Foto: frl-wunderbaar.tumblr.com

Der Egoismus des Helfens

Was sagt man, wenn man belächelt wird, weil man als Volunteer nach Afrika gehen will?

 

Wir sitzen im Café beim Frühstück. Als ich gerade mit meinem
Obstsalat fertig bin, erzähle ich ihnen, dass ich als Volunteer nach
Afrika gehen werde. Sie schauen mich an, mit großen Augen und leerem
Blick. Als die Begriffe Waisenkinder und Frauengruppe fallen,
meine ich, hinter dem leeren Blick ein Schmunzeln erkennen zu können.
Ich habe das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen, weil ich mir ein Bild
von dem ausmale, was sich vor ihrem geistigen Auge gerade abspielt: Ich in bunten Pluderhosen, mit leicht angefilzten Locken und zum
Turban gebundenem Tuch auf dem Kopf, mit salbungsvollen Worten über den
Weltfrieden auf den Lippen. Ich versuche, zu relativieren: Nein, ich bin
doch nicht eine von diesen Öko-Tanten, die die Welt verbessern oder
missionieren wollen.

Aber was will ich denn eigentlich?

Als
ich vom Frühstück nach Hause laufe, beschäftigt mich dieses Gespräch
den ganzen Weg. Oder besser gesagt: dieser Monolog, den ich geführt
habe, der sich letztendlich in einer Tirade aus Rechtfertigungen ergoss.
Ich möchte etwas tun. Helfen. Weitergeben, was ich kann. Jedesmal, wenn
ich das laut ausspreche, fürchte ich die Verurteilung als Gutmensch,
sehe ein Schmunzeln auf den Lippen derer, die mir zuhören. Ja, ich will
helfen. Nein, ich bin kein Gutmensch. Ich weiß, dass ich bestimmt nicht
die Welt verändern oder retten oder schöner machen kann. Helfen hat
doch, wenn man es einmal genauer betrachtet, durchaus einen
egozentrischen Aspekt. Helfen befriedigt auch beim Helfenden
Bedürfnisse, den Wunsch nach Anerkennung zum Beispiel.

Mein
egoistisches Anliegen in dieser Angelegenheit: Ich möchte durch das,
was ich anderen Gutes tue, selbst ein Stück weit reifen. Ich will mich
weiterentwickeln und in jeglicher Hinsicht eine bessere Version meiner
Selbst werden. Ich möchte außerdem so gerne einmal etwas tun, wonach
sich nicht mein Gehalt bemisst, wobei ich nicht das Gefühl habe, mich
beweisen zu müssen. Wo keiner sagt: Das müsstest du doch können. Wo es
nicht darum geht, Deadlines einzuhalten oder etwas zu verkaufen. Oder mich zu
verkaufen. Kurzum: Ich helfe, weil es mir Spaß macht; ich fliege nicht
auf einen anderen Kontinent, weil ich mich zum Helfen zwingen muss. Ich
möchte damit jedoch nicht die Intention oder Bedeutsamkeit des Helfens
relativieren, denn Helfen ist etwas Ehrenwertes: wenn die Befriedigung
eigener Bedürfnisse der Umwelt nutzt, entsteht eine höchst fruchtbare
Win-Win-Situation. Ich will damit nur sagen, dass es nicht um
Gutmenschentum geht und dass ich, wenn ich darüber erzähle, mir eben
jenes nicht vorwerfen lassen will. Ich will mich nicht schämen müssen,
laut auszusprechen, dass ich zu helfen bereit bin. Zu laut ist aber auch
nix: wer Socality Barbie kennt, wird Barbie Savior lieben (zum Schreien komisch, zum Weinen traurig).

Gut. Mensch.

Ich
bin weder idealistisch noch naiv (zumindest nicht, was dieses Thema
angeht). Dass ich mit einem ein paar Monate dauernden Aufenthalt in
Afrika nicht die Welt nicht verändern oder retten oder schöner machen
kann, weiß ich.

Dass ich nicht irgendwo hingehe und die Menschen dort auf mich gewartet
haben, ist mir durchaus bewusst. Dass ich nicht nach Afrika gehe, ein
paar Wochen Workshops gebe, wieder nach Hause fliege und damit alles gut
ist und mein Gewissen reiner, ist mir auch klar. Aber ich versuche,
auch in meinem Alltag Dinge zu vermeiden, die anderen Menschen oder
Lebewesen schaden können (z.B. Fast Fashion- oder Fleisch-Konsum),
sodass ich gerne auch etwas bewusst tun möchte. Nicht nur passiv
vermeiden, sondern aktiv machen. Ob ich eine herbe Enttäuschung erleben
werde oder wirklich helfen kann, wird sich in den kommenden Monaten
zeigen. Ich bin gespannt, rechne mit allem – und erwarte nicht weniger
als: Alles. Denn alles ist möglich. Immer. Überall.

Ich
habe mich immer wieder dabei ertappt, diese Argumentationskette
hervorzubringen, wenn ich mich – wie an jenem Morgen im Café – als
Gutmensch verturteilt fühle. Bis mir klar wurde: Gut und Mensch,
das sind genau die beiden Begriffe, die mir wichtig sind und die mein
Leben bestimmen sollen. Ich will ein guter Mensch sein. Ende der
Diskussion. Auch, wenn ich die wahrscheinlich ohnehin nur mit mir selbst
führe – und das zu erkennen, ist auch schon ziemlich gut, oder nicht?!

Was für ein großes Glück es ist, dass ich die Möglichkeit habe, das zu tun. Dass
ich so frei bin, das zu tun. Mögen es auch nur ein oder zwei Menschen
sein, die sich in meiner Nähe oder meiner Taten wegen gut fühlen.

Dann ist das gut und menschlich.

Gut, Mensch!

Anzeige