Sich nicht trauen, um Unterstützung zu bitten, das kommt bei Eltern häufiger vor – obwohl man sie bitter nötig hätte: Wenn das Kind krank ist, die Kita zu oder man einfach mal abends ins Kino will. Das muss sich ändern!
Um Hilfe zu bitten, fällt vielen schwer
Am Rande einer Veranstaltung unterhielt ich mich neulich mit einer Mutter, die meinte, die KidPick App sei ja eine gute Idee, aber es würde ihr inzwischen schwer fallen, andere Eltern zu bitten, ihr Kind mit abzuholen, weil sie weiß, dass ihr zum Revanchieren einfach die Zeit fehlt.
Muss man bei der Kinderbetreuung im Freundes-oder Elternkreis überhaupt an Gegenleistung denken?
Und warum ist es uns Eltern so unglaublich unangenehm, zuzugeben, dass wir nicht alles schaffen? Setzen wir uns nicht ein bisschen sehr unter Druck? Ist elterliche Perfektion wirklich der Weg ins Glück?
Die Realität sieht doch vielmehr so aus: Die einen sind vielleicht in der Betreuung der Kinder top, die Zeit für sich selbst kommt aber zu kurz. Andere arbeiten viel und trotzdem fehlt das Geld für Babysitter. Manche sind lange in Elternzeit, bauen Netzwerke mit anderen Eltern und Kindern auf, laden häufig zu sich ein, haben tolle Ideen für gemeinsame Unternehmungen mit den Kindern, kommen aber jobmäßig auf keinen grünen Zweig.
Und bei der oben genannten Mutter wog offenbar das schlechte Gewissen schwer, weil sie wusste, dass sie durch ihren Vollzeitjob bis an die Hutschnur ausgelastet ist und in näherer Zukunft nicht die Gegenleistung zurückgeben kann, die sie für adäquat hielt.
Dabei ist es sogar fast egal, wie organisiert man als Elternteil ist: Es ist und bleibt schwierig Job, Familie, Haushalt, Hobbys, Beziehung, eigene Freunde und Freundschaften der Kinder unter einen Hut zu kriegen, ohne dass etwas auf der Strecke bleibt. Bei allen.
Ist es wirklich so, dass man als Nutznießer dasteht, wenn das Kind nachmittagelang von anderen Familien mitbetreut wird und man es selbst erst nach Monaten schafft, das befreundete Kind mal mit ins Kino zu nehmen? Es führt, glaube ich, keiner der Eltern eine Strichliste über geleistete Betreuungszeit für befreundete Kinder und schaut einen mahnend an, wenn man fragt, ob das Kind mal wieder mitgenommen werden kann.
Ich bin zum Beispiel wirklich keine Soccer Mom – dieses dreimal-die-Woche-am-Spielfeldrand-stehen ist einfach nicht meins. Und deswegen war ich jedes Mal dankbar, wenn sich ein anderes Elternteil angeboten hat, unseren Sohn mit zum Training zu nehmen. Ich gehe dafür gerne mit Kindern schwimmen, auch mit mehreren. Da sind dann zwar nie 1:1 die Fußballteam-Kinder mit dabei, aber dafür andere, deren Eltern bestimmt auch froh sind, die drei Stunden für sich zu nutzen, so wie ich froh bin, wenn ich nicht zum Fußball muss!
Eltern, wir sitzen doch alle in demselben Boot namens Alltag! Warum schmeißen wir nicht einfach unsere Hemmungen über Bord und fragen andere Eltern ganz direkt, ob sie das Kind für eine Übernachtung nehmen können, damit man den Abend mal wieder zu zweit verbringen kann? Es ist ja nicht so, dass anderen Eltern dieses Phänomen gänzlich unbekannt ist…
Ja wo sind sie denn, die Großeltern?
Natürlich ist es ein absoluter Glücksfall, wenn die Großeltern in der Nähe leben und ein gutes Verhältnis zum Enkelkind haben. Doch oft ist es ja so, dass sie gerade nicht um die Ecke wohnen, selbst lange berufstätig sind, oder, wie in unserem Fall, ständig verreist. Toll, wenn Großeltern da sind, oder man sich Leihomas leisten kann. Wenn nicht, fallen schon mal vier potenzielle Betreuer weg, zum Beispiel wenn das Kind krank ist.
Für berufstätige Alleinerziehende und Selbständige ist ein krankes Kind gleich viel problematischer als für Paare: Jeder Angestellte kann rein rechtlich zehn Tage im Jahr beim kranken Kind zu Hause bleiben, ohne dafür mit Gehaltsabzug oder der Kündigung zu rechnen. Bei Paaren macht das also zusammen 20 Tage im Jahr, Alleinerziehende können bis zu 20 Krankheitstage nehmen. Aber was tun, wenn die nächste Grippewelle ansteht und dieses Budget bereits ausgeschöpft ist?
Wir hatten gerade kürzlich den Fall, dass mehrere aus der Schulklasse unseres Kindes die gleiche fiebrige Erkältung hatten. Wir haben uns dann tageweise abgewechselt: An einem Tag hingen die kranken Kinder bei den einen, am anderen Tag bei den anderen Eltern in den Seilen, während wir abwechselnd unseren Jobs nachgingen. Wir haben uns organisiert und alle haben davon profitiert.
Und unglaublicherweise ist sogar schon einmal Folgendes passiert: Unser Sohn war krank, wir mussten beide dringende Termine wahrnehmen und als ein Kitapapa davon hörte, ist er damals eingesprungen und ist an dem Tag zu uns nach Hause gekommen, um unseren Sohn zu betreuen. Er meinte, solange er WLAN hat, ist alles in Ordnung. Das hätte ich nie erwartet und meine Dankbarkeit war riesengroß.
Es ist nur eine Phase…
Die Erfahrung zeigt, dass es für alles Phasen gibt. Es gab eine Phase, da waren mein Partner und ich auf die Hilfe anderer Eltern und der Großeltern angewiesen, weil wir beide beruflich sehr eingespannt waren.
Danach gab es eine Phase, in der die Mutter eines Kitafreundes unseres Sohnes schwer krank war und wir eines ihrer Kinder häufig mitbetreuten, um sie zu entlasten.
Anschließend gab es eine Phase intensivster Verabredungszeit -„Mama, kann ich heute/morgen/am Wochenende mit zu Paul/Lotte/Tim/Ben…“ – in alle Richtungen war unser Sohn verabredet.
Im Anschluss kamen dann Paul/Lotte/Tim/Ben zu uns und bauten nachmittagelang Höhlen in unserem Wohnzimmer, fuhren mit uns in den Urlaub, kamen mit auf Ausflüge.
Danach kam die Zeit, in der unser Sohn nur mit uns zu Hause sein wollte und keine Lust hatte, sich zu verabreden.
Das Gute an uns Eltern ist doch, dass uns einiges verbindet; die meisten von uns leisten mindestens einen Spagat, nur zu anderen Zeiten!
Im engsten Umfeld unserer Kinder können und sollen wir uns vertrauen und davon ausgehen, dass es dem anderen nicht anders geht: Es herrscht immer ein Mangel an Zeit für sich selbst, für den Job, für den Haushalt oder für den Partner. Und bis die jeweilige Phase vorbei ist, sollten wir den Mut haben, um Unterstützung zu bitten.
Denn vielleicht kann man die Hilfe nicht an genau dieselbe Familie zurückgeben – aber vielleicht hilft es, Unterstützung als einen großen Topf zu sehen, aus dem wir alle einmal schöpfen dürfen.
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