstieg. Alles hat perfekt gepasst und irgendwann haben wir uns in die Augen gesehen und uns gefragt: ‚Machen wir jetzt wirklich Bier?’ (lacht) Ich war gerade mit meiner Promotion im Bereich Marketing fertig und war sowieso auf der Suche danach, wie es für mich weitergeht. Es war dann klar, dass es das ist und wir damit etwas bewegen können – und schließlich haben wir angefangen, Bier zu machen.“
Für alle, die es nicht wissen: Was macht Craft-Beer aus?
„Eigentlich muss ich noch einmal kurz erklären, wo das überhaupt her kommt. Entstanden ist der Begriff in den USA und das eigentlich aus einer Not heraus, weil sie dort nur fünf große Braukonzerne mit gelben, wässrigen Wasser hatten. Und dann haben Ende der 80er Anfang der 90er Jahre kleine Brauer, Hobby-Brauer eigentlich, angefangen Bier zu machen und mit Zutaten zu experimentieren, ganz neue Sorten zu kreieren und waren auch ganz liebevoll in der Gestaltung. Daraus sind dann ganz tolle Unternehmen entstanden. In Deutschland ist es schwieriger diesen Begriff zu erklären, einfach weil wir ja so eine wahnsinnige, hunderte Jahre alte Bier-Tradition haben. Ich definiere es als handwerkliches Bier, das in kleinen Mengen produziert wird und ganz wichtig: an das kreativ herangegangen wird. Nicht nur Pils und Weizen, sondern dass sich auch mal ausländische Brauformen angesehen und reinterpretiert werden. Im Prinzip geht es darum, mit Rohstoffen kreativ umzugehen.“
Kommt einem da nicht das Reinheitsgebot in die Quere?
„Ja, das Reinheitsgebot, das ist so eine Sache. Wir haben unsere ersten Biersorten auch nach dem Reinheitsgebot gebraut, weil man auch innerhalb des Reinheitsgebotes geschmacklich wahnsinnigen Spielraum hat, wie man an dem Pale Ale schmeckt. Aber wenn man tolle Rohstoffe hat, warum dann nicht mal ein Bier mit Himbeeren oder Gewürzen brauen? Man darf es dann eben in Deutschland nicht Bier nennen. Toll ist doch, dass sich im Bereich Bier mal wieder was bewegt, Startups entstehen und das Bier durch Verköstigungen und unerwartete Aromen eine neue Wertigkeit bekommt. Ich hoffe, bald kommt die Zeit, in der Bars eigene Craft-Beer-Karten haben und genauso wie beim Wein, eine Auswahl an 25 Biersorten angeboten wird.“
Das Brlo-Gründerteam: Katharina, Christian und Michael. Foto: Brlo
Wo braut ihr das Bier und was ist das Wichtigste an dem Prozess?
„Michael ist sowohl Mitunternehmer als auch der Braumeister, die Rezepte haben wir gemeinsam entwickelt. Was wir machen, ist ‚Gypsy-Brewing’, wie man es in der Szene nennt. Das heißt, wir haben noch keine eigene Brauerei, sondern mieten uns in zwei Partnerbrauereien im Umland ein. Da bleiben wir so regional wie möglich. Eine Brauerei ist in Brandenburg und eine in Sachsen-Anhalt. Wir gehen da hin, bringen alle Rohstoffe mit, also in unserem Fall Biomalze– und hopfen, und Michael braut dort. Wie eine Mietküche. Zum Abfüllen sind wir dann wieder da. Es ist toll, man kann einfach anfangen, ohne drei Millionen Euro für eine Brauerei haben zu müssen und für die Brauereien ist es gut, weil die gar nicht ausgelastet sind. Es ist also eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Und man kann ohne viel Kapital starten, sehen wie man wächst und dann weiter planen. Um neue Rezepte auszuprobieren, haben wir zusätzlich eine kleine Experimentierküche.“
Was war die größte Hürde, auf dem Weg zum eigenen Bier?
„In der Anfangsphase war tatsächlich die Logistik das größte Problem. Ich habe ja zuvor in der Digitalbranche gearbeitet und auf einmal hast du ein Produkt, für das du Tonnen von Rohstoffen organisieren muss. Da hat man auf einmal 30.000 Flaschen und tausende Kisten, die irgendwo stehen und dann von A nach B müssen. Es ist ja eigentlich ein kleinmargiges Produkt, was aber sehr viel wiegt, sehr viel Platz wegnimmt und schnell verbraucht wird. Wir lernen da auch immer noch jeden Tag dazu. Man muss am Anfang einfach mal machen und irgendwann wissen, wo die Stellschrauben sind, um einen Prozess perfekt werden zu lassen.“
Habt ihr irgendwann mal gedacht: Ach nee, das lassen wir lieber doch?
„Ja, so halbernst habe ich schon mal gedacht: Ach, jetzt könnte man noch raus. Aber da hatten wir schon viel zu viel Spaß am Thema und es schon viel zu vielen Leuten erzählt. Es war einfach klar, dass wir das durchziehen. So richtig stand das also nie zur Debatte.“
Wie bringt man dann eigentlich ein neues Bier an den Mann? Läuft man von Lokal zu Lokal und stellt es vor?
„Wir haben uns tatsächlich eine Excel-Liste gemacht, von Läden, die wir kannten oder die wir toll fanden, und sind diese dann an zwei bis drei Tagen die Woche mit dem Auto voller Bier abgefahren. Wir sind ohne Termine in die Läden rein und es haben sich alle immer Zeit genommen, auch wenn sie hinterher gesagt haben: ‚Nein, das ist noch nicht interessant.’ Aber alle waren offen. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass wir zum perfekten Zeitpunkt gestartet sind. Man kann ja zu früh oder zu spät sein, aber bei uns war das Grundrauschen schon da. Jeder hatte mal davon gehört und auch die Medien haben sich schon auf das Thema gestürzt – und das zu einem Zeitpunkt, als die Gastronomie noch hinterherhinkte. Es ist ja immer noch so, wo bekommt man denn schon Craft-Beer?“
Mit dir aus dem Marketing, Christian, der bereits ein Startup mit hochgezogen hat und Michael als Braumeister habt ihr ja eigentlich den perfekten Überbau, um eine Biermarke hochzuziehen.
„Ja, das hat mir anfänglich auch totale Sicherheit gegeben. Einfach, weil das Gründungsthema gar kein großes war. Zwischen uns dreien herrscht einfach die perfekte Kompetenzergänzung.“
Eine Frau, die Bier braut. Scheint ungewöhnlich – ist es in der Szene aber sicher gar nicht. Macht es dir Spaß mit dem Stereotyp zu brechen?
„Klar, das macht schon ein bißchen Spaß. Aber man muss wirklich sagen, dass es in der Craft-Beer-Szene wahnsinnig viele bierbegeisterte Frauen und auch spezialisierte Bloggerinnen gibt. Aber in der Braukunst beziehungsweise unter den Biergründerinnen selber gibt es tatsächlich nicht so viele Frauen.“
Lebt Craft-Beer davon, klein zu bleiben oder wollt ihr richtig groß werden?
„Auf dem deutschen Markt geht in Sachen Craft-Beer noch einiges. Ich finde, man darf und soll auch wachsen. Dabei ist es aber wichtig, dass die Prinzipien immer beibehalten werden, also man weiterhin die besten Rohstoffe nimmt, irgendwann eine tolle Unternehmenskultur entstehen lässt und das man den Craft-Spirit des Experimentierens behält. Natürlich ist es schön, wenn man irgendwann sein Geld damit verdient und ein paar Arbeitsplätze schafft. Das wollen auch wir. Und eine eigene kleine Brauerei aufzubauen, das ist der nächste Schritt dahin.“
Mehr bei EDITION F
Bionade-Gründer: „Nur wer nichts macht, macht keine Fehler“ Weiterlesen
Katrin: „Für mich kam nur Berlin in Frage“ Weiterlesen
Der perfekte Mitgründe. Weiterlesen