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Wie es mit der Gleichberechtigung in meiner Beziehung geklappt hat

Frauen, gebt mehr Verantwortung ab! Warum die Klärung von Verantwortlichkeiten gut für eure Beziehung ist.

 

Wir müssen über Verantwortung sprechen, nicht über Aufgaben

Ich beobachte Männer, die meinen in einer gleichgestellten Beziehung zu leben, weil sie ihre Frau unterstützen. Sie bringen den Müll runter, machen den Abwasch und holen die Kinder aus der Kita ab. Ist das Emanzipation? Bedeutet Gleichstellung in der Paarbeziehung, dass der Mann seine Frau im Haushalt und bei der Kinderbetreuung unterstützt? Die Antwort liegt für mich auf der Hand, denn unterstützen kann man nicht auf Augenhöhe. Unterstützen kann man nur jemanden, der die Verantwortung trägt. Und genau das ist der Punkt – die Verantwortung.

Selbst wenn man als Paar Aufgaben gut aufteilt, fühlt sich die Frau traditionsgemäß trotzdem für Haushalt und Kinderbetreuung verantwortlich. Und Verantwortung belastet und stresst uns. Verantwortung heißt den Überblick zu bewahren, ständig alles im Blick haben, an alles zu denken, Augen und Ohren offen zu halten, Feedback anzunehmen, Situationen zu reflektieren … nicht abschalten.

Und im Hinterkopf dieses leise Flüstern, das sagt: „Eigentlich ist das deine Aufgabe.“

Wir müssen reden

Um aus dieser Unterstützungsfalle rauszukommen, müssen wir vor allem miteinander reden und zwar über Verantwortung. Mein Partner und ich haben als erstes in Gesprächen festgestellt, welche Aufteilung der Verantwortlichkeiten sich unbewusst etabliert hat:


Er: Auto (Reparaturen, Versicherung, Reifenwechsel, etc.)

Ich: Deko in der Wohnung, Geschenke für Freunde und Familie

Er: Geschirrspüler, Sauberkeit Wohnung


Ich: Unternehmungen, Ausflüge, Treffen mit Freunden

Das hieß nicht, dass ich nicht auch mal die Reifen vom Auto gewechselt habe (um mir selbst zu beweisen, dass ich es kann), aber ich habe mir keine Gedanken gemacht, wie abgefahren das Profil ist, ob wir beim nächsten Wechsel neue Reifen brauchen und wenn wir neue brauchen, welche wir kaufen, usw. 

Nach dem wir festgestellt haben, wer bis jetzt in welchen Bereichen Verantwortung übernommen hat, haben wir automatisch darüber nachgedacht, ob uns das so gefällt oder ob wir daran etwas ändern wollen. Es hat uns geholfen, uns und unsere Beziehung noch besser kennen zu lernen und Alltagssituationen und -frustrationen besser zu verstehen. Es hat uns geholfen in tiefere Gespräche einzusteigen, als sich gegenseitig Vorwürfe zu machen, dass der andere die Aufgaben „nicht sieht“. 

Mit der Geburt unserer Tochter sahen wir viele neue Aufgaben auf uns zu kommen, die wir gemeinsam bewältigen wollten. Nach der traditionellen Rollenverteilung läge die Verantwortung für unser Kind bei mir. Allerdings würde dies unserer Vorstellung einer gleichgestellten Beziehung widersprechen. Also haben wir die Aufgaben in Verantwortungsbereiche sortiert und zwischen uns aufgeteilt. Das gibt die Chance die Bereiche so aufzuteilen, wie es jedem Spaß macht und daher auch leicht fällt. 

Bei uns sieht das so aus. 

Er: Arzttermine, Transport (Kinderwagen, Babytrage, Autositz, …)

Ich: Ernährung, Klamotten

Im Alltag merke ich, welchen großen Unterschied es macht, dass wir nicht die Aufgaben, sondern die Verantwortungen aufgeteilt haben.

Ein Beispiel:

Thema Kinderarzt: Die Aufgabe abgeben würde bedeuten, ich sage ihm: „Bitte geh am 3. März um 11:30 Uhr zur U6. Die Chipkarte leg ich dir raus. Frag bitte nach dem Pickel am Bauch.“

Die Verantwortung abgeben heißt, dass er mich fragt: „Du, ich hab demnächst einen Termin für die U6 gemacht und die Kleine hat doch so einen Pickel am Bauch, da frag ich mal nach. Ist dir noch was aufgefallen?“

Gleichstellung ist eine große Herausforderung für beide

Die Verantwortung können sich die Männer nicht einfach nehmen, wir Frauen müssen sie auch abgeben. Verantwortung abgeben, heißt vertrauen. Das bedeutet auch, dass ich meinem Partner voll und ganz vertraue, dass ich nicht ständig kontrolliere, dass ich loslasse. Das Loslassen und Akzeptieren, dass der Partner Dinge vielleicht ganz anders umsetzt, erfordert neben Vertrauen sehr viel Offenheit und Flexibilität.

Für mich liegt auch eine Herausforderung in der Konfrontation mit den Erwartungen anderer Frauen. Wenn mich eine andere Mutter fragt, wie unsere Kinderärztin heißt und ich nicht gleich auf den Namen komme, fühle ich mich automatisch schlecht. Und nein, ich habe auch keine App, die mich über Entwicklungsschübe informiert. 

Verantwortung abgeben entspannt die Beziehung

Wir haben nicht alle Aufgaben, die anfallen, in unsere Verantwortungsbereiche sortiert, aber die, die wir einsortiert haben, entspannen mich. Ich finde, man nimmt die Aufgabe ernster und genauer, wenn die Verantwortung nicht im Raum schwebt, weil man später nicht sagen kann: „Ach, ich dachte du machst das.“  

Ist die Verantwortung zugeteilt, kann man keine Vorwürfe machen, dass der Partner eine Aufgabe „nicht sieht“. Der, der verantwortlich ist, erfüllt die Aufgabe oder bittet um Unterstützung. Selbst wenn einer um Unterstützung bittet, muss der andere kein schlechtes Gewissen haben, dass er nicht von selbst auf die Idee gekommen ist.

Nach und nach entsteht ein Vertrauen, dass jeder um Unterstützung fragt, wenn er sie braucht. Und genau das lässt eine unglaubliche Entspannung entstehen. 

Ungeklärt läuft es eher so: Einer bringt drei Wochen lang immer wieder den Müll weg und mit jedem Mal, steigt die Frustration, bis sie sich mit Vorwürfen am Partner entlädt, der nicht weiß, wie ihm geschieht. Wenn ich weiß, dass Ordnung und Sauberkeit der Küche in meiner Verantwortung liegt, brauch ich nicht darauf hoffen, dass der Partner den Müll wegbringt, ich kann ihn gleich um Unterstützung bitten, ohne Frustration. 

Also liebe Frauen, nehmt eure Männer oder Partnerinnen zur Seite und redet miteinander – es lohnt sich! Und für alle Männer, die diesen Text lesen, gilt natürlich das gleiche.


Die Gründerin Julia Ryssel und ihr Partner. (Foto: privat)



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