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Gitta Blatt: „Wer Karriere machen will, braucht Vertrauen in die eigene Leistung“

Um im Job voranzukommen, braucht es den Mut zu anderen Sichtweisen und die Fähigkeit, Kritik standhalten zu können, sagt Gitta Blatt. Wir haben mit der Personalchefin von Sky Deutschland über die Herausforderung einer Karriere in einem männerdominierten Umfeld gesprochen – denn dazu kann man verdammt viel von ihr lernen.

 

„Ich glaube nicht an Quoten, sondern an gemischte Teams und Projekterfolge“

Ein Unternehmen braucht Diversität in allen Hierarchie-Ebenen, um zukunftsfähig zu sein, sagt Gitta Blatt, die als Executive Vice President Human Resources & Organisation bei Sky Deutschland arbeitet. Was die erfolgreiche Personalchefin in ihrem Beruf antreibt, in welcher Phase sie in ihrer Berufslaufbahn auch mal die Reißleine ziehen und sich neu verorten musste und warum die Führungsebene in Zukunft auch ohne Quote weiblicher werden wird, das hat sie uns im Interview erzählt. Auch hat Gitta Blatt, die als Coach bei unserer Female Future Force Academy mit an Bord ist, ganz viele wichtige Tipps für Frauen, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen.

Du bist Senior Vice President Human Resources & Organisation bei Sky Deutschland, früher hast du auch schon für AOL Time Warner und für Spielehersteller gearbeitet. Was hat dich auf deinem beruflichen Weg angetrieben?

„Das stimmt nicht ganz, ich bin sogar Executive Vice President – aber Titel sind nicht entscheidend. Verständlich gesprochen, war ich in den von dir genannten Karrierestufen immer Personalleiterin. Angetrieben hat mich immer Geselligkeit, ich mag Netzwerker mit hoher Sozialkompetenz und ich suche Umfelder mit gutem Emotionsmanagement. Damit meine ich, dass Durchsetzungsfähigkeit nicht kompetitiv, sondern vor allem erfolgsbringend für Teams eingesetzt wird. Auch Neugier halte ich für eine sehr wichtige Eigenschaft, die eng mit meiner Motivation und meine Anpassungsfähigkeit verknüpft ist. Denn dadurch halte ich die Balance darin, einerseits Gelerntes zum Erfolg zu bringen und andererseits die Komfortzone zu verlassen, um in neue Richtungen zu gehen. So bin ich über die Jahre fast automatisch in größere Verantwortungen reingewachsen – ich habe das nie am Reißbrett geplant.“

„Es gibt zwei Erfolgsfaktoren: Die richtigen Talente und die richtigen Investitionen.“

Was ist derzeit die größte Herausforderung bei Personalthemen und hat sich hier im Laufe der Zeit etwas entscheidend geändert?

„Meine Verantwortungen sind heute anders in Umfang sowie Auswirkung und auch größere als vor zehn Jahren, daher ist nicht alles vergleichbar. Vor allem aber hat sich die Anforderung an die Rolle des People Director gewandelt, da sich auch Unternehmen und ihre Bedürfnisse stark verändert haben. Vor ein paar Dekaden haben ‚HR’ler’ verwaltet und unterstützt. Heute hat sich das Aufgabenfeld vom Tellerwäscher und Kellner, auf das Niveau des Restaurant-Leiters oder Chefkochs entwickelt. Um bei diesem Bild zu bleiben, geht es nicht darum, die Bestellung zu notieren und das Trinkgeld abzuwarten, sondern dafür zu sorgen, dass das Haus einen Stern erhält. People-Themen werden inzwischen häufiger im Vorstand oder in der Geschäftsführung besetzt, da es zwei Erfolgsfaktoren gibt: die richtigen Talente und die richtigen Investitionen zu tätigen. Der beste Business-Plan nützt nichts, wenn er nicht smart und schnell gegen die Konkurrenz umgesetzt wird. Beim richtigen Tempo an Wachstum, Veränderung und passender Erfolgskultur steht HR heute im Fokus.“

„Machtmissbrauch ist keine Frage der Geschlechter.“

War Sexismus je ein Thema in deinem Berufsalltag?

„Nein, kaum. Aber anzügliche Witze oder dumme Sprüche habe ich im Verlauf der Jahre schon erlebt. In der Richtung: ‚Mit Blondinen kenne ich mich bestens aus.’ Ich kann mir aber recht gut helfen und meine Erwartungshaltung an Umgang, Wertschätzung und Respekt auch unmissverständlich klarstellen. Ich konnte oft steuern, ob sich Kollegen nicht am meisten selbst damit schaden. Ich habe übrigens genauso Frauen in klar anzüglichen Bemerkungen gegen Männer beobachtet – Machtmissbrauch gibt es in beide Richtungen. Schön ist ja, dass die Themen Gender und Diversität eine ganz neue Lockerheit bekommen, da sie nun einmal jenseits von Quoten, messbare Erfolgsfaktoren in allen Hierarchie-Stufen sind.“

In deiner Zeit bei AOL ist das Unternehmen in eine schwere Krise geraten. Was konntest du aus der Erfahrung ziehen, das mit zu begleiten und zu tragen? Kann Krise auch Anfang sein, oder ist das zu romantisch gedacht?

„Das war in meinen letzten drei Jahren eine schwere Zeit. Unternehmensteilung, Verlagerung von strategischen Jobs in die Firmenzentrale, Offshoring einiger Bereiche nach Indien und drei Jahre in Folge Entlassungen. Ohne private Anker und einen starken Mentor in meinem Chef zu haben, hätte das vermutlich ein Burnout zur Folge gehabt. Im Nachhinein ist das eine entscheidende Lebensweiche geworden, die für mich viel positiv verändert hat. Ich habe unfreiwillig gelernt, was ich nicht wollte. Und aus dieser neuen Klarheit zum ersten Mal gekündigt, ohne die Zukunft geplant oder organisiert zu haben. Es war nicht egal, was kommt, es war sogar wichtig, dass erst einmal ‚nichts’ kommt.“

Wie sah dieses „Nichts“ aus?

„Ich bin alleine durch Mexiko gereist und habe Kontrolle, also zum Beispiel mein Stressmanagement und Wohlbefinden, sowie auch meine Definition von Glück neu zusammengestellt. Dabei hat mir das Tauchen geholfen und noch heute holt mich eine Challenge im Wracktauchen, Tauchen in Cenoten, eine Ausbildung am Scooter oder mit verschiedenen Gasen und in der Tiefe in eine besonders entspannte Haltung. Romantisch war dabei nichts. Aber ich hatte ein starkes Netzwerk nach der Auflösung von AOL praktisch in der ganzen Medienbranche – ich habe heute noch viele intensive Kontakte aus der Zeit. Das und die harte Lernkurve sind rückwirkend wichtige Erfolgsfaktoren für mich.“

Welche Eigenschaft bringt dich in deinem Berufsalltag entscheidend weiter?

„Ich werde meine Perfektion nicht los, das lässt mich schwieriger mit Fehlern und Unsicherheiten umgehen. Gleichzeitig liebe ich Neues und Neugier steckt in jeder Minute. Die Neugier auf Menschen, auf das, was sie voranbringt und ihre Geschichten, sind in meinem Job ein Geschenk.“

Frauen sind in der Medienbranche in Führungspositionen immer noch unterrepräsentiert. Wie verhält sich das bei deinem aktuellen Arbeitgeber?

„Das gilt auch für Sky. Aber wir haben viel verändert in den letzten zwei Jahren und die Frauenquote liegt heute bei 40 Prozent – in 2013 lag sie noch bei 21 Prozent – und von zehn Direct Reports an den CEO sind drei Frauen. Im Jahr 2014 gab es noch keine einzige. Wir haben inzwischen 31 Prozent weibliche Führungskräfte und es gibt umfangreiche Mentoring-Programme, Trainings und auch Kampagnen auf internationaler Ebene. In London sehen die Zahlen noch besser aus als bei uns, was bemerkenswert ist – denn die Auswahl wird durch das Umfeld von einem Drittel an technischen Berufen und einer großen, männlich getriebene Bundesliga-Domäne, nicht vereinfacht.

„Mentoring-Programme können ein großes Sprungbrett sein.“

Warum kommen noch immer so wenige Frauen ganz oben an? Liegt es an den fehlenden Netzwerken?

„Ich glaube nicht an Quoten, sondern an gemischte Teams und Projekterfolge. Netzwerke entstehen aus Themen und Projektinteresse und nicht aus Gender-Gruppierungen. Es ist deshalb sehr erfolgreich, sich Projekte übertragen zu lassen, in denen Sichtbarkeit auch im Management garantiert ist. Mentoring-Programme sind ebenfalls ein großes Sprungbrett, um zunächst dabei zu sein und dann Übernahme von Verantwortung anzubieten. Männer entscheiden und der Rest passiert. Frauen bauen mehr Sicherheitsparameter ein, das hat auch Nachteile.“

Was muss denn konkret von Arbeitgeberseite passieren? Sind wirklich spezielle „Frauenförderungen“ das Credo oder sollte man nicht viel basaler, also an der generellen Unternehmenskultur ansetzen?

„Ich denke, die ‚Zigarren-Kaminabende’ durch ‚Prosecco-Ladies-Night-Out’ zu ersetzen, ist ein netter Anfang, aber nicht mehr. Kultur heißt: Wir beschäftigen uns mit der Frage, wie wir zusammen arbeiten und wie wir Entscheidungen treffen. Wenn das nicht in einer Führungshaltung integrativ, international, und jenseits jeder Gender- oder Altersgruppe passiert, dann braucht es kein Frauen-Programm. Es braucht Manager, die die Vorteile von ‚Inklusion’ verstehen oder lernen. Wenn beides nicht geplant ist, stelle ich den Erfolg des Wachstums des Hauses in Frage.“

„Emotionale Intelligenz wird in Zukunft immer wichtiger.“

Würdest du dem Satz zustimmen, dass die Zukunft weiblich ist?

„Nein. Ich glaube Erfolg kommt immer aus dem Mix. Aber ich stimme zu, dass häufige Stärken von Frauen aus dem Bereich der emotionalen Intelligenz in den zukünftigen Organisationen deutlich wichtiger werden. Beziehungen, soziales Bewusstsein, Emotionsmanagement, Optimismus, Netzwerk und Vernetzung – in der angewandten Personalpsychologie gibt es diverse Studien, die auf sehr neue Führungspersönlichkeiten schließen lassen. Wenn wir davon ausgehen, dass aus der früheren Anforderung IQ, nun als relevanter Zusatz EQ geworden ist, können wir davon ausgehen, dass es in Zukunft den CQ, also den ,Cultural Quotient‘ braucht. Es wird also in jedem Fall weiblicher.“

Welche Frau und welcher Mann sind eine Inspiration für dich?

„Eine Frau, die ich als Vorbild in der Wirtschaft sehe, ist Sabine Bendiek, die CEO von Microsoft Deutschland. Insgesamt sind bei Microsoft wichtige Weichen in der Unternehmenskultur gestellt worden, wobei Personalchef Markus Köhler zu den führenden Inspiratoren gehörte.

International betrachtet ist auch Kiran Mazumdar-Shaw eine Inspiration. Unter ihrer Leitung wurde Biocon zu einem global erfolgreichen Konzern, der erschwingliche und innovative Pharmazie vertreibt. Sie ist nicht nur in Indien, sondern weltweit bekannt und wurde vom Time Magazin unter und die 100 einflussreichsten Manager gewählt. Im Vergleich zu ihr könnte man fragen: Who is Zuckerberg?“

Was war der beste Tipp in Sachen Karriere, den du je bekommen hast und wer hat dir diesen gegeben?

„’Think Big’ von Philipp Schindler, damals mein Manager und heute unter den Top 10 bei Google im Silicon Valley. Auch wichtig ist etwas, das mir John Hamovitch mal gesagt hat – damals weltweiter Chef bei AOL Time Warner, an den ich in Kanada berichtete: ‚Show me someone with passion.’ Man sieht, ich hatte deutlich häufiger männliche Mentoren im Laufe meiner Karriere.“

„Ehrgeizig sein ist nicht verboten und Spaß haben unbedingt erlaubt.“

Und welchen Tipp würdest du an Frauen geben, die sich in einem männerdominierten Umfeld durchsetzen müssen oder auch ganz generell im Job vorankommen wollen?

Authentisch sein. Know your numbers and know your challenge. Habe Zugang zu deinem Manager und pitche mit ihm Ideen. Strukturiere deine Pläne und kommuniziere deine Ergebnisse. Ehrgeizig sein ist nicht verboten und Spaß haben unbedingt erlaubt. Das geht weiblich und als Original. Mut zur anderen Sichtweise und Standing bei Kritik sowie Vertrauen in die eigene Leistung sind das Handwerkzeug für alle lernenden und sich weiter entwickelnden Manager und Managerinnen, die mehr Rampenlicht wünschen.“

Welchen Glaubenssatz sollte man sich in Bezug auf seine Karriere am besten aus dem Kopf schlagen?

„Irrtum 1: Ich schaffe es allein.

Irrtum 2: Es braucht nur genug Planung.

Irrtum 3: Ich brauche nur abzuwarten.“

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