Foto: iulia Pironea – Flickr – CC BY-ND 2.0

Jetzt mal Klartext: Warum streiten Frauen so selten miteinander?

Frauen sind stutenbissig und zickig. Sie ziehen an den Haaren und kratzen sich die Augen aus. Jenseits von den Babelsberger Filmstudios ist das Bild allerdings differenzierter: Oft sind es Männer, die in Freundschaften auf den Tisch hauen; Frauen gehen Konflikten mit der besten Freundin lieber aus dem Weg. Reden wir zur Abwechslung doch mal Klartext.

Oh süße Harmonie

Helmut Kohl sagte einst: „Freundschaft verpflichtet den Freund zu sagen, was wirklich ist und nicht, was er gerne hört.“ Während Männer den Ruf haben Probleme anzusprechen, wird uns Frauen nachgesagt, dass wir jeden Ärger weg lächeln. Natürlich gibt es auch konfliktscheue Männer und dominante Frauen. Aber die weibliche Tendenz, um jeden Preis die Harmonie zu wahren, ist bemerkenswert.

In einer Studie zum Thema „Stimmungsverläufe in Freundschaften unter Erwachsenen“, forderte Birgit Lambertz sechs Frauenpaare auf, über drei Monate ein Freundschaftstagebuch zu führen. In diesem sollten sie ihre Emotionen gegenüber der besten Freundin beschreiben. Lambertz fand heraus an, dass Kritik und Konflikte eher selten angegeben wurden; Anteilnahme und emotionale Unterstützung wurden hervorgehoben. Das einzige Männerpaar, das teilnehmen sollte, hatte sich übrigens im Vorhinein zerstritten.

Isabel Nitzsche, Business-Coach für Fach- und Führungskräfte und Buchautorin von „Praxisbuch Konfliktlösung“ kann das bestätigen: „Grundsätzlich kann man in der Tendenz feststellen, dass Frauen konfliktscheuer sind. Männer sehen eher ihre eigenen Ziele, ihnen ist es nicht so wichtig, von anderen gemocht zu werden.“

Freundschaft – jetzt auch für Frauen 

Historisch gesehen war die Freundschaft lange Zeit reine Männerdomäne. Der Soziologe Friedrich Tenbruck kam zu dem Schluss, dass dies „eine Angelegenheit für Männer“ sei. Schriftsteller Siegfried Kracauer betonte den Mangel geistiger Nahrung zwischen Frauen. Wir taten also gut daran, uns auch in dieser Disziplin zu behaupten; heute gilt die Frauenfreundschaft als die innigere. Face-to-face nennt man das, während Männer sich eher side-by-side, also durch Sport oder Bier, annähern. Aufopferung, Verständnis und Empathie: haben wir Frauen einfach drauf.

Und doch fällt es uns schwer die beste Freundin zu kritisieren. Keiner kennt sie so gut wie wir; keiner weiß, bei welchen Themen sie besonders emotional reagiert. Wie könnten wir sie je verletzen? Also schlucken wir jeden Frust, bis wir ausbrechen wie ein jahrzehntelang inaktiver Vulkan. „Bei Frauen kommen Konflikte oft in spitzen Bemerkungen raus“, sagt Isabel Nitzsche. „Daher finde ich es auch unter Freundinnen wichtig nachzuhaken, wie der andere das gemeint hat, anstatt darüber hinwegzugehen.” Nitzsche weiß auch, warum wir Frauen so oft deeskalierend reagieren: „Meiner Meinung nach kommt das auch von den zumindest bisher oft unterschiedlichen Spielen in der Kindheit, bei Jungs geht es eher ums Gewinnen oder Verlieren, bei Mädchen um Kooperation.“

Boys will be boys – girls will be cute

Im Kindergarten hatte ich eine Erzfeindin. Sie hieß Maren, trug pinkfarbene Kleider und dämliche Herzspangen im Haar. Einmal behauptete sie, ihrem Vater würde der ganze Saftladen gehören. Das gab mir den Rest; ich ging auf sie los, würgte sie. Die Erzieherin eilte herbei, zog mich weg und drückte mich fest an sich. Was bei uns zu Hause los sei, warum ich so aggressiv sei? Fühlte ich mich ungeliebt? Zunächst mal fühlte ich mich in den Klauen einer riesigen Gebärmutter gefangen. Dann erinnerte ich mich an die Kämpfe, die die Jungs in meiner Gruppe täglich austrugen. Bei ihnen hieß das allerdings „Toben“ oder „Raufen“ und war Normalität. Ich musste meinen Groll fortan verbergen.

Dass Jungs eher als Mädchen zur Autonomie erzogen werden, ist wissenschaftlich belegt. In der Studie „Rosa Ritter & schwarze Prinzessinnen“ von iconkids & youth zum Beispiel, wurden 700 Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren zu ihrer Lebenswelt befragt. Dabei war es 67 Prozent der Jungs wichtig, unter den Besten zu sein, während 68 Prozent der Mädchen sich gerne um Tiere, Pflanzen und Kinder kümmerten. Süß, oder?

Nicht ganz. Diese Einstellung hat Einzug in unser Erwachsenenleben erhalten. Noch immer versuchen viele Frauen ihre Emotionen zu unterdrücken; „ist doch kein Problem“, ist unser Hare Krishna. Wir bekommen Schweißausbrüche und Herzklopfen, wenn sich ein Konflikt auch nur abzeichnet – und haben keine Ahnung, wie wir aus diesem Teufelskreis ausbrechen können.

„Es hilft, sich auf das Gespräch vorzubereiten“, rät Isabel Nitzsche. „Überlegen Sie sich vorher: Was will ich eigentlich? Was ist für mich tolerierbar und was nicht?“ Frauen seien es nicht gewohnt, in Freundschaften zu ihren Bedürfnissen zu stehen. Übung macht den Keifer.

Rauslassen statt Schluss machen

Über Gin Tonic und Cappuccino kämpften wir gemeinsam dafür, zu starken Frauen zu werden. Wir verdammten Exfreunde zu Arschlöchern, verließen Jobs und Städte mit dem unsichtbaren Handabdruck der besten Freundin auf der Schulter. Wäre es da nicht unfair, sie wegen eines kleinen Fehlers infrage zu stellen? Sicher wäre es das. Andererseits wäre es unehrlich, es nicht zu tun. Was bringen uns all diese Sonnenschein-Freundschaften, unter denen stets ein grauer Himmel brodelt?

Wenn für Aristoteles Freundschaft eine Seele in zwei Körpern bedeutet, sollten wir uns mehr nach unserer eigenen umschauen. Legen wir die Titten auf den Tisch. Verzichten wir auf Floskeln, wie: „Ich will dir ja nicht zu nahe treten.“ Menschen müssen sich nahekommen, um sich zu berühren. Wir sollten uns zeigen, wie wir sind. Manchmal wütend, enttäuscht und unzufrieden. Die beste Freundin hat ein Anrecht auf die Wahrheit. Alleine, um ihren Standpunkt zu verteidigen. Nur Mut, für beide Seiten gibt es viel zu gewinnen.

Titelbild: iulia Pironea – Flickr – CC BY-ND 2.0

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